Expansion des Universum: Diskrepanz bei Hubble-Konstante doch vor dem Ende?

In der Debatte um die auseinanderklaffenden Werte der Hubble-Konstante hat sich eine Expertin eingeschaltet. Sie meint, dass die Diskrepanz bald verschwindet.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 218 Kommentare lesen

Bei der Distanzmessung über Roten Riesensterne wird ausgenutzt, dass die beim Zünden des Heliumbrennens im infraroten Spektrum immer gleich hell sind.

(Bild: ESA/NASA)

Lesezeit: 4 Min.

Eine renommierte kanadische Astronomin ist auf Basis von neu kalibrierten Distanzmessungen zu Sternen zum Schluss gekommen, dass sich die Diskrepanz der Hubble-Konstante bald doch schließen dürfte. Der Konflikt, der die Astronomiegemeinde in den vergangenen Jahren beschäftigt hat, wäre dann gar keiner und eine neue Physik nicht mehr nötig. Das bilanziert Wendy Freedman von der Universität Chicago nun in einer Analyse, bei der sie sich vor allem auf eine Methode namens Tip of the Red Giant Branch (TRGB) beruft. Damit kommt sie auf einen Wert von 69,8 Kilometern pro Sekunde pro Megaparsec für die Hubble-Konstante. Der fällt damit genau zwischen die jüngsten vorherigen Werte, die mit den beiden anderen wichtigsten Methoden ermittelt wurden.

Die Hubble-Konstante (H0) ist eine fundamentale Größe der Kosmologie und gibt an, mit welcher Geschwindigkeit das Universum gegenwärtig expandiert. Der Wert weist aus, mit welcher Geschwindigkeit sich ein Objekt in einer Entfernung von einem Megaparsec (3,26 Millionen Lichtjahre) allein aufgrund der Expansion des Universums von uns entfernt (die Andromedagalaxie ist beispielsweise etwa 0,89 Megaparsec von uns entfernt). Erstmals berechnet wurde die Konstante von dem US-Astronomen Edwin Hubble, dessen Namen sie inzwischen trägt. Obwohl die Messungen in den vergangenen Jahren immer genauer wurden, lieferten sie keinen einheitlichen Wert. Zwei Messverfahren ergaben voneinander abweichende Werte, die deutlich außerhalb der jeweiligen Fehlerrate lagen.

Zusammenfassung der für die Hubble-Konstante gemessenen Werte seit dem Jahr 2000, mit den Fehlerbreiten (blau - Cepheiden, rot - Rote Riesen, schwarz - Hintergrundstrahlung)

(Bild: Wendy Freedman)

Während Distanzmessungen zu bestimmten Sternen, den sogenannten Cepheiden, beständig einen Wert von ungefähr 74 km/sec/Mpc liefern, ist das das Weltraumteleskop Planck beim Blick zurück zu den Anfängen des Universums auf ganze 9 Prozent weniger gekommen (etwa 67 km/sec/Mpc). Die Planck-Analysen der Hintergrundstrahlung gelten mit als die genauesten überhaupt und sind eine Art "Goldstandard". Die Diskrepanz zwischen den auf diesen beiden unterschiedlichen Wegen ermittelten Werten hatte sich zuletzt immer weiter vertieft, doch Freedman kommt zu einem anderen Schluss.

Wie die Astronomin nun erläutert, hat sie sich der TRGB-Methode zur Distanzmessung bedient, die auf bestimmten Eigenschaften von Roten Riesensternen beruht. Auf diesem unabhängigen Weg habe sie die Cepheiden-Werte überprüfen wollen. Sie und ihr Team seien so auf einen Wert von 69,8 km/sec/Mpc gekommen, also genau zwischen den beiden anderen. Für Freedman, die seit langem die Hubble-Konstante vermisst, deutet das darauf hin, dass sich die Lücke schließt. Die renommierte Expertin für die Distanzmessung anhand von Sternen erklärt, dass Cepheiden immer ein bisschen "gerauscht" hätten und komplizierter zu verstehen gewesen seien. Es gebe die Möglichkeit systematischer Fehler und mit besseren Daten dürfte der Konflikt gelöst werden können.

Der über die Roten Riesen ermittelte Wert (TRGB) passt genau zwischen die anderen.

(Bild: Wendy Freedman)

Freedman und ihr Team haben sich Beobachtungszeit mit dem Weltraumteleskop James Webb gesichert, das noch in diesem Jahr ins All geschossen werden soll. Damit wollen sie Messungen der Cepheiden und der Roten Riesen vornehmen, um deutlich bessere Daten zu sammeln. Ihr nun für eine Veröffentlichung im Astrophysical Journal akzeptierter Überblick über bestehende Daten stimmt sie jedenfalls optimistisch, dass die Diskrepanz bald der Vergangenheit angehören dürfte. Zwar sieht sie auch noch Raum für "neue Physik", aber selbst wenn nicht, wäre die Bestätigung des Standardmodells der Kosmologie "tiefgehend". Alternative Theorien, wie jene, dass wir uns in einer Art Blase befinden, in der die Dichte der Materie signifikant geringer ist, wären dann nicht mehr nötig.

(mho)