Grünen-Wahlprogramm: Staatstrojaner wieder gekippt – aber Kampfdrohnen "prüfen"

Die Grünen stellen sich nun doch gegen den Staatstrojaner – die Parteibasis stimmt für eine Programmänderung. Kampfdrohnen will die Partei künftig erwägen.

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(Bild: tee262 / Shutterstock.com)

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Beim Parteitag von Bündnis 90/Die Grünen hat die Parteibasis eine Änderung im Wahlprogramm durchgesetzt und sich damit klar gegen die Online-Durchsuchung elektronischer Geräte ausgesprochen (auch als Quellen-TKÜ oder Staatstrojaner bekannt). Die rein digital stattfindende Bundesdelegiertenkonferenz votierte mehrheitlich für einen Änderungsantrag im Kapitel 5 ("Zusammen leben") des Entwurfs zum Wahlprogramm für die Bundestagswahl am 26. September. Durch die Änderung unterliegt die vom Bundesvorstand der Partei vorgelegte Version, in der sich die Grünen eigentlich mit einer "rechtsstaatlich ausgestalteten Quellen-TKÜ" zum Einsatz eines Staatstrojaners bekannt hatten.

In dem im März dieses Jahres vom Bundesvorstand veröffentlichten Entwurf des Wahlprogramms hieß es noch, dass Strafverfolger grundsätzlich Staatstrojaner einsetzen dürften. Dieses Mittel sollte jedoch nicht "generell" zum Einsatz kommen, sondern vielmehr "zielgerichtet" dazu dienen, die elektronische Kommunikation zu "infiltrieren".

Unter den zahlreichen Änderungsanträgen zu dem fraglichen Absatz in Kapitel 5 "Zielgerichtete Abwehr konkreter Gefahren" entschieden sich die Delegierten mehrheitlich für den Antrag 'PB.Z-01-742-3', den die 'Bundesarbeitsgemeinschaft Demokratie und Recht' eingebracht hatte. Darin werden biometrische Überwachung in der Öffentlichkeit (wie Gesichtserkennung) ebenso generell abgelehnt wie "generelle Hintertüren in digitalen Geräten und Anwendungen oder das Infiltrieren von technischen Geräten (Online-Durchsuchung bzw. Quellen-TKÜ)".

In der ursprünglichen Fassung sollte genau dies Letztere der Polizei explizit ermöglicht werden. Die Meldepflicht für Sicherheitslücken bleibt auch im beschlossenen Änderungsantrag bestehen, sie wird ergänzt um die Formulierung, es sei "aktiv auf ihre Behebung hinzuwirken". Keine inhaltliche Änderung gibt es beim Thema Vorratsdatenspeicherung – hier fordert das Grünen-Wahlprogramm lediglich, dass diese nicht "anlasslos" stattfinden möge.

Das Thema Quellen-TKÜ ist schon lange umstritten und hat kürzlich noch einmal besonders große Aufmerksamkeit auf sich gezogen: Die Bundesregierung hatte gegen vielfältige Kritik den Einsatz des sogenannten Staatstrojaners für Nachrichtendienste auf Bundes- und Länderebene sowie für die Bundespolizei freigegeben. Verschlüsselte elektronische Kommunikation darf damit nicht nur im Gerät des Nutzers belauscht werden, sondern Behörden erhalten auch Zugriff auf gespeicherte Chats und Mails, wobei die Anbieter von Telekommunikationsdiensten entsprechende technische Mittel zur Unterstützung bereitstellen müssen.

Auch bei einem weiteren Thema weichen die Grünen ihre bisherige Haltung auf: Die Bewaffnung von Drohnen kann sich die Partei nun grundsätzlich vorstellen, wenn der Anwendungszweck auf den Schutz von Bundeswehrsoldaten im Einsatzgebiet abzielt. Im Wahlprogramm zur letzten Bundestagswahl 2017 hatte die Partei eine Bewaffnung von Drohnen noch generell abgelehnt und für "falsch" gehalten. In einer sehr knappen Wahlentscheidung stimmten die Delegierten nun für eine Formulierung, laut der zunächst die Einsatzszenarien für die bewaffneten Drohnen der Bundeswehr betrachtet werden sollen, bevor über ihre Anschaffung zu entscheiden ist. Bei der Abwägung seien auch Risiken wie Cybersecurity-Angriffe auf eine Drohne zu berücksichtigen.

Für diesen Antrag hatte sich unter anderem der Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin ausgesprochen. Mit der Entscheidung ist die von den Grünen seit Jahren vertretene kategorische Ablehnung von Kampfdrohnen gekippt. Noch im vergangenen Dezember hatte Co-Parteichef Robert Habeck die Bewaffnung von Bundeswehr-Drohnen "sehr kritisch" betrachtet. Bei bisherigen Einsätzen solcher Kampfdrohnen seien häufig völkerrechtswidrige Hinrichtungen aus der Luft vorgenommen worden, sagte Habeck damals, und weiter: Es drohe eine Automatisierung des Kriegs, ohne dass es klare Einsatzregeln gebe. Einen Einsatz von Kampfdrohnen für extralegale (also willkürliche, nicht juristisch geregelte) Tötungen lehnen die Grünen ab.

[14.6.2021 14:11 Uhr:] Absatz zwei: Aussage zur Beschränkung der Quellen-TKÜ hinsichtlich Sicherheitslücken gestrichen.

(tiw)