Russiagate: Trump-Regierung spähte führende Oppositionspolitiker via Apple aus

Das US-Justizministerium verdonnerte Apple zur Herausgabe von Daten wichtiger Demokraten im Repräsentantenhaus im Rahmen einer Leak-Untersuchung.

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(Bild: Normana Karia/Shutterstock.com)

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Die Regierung des früheren US-Präsidenten Donald Trump schreckte während einer Untersuchung geleakter Verschlusssachen rund um eine potenzielle Einmischung Russlands in den Wahlkampf zugunsten des Republikaners nicht vor einem höchst ungewöhnlichen Schritt zurück: Staatsanwälte des US-Justizministeriums forderten 2017 und 2018 von Apple Daten von den Konten von mindestens zwei Demokraten im Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses sowie ihrer Mitarbeiter und Familienmitglieder an – eines davon war minderjährig.

Insgesamt seien die persönlichen Informationen von mindestens einem Dutzend Personen beschlagnahmt worden, die mit dem Ausschuss verbunden sind, berichtet die New York Times (NYT). Eine Geschworenenjury habe die Anordnungen freigegeben, das FBI habe sie übermittelt. Zu den Betroffenen gehört der Abgeordnete Adam Schiff aus Kalifornien, der damals als der wichtigste Demokrat in dem Gremium galt und es heute leitet. Sein ebenfalls dem Ausschuss angehörender Parteikollege Eric Swalwell machte öffentlich, dass seine Daten ebenfalls beschlagnahmt worden seien.

Insgesamt sollen von der Aktion über 100 Konten von Apple-Nutzern betroffen gewesen sein, meldet CNN. Der kalifornische Konzern sei zum Stillschweigen verpflichtet worden. Die Strafverfolger erneuerten die Auskunftssperre demnach dreimal, bevor sie in diesem Jahr auslief und Apple die Kunden somit im Mai benachrichtigten konnte. Betroffen gewesen seien auch Mitarbeiter, die nichts mit Fragen im Zusammenhang mit Russland oder dem ebenfalls unter Trump ins Visier der Justiz geratenen ehemaligen FBI-Chef James Comey zu tun hatten.

Apple habe Metadaten wie Verbindungs- und Standortinformationen und Angaben zu den entsprechenden Accounts herausgeben, nicht aber Fotos, E-Mails oder andere Inhalte, schreibt die Zeitung. Daneben soll ein weiterer, bislang nicht genannter Internetprovider betroffen gewesen sein. Das Justizministerium habe den Demokraten im Ausschuss keine Auskunft erteilt, ob auch Republikaner aus dem Abgeordnetenhaus oder dem Senat ausgespäht worden seien.

Die Vorfälle ereigneten sich, als Staatsanwälte unter Justizminister Jeff Sessions auf der Jagd nach den Quellen hinter Medienberichten über Kontakte zwischen Mitarbeitern des Immobilien-Tycoons Trump und Russland waren. Letztendlich konnten die Strafverfolger mit den Daten und anderen Beweise den Geheimdienstausschuss laut den Berichten nicht mit undichten Stellen rund um das "Russiagate" in Verbindung bringen. Die Ermittlungen schienen in eine Sackgasse geraten zu sein. Im Ministerium sei daher darüber diskutiert worden, die Untersuchung einzustellen.

Sessions Nachfolger William Barr habe die Suche nach den Verantwortlichen für die Durchstechereien aber wiederbelebt, heißt es. Der Trump-Gefolgsmann habe einen ihm vertrauten Staatsanwalt mit wenig einschlägiger Erfahrung aus New Jersey in das Justizministerium versetzt, um in dem auf Schiff bezogenen Fall und etwa einem halben Dutzend vergleichbarer Fälle voranzukommen. Dessen Eifer habe ihn zu einem Mittel greifen lassen, das sonst gegenüber Abgeordneten allenfalls aus Korruptionsuntersuchungen bekannt sei. Aktuelle und frühere Kongressbeamte konnten sich nicht daran erinnern, dass für die schon von der Obama-Regierung deutlich verstärkten Leak-Analysen sonst jemals Daten von Gesetzgebern beschlagnahmt worden seien.

Die mit den Vorgängen befassten Staatsanwälte griffen schließlich sogar auf Daten von Reportern zurück, um zu versuchen, deren vertraulichen Quellen zu identifizieren. Dies ist in den USA nur als Ultima Ratio möglich. Auch diese Anordnungen blieben geheim, bis das Justizressort sie vor einigen Wochen gegenüber den betroffenen Medien – der "Washington Post", der NYT und CNN – offenlegte.

Selbst wenn es im Russiagate-Fall ausreichende Anhaltspunkte für Ermittlungen gegeben hätte, komme ihm das Vorgehen der Trump-Regierung "extrem aggressiv" vor, erklärte David Laufman, früherer leitender Beamter des US-Justizressorts, der NYT. Zusammen mit dem "Rachefeldzug" gegen Schiff werfe es "ernsthafte Fragen darüber auf, ob die Art und Weise, in der diese Untersuchung durchgeführt wurde, eher von politischen als von rein juristischen Erwägungen beeinflusst war".

"Die Politisierung des Ministeriums und die Angriffe auf die Rechtsstaatlichkeit gehören zu den gefährlichsten Angriffen auf unsere Demokratie durch den ehemaligen Präsidenten", erklärte Schiff selbst. Diese und andere Fälle legten eine weit übers Ziel hinausschießende "Munitionierung der Strafverfolgung" durch einen "korrupten" Staatschef nahe. Auf Twitter unterstrich der Ausschussleiter: "Wir brauchen eine vollständige Aufarbeitung des Machtmissbrauchs des Justizministeriums unter Trump gegen den Kongress und die Presse." Eine Untersuchung durch den Generalinspekteur sei da nur der Anfang. Das gesamte Spektrum des Fehlverhaltens gehöre auf den Prüfstand.

Auch der Journalist Glenn Greenwald, dem Edward Snowden Teile seiner NSA-Geheimpapiere anvertraute, verurteilte den Ansatz der Trump-Regierung. Zugleich gab er aber zu bedenken: "Schiff und Swalwell sind absolut unglaubwürdig, wenn sie sich gegen diese gezielte Überwachung aussprechen." Beide seien seit Langem "Champions des Ausbaus der inländischen Spionagebefugnisse". Sie hätten 2018 etwa eine Reform des Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA) blockiert, der eine Massenüberwachung durch Sicherheitsbehörden wie die NSA und das FBI ermöglicht.

(tiw)