Identifizierungspflicht: Innenministerkonferenz will "Login-Falle"

Die Innenminister von Bund und Ländern wollen über Plattform-Betreiber mit Login-Fallen IP-Adressen von Hetzern ermitteln und mit Bestandsdaten abgleichen.

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(Bild: Oleksiy Mark/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.

Wer Menschen im Internet mit Hass überzieht oder beleidigt, soll künftig noch weniger oft ungeschoren davonkommen. Die Innenminister von Bund und Ländern haben sich auf ihrer Frühjahrskonferenz im Freizeitpark Rust in den vergangenen zwei Tagen dafür mit der "Login-Falle" ein neues Instrument für die Identifizierung anonymer Hetzer ausgedacht. Dabei sollen die Betreiber sozialer Netzwerke gemeinsam mit der Polizei eng zusammenarbeiten, um Verdächtige und deren IP Adresse zu ermitteln, sobald sie sich erneut einloggen.

Werde ein Hetzer durch den Provider gemeldet oder gebe es eine Beschwerde anderer Nutzer, werde die Falle aktiviert, erläuterte der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius: "Beim nächsten Login schnappt sie zu." Die Ermittler kriegten dann die IP-Adresse und könnten sie mit Bestandsdaten auch der Zugangsanbieter abgleichen. Bei Mobilanwendungen erfolge sowieso ständig ein Login, sodass die Internetkennungen so auch "ohne Vorratsdatenspeicherung" in die Hände der Strafverfolger fielen. Andernfalls lägen die begehrten Daten oft nach zwei oder drei Wochen nicht mehr vor.

"Leider gibt es auch 2021 noch keine verlässlichen Werkzeuge, um Verfasser strafbewehrter Hetze verlässlich ermitteln zu können", monierte Pistorius. Mit dem Anti-Hass-Gesetz und den damit erfolgten Änderungen am Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) müssen betroffene Anbieter zwar bereits strafrechtlich relevante Inhalte wie Hassbeiträge, Terrorismuspropaganda oder Bedrohungen und Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs unaufgefordert zusammen mit IP-Adressen inklusive Portnummern ans Bundeskriminalamt (BKA) melden.

Das NetzDG umfasst laut Pistorius aber nicht alle Bereiche und nicht alle gängigen Plattformen, sodass Identifizierung einzelner Nutzer sich nach wie vor schwierig gestalte. Der SPD-Politiker kündigte an, dass die Innenministerkonferenz (IMK) nun In den entsprechenden Gremien rund um die Login-Falle "mögliche weitere Schritte" diskutieren werde.

Erneut befürworteten die Minister mit einem entsprechenden Beschluss zudem eine Identifizierungspflicht in sozialen Netzwerken. Mit dieser Online-Ausweispflicht durch die Hintertür, die Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) jüngst vergeblich über die Novelle des Telekommunikationsgesetzes zu verankern suchte, solle offiziell keine Klarnamenpflicht verknüpft sein, wie Pistorius betonte. Niemand müsse also mit echtem Namen nach außen hin Social-Media-Beiträge posten, jeder könne mit Spitznamen schreiben. Bei den Plattformen müsse er aber die "Echtdaten" hinterlassen, damit Ermittler darauf zugreifen könnten.

"Die Pandemie ist ganz offensichtlich ein Nährboden für extremistische Verschwörungsideologien und für Hass und Hetze", betonte der IMK-Vorsitzende Thomas Strobl (CDU). "Das sind keine Hirngespinste, sondern eine neue, reale Gefährdungslage." Der baden-württembergische Innenminister beklagte, dass sich während des Protestgeschehens gegen die Corona-Maßnahmen solche Erzählungen auch teils gegen staatliche Vertreter, gesellschaftliche Gruppen oder die freiheitliche demokratische Ordnung gerichtet hätten. Die Verfassungsschutzämter von Bund und Ländern würden daher nun auf diese Entwicklungen einen besonderen Blick richten und ihre Kooperation intensivieren sowie standardisieren.

Ferner sollen mögliche Gesetzesanpassungen geprüft werden, wonach Amtsträger, die in geschlossenen Telekommunikationsgruppen etwa auf WhatsApp und Telegram rassistische, antisemitische und fremdenfeindliche Inhalte in Zusammenhang mit der Dienstausübung austauschen, strafrechtlich belangt werden können.

Die IMK will zudem im Lichte der Lehren aus der Corona-Krise das Krisen- und Katastrophenmanagement verbessern und auch hier enger zusammenarbeiten wie etwa bei der Terrorismusbekämpfung. Sie plädiert für eine stärker "datenbasierte Krisenprävention": Die Möglichkeiten der Digitalisierung und die Grenzen des Datenschutzes sollen dafür "unter dem Blickwinkel des Krisenmanagements" beleuchtet werden. Dazu gehöre der Aufbau eines "intelligenten, grenzübergreifenden und internationalen Frühwarnsystems".

[Update 21.06.2021 – 10:45 Uhr] Das ursprüngliche Konzept für die Login-Falle stammt vom netzpolitischen Verein D64, der der SPD nahesteht. Der hat nach eigenen Angaben Pistorius von dem Instrument überzeugen können, um eine "Strafverfolgung im Internet ohne Massenüberwachung" und zusätzlicher Eingriffbefugnisse zu ermöglichen. D64 will damit Klarnamen- und Identifizierungspflichten verhindern. Es sollen "Ermittlungsmethoden entwickelt werden, die ausreichend schnell sind und bei denen es erst nach Vorliegen eines Anfangsverdachts zu Maßnahmen kommt". Nötig für die Falle seien standardisierte Schnittstellen, über die sowohl die Anfrage als auch die Übermittlung der Daten sicher und schnell erfolgen könnten.

(axk)