Quellen-TKÜ: Bundesrat stoppt Bundestrojaner für die Bundespolizei vorerst

Der Bundesrat hat den Entwurf zur Novelle des Bundespolizeigesetzes nicht gebilligt, er müsste nachverhandelt werden. Staatstrojaner für Geheimdienste kommen.

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(Bild: Andrey_Popov / Shutterstock.com)

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Die vom Bundestag vor zwei Wochen beschlossene Reform des Bundespolizeigesetzes kann vorerst nicht in Kraft treten. Der Bundesrat hat dem Entwurf am Freitag in seiner Plenarsitzung nicht zugestimmt. Mit der Initiative sollte die Bundespolizei mithilfe des Bundestrojaners Messenger-Kommunikation etwa via WhatsApp, Signal oder Threema sowie Internet-Telefonate und Video-Calls vor allem im Kampf gegen Menschenhandel und Schleusung mitlesen dürfen.

Neben dieser sogenannten Quellen-TKÜ wollte der Bundestag auch erreichen, dass der einstige Grenzschutz künftig die Telekommunikation der Bürger präventiv überwachen kann, etwa "zur Abwehr einer dringenden Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person". Dies sollte sogar Fälle ohne konkreten Anfangsverdacht betreffen und auch für den Staatstrojaner-Einsatz gelten.

Nun erhielt das Vorhaben im Bundesrat nicht die erforderliche Mehrheit von 35 Stimmen. Bundesregierung und Bundestag können jetzt noch den Vermittlungsausschuss anrufen, um die Gesetzesnovelle grundsätzlich zu retten und einen Kompromiss zu erzielen. Die Zeit für ein solches aufwändiges Verfahren zwischen den Gremien wird aber sehr knapp mitten in der parlamentarischen Sommerpause vor den Bundestagswahlen im September. Sonst wäre erst ein neuer Anlauf unter einer neuen Regierung möglich.

Berlin hatte in der Länderkammer den Antrag gestellt, dass diese selbst den Vermittlungsausschuss anrufen sollte. Das Land begründete dies damit, dass die vorgesehene Quellen-TKÜ "erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken" begegne. Vor dem Bundesverfassungsgericht seien bereits Beschwerden gegen die entsprechenden repressiven Kompetenzen des Bundeskriminalamts (BKA) und anderer Strafverfolgungsbehörden im Rahmen der Strafprozessordnung anhängig. Es sei daher nicht nachzuvollziehen, dass die intensiv in die Grundrechte eingreifende Befugnis auf die Bundespolizei ausgeweitet werden solle.

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Einen zweiten Antrag zum Anrufen des Vermittlungsausschusses hatte Hamburg eingebracht. Der Stadtstaat kritisiert darin vor allem, dass der Einsatzbereich der Bundespolizei generell deutlich erweitert werden soll. Sie könnte demnach künftig auf Ersuchen einer Staatsanwaltschaft etwa in länderübergreifenden komplexen Sachverhalten wie bei Tätergruppierungen tätig werden, die sich auf Aufbrüche von Fahrkarten- und Geldautomaten, Schleusungskriminalität Kfz-Diebstahl, die Einfuhr von Drogen oder Wohnungseinbrüche konzentriert haben.

Beide Anträge kamen aber nicht zur Abstimmung, da der Bundesrat generell dagegen war, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius machte in einer Rede zuvor klar, dass die weiten Einschnitte in die Befugnisse der Länderpolizeien als "dunkler Schatten" über der Initiative lägen. Dass die Bundespolizei mit der Quellen-TKÜ ähnliche Befugnisse wie das BKA erhalten solle, bezeichnete der SPD Politiker dagegen als "gut" und "richtig".

Passieren ließ die Länderkammer dagegen den Gesetzentwurf zur "Anpassung des Verfassungsschutzrechts", den der Bundestag ebenfalls vor zwei Wochen verabschiedet hatte. Damit dürfen künftig das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), der Bundesnachrichtendienst (BND), der Militärische Abschirmdienst (MAD) und die Verfassungsschutzämter der Länder mithilfe von Staatstrojanern Nachrichten via WhatsApp & Co. überwachen.

Zulässig wird hier die sogenannte Quellen-TKÜ plus. So dürfen die Agenten nicht nur die laufende Kommunikation direkt am gehackten Endgerät abgreifen, bevor sie ver- oder nachdem sie entschlüsselt wurde. Dazu kommt die Lizenz zum Zugriff auch auf gespeicherte Chats und Mails. Anbieter von Telekommunikationsdiensten müssen die "berechtigten Stellen" dabei unterstützen, "technische Mittel" wie Staatstrojaner zur Quellen-TKÜ "einzubringen" und die Kommunikation an sie umzuleiten. Experten und Provider beklagten hier ein besonders großes Missbrauchspotenzial.

(jk)