Polarstern-Forscher: Eis der Arktis zog sich 2020 schneller zurück als je zuvor

150 Terabyte Daten und mehrere 10.000 Proben hatte die Polarstern von ihrer Arktis-Expedition mitgebracht. Nun werden sie ausgewertet.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 89 Kommentare lesen

Die Polarstern nahe des Nordpols.

(Bild: AWI / Steffen Graupner)

Lesezeit: 2 Min.
Von

Während der einjährigen "Mosaic"-Expedition in der zentralen Arktis hat sich das Eis schneller zurückgezogen als je zuvor seit Beginn der Aufzeichnungen. Die Ausdehnung des Eises sei im Sommer 2020 nur noch halb so groß wie vor Jahrzehnten gewesen, sagte der damalige Fahrtleiter Markus Rex vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) am Dienstag in Berlin. Zugleich sei das Eis nur noch halb so dick wie vor fast 130 Jahren gewesen.

Im Herbst 2020 habe sich das Eis wiederum viel später geschlossen als je zuvor. "Durch die lange eisfreie Zeit im Sommer konnte der Ozean große Mengen an Wärme aufnehmen und speichern", sagte Rex.

Die "Polarstern" war im Herbst 2019 von Bremerhaven aus Richtung Arktis aufgebrochen, im Oktober 2020 kehrte sie zurück. Fast zehn Monate lang driftete das Schiff angedockt an eine riesige Eisscholle durch das Nordpolarmeer. Wissenschaftler konnten so den gesamten Eiszyklus vom Gefrieren bis zur Schmelze messen und dokumentieren.

Die Daten der Expedition werden weltweit von mehreren Hundert Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in etwa 300 einzelnen wissenschaftlichen Projekten analysiert, erläutert das Bundesforschungsministerium. Für die Jahre 2021 bis 2023 wird mit einigen hundert Fachveröffentlichungen gerechnet; sie sollen ein weiteres Kapitel zum Verständnis des Klimawandels bilden.

Rex sagte, es seien mehr als 150 Terabyte Daten und mehrere 10.000 Proben mit nach Hause gebracht worden. Erst die Auswertung der nächsten Jahre werde zeigen, ob das ganzjährige arktische Meereis noch zu retten sei. Er warnte, sollte die sommerliche Arktis eisfrei werden, könne dies "unkontrollierte Kaskaden" auslösen. Diese könnten die Erderwärmung immer weiter antreiben.

Eine solche besorgniserregende Entwicklung sahen kürzlich Forschende des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und der Freien Universität Berlin. Die Destabilisierung des zentral-westlichen Eisschildes auf Grönland habe begonnen, der Prozess des Abschmelzens habe bereits eingesetzt, er könne auch nur bei begrenzter Erwärmung eskalieren, also den Kipppunkt überschreiten. Das würde den langfristigen globalen Anstieg des Meeresspiegels erheblich verstärken, hieß es im Mai. Die möglichen Folgen des Klimawandels nur für Deutschland schilderte das Umweltbundesamt kürzlich in einer Risikoanalyse.

Arktis-Expedition "Mosaic" (78 Bilder)

22. März 2020: Schneedünen in der Arktis.
(Bild: Michael Gutsche)

(anw)