RED-Umsetzung: Open-Source-Szene droht Ausschluss aus der Funktechnik

Die EU-Kommission arbeitet an Vorschriften zur Umsetzung der Funkanlagenrichtlinie RED. Kritiker sehen Freifunk, OpenWrt und das Internet der Dinge bedroht.

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(Bild: c't)

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Mit der EU-Richtlinie für Funkanlagen von 2014, die mittlerweile seit über fünf Jahren gilt, schwebt ein Damoklesschwert über der Open-Source- und Maker-Szene. Das Gesetz enthält einen Passus, der es Nutzern deutlich schwerer macht, systemrelevante Software in Geräten mit Funkmodulen in Eigenregie oder mithilfe alternativer Programme zu installieren oder zu verbessern. Dies betrifft vor allem etwa gemeinnützige Initiativen wie Freifunk, Osmocom für freien Mobilfunk oder die Macher der Linux-Distribution OpenWrt für eingebettete Systeme.

Die EU-Kommission arbeitet daran, diese und zugehörige Klauseln mithilfe neuer Standards erstmals durchzusetzen. Sie erwägt, "einige ihrer delegierten Befugnisse auszuüben", die ihr durch die Funkanlagenrichtlinie RED übertragen worden seien, erklärte Binnenmarktkommissar Thierry Breton jüngst auf eine Anfrage des EU-Abgeordneten Mikuláš Peksa von der Piratenpartei. In diesem Zusammenhang erörtere man den "Erlass eines delegierten Rechtsakts" rund um Kernklauseln der sogenannten Radio Equipment Directive (RED).

Mit dem Schritt zielt die Brüsseler Regierungsinstitution laut Breton darauf ab, die "grundlegenden Anforderungen für bestimmte Kategorien von Funkanlagen verbindlich vorzuschreiben". Ausnahmen seien dabei allenfalls für spezifische Geräte geplant. Die Exekutivinstanz arbeite parallel bereits an einem Entwurf für einen Standardisierungsauftrag, "damit rechtzeitig harmonisierte Normen zur Unterstützung des künftigen delegierten Rechtsakts zur Verfügung gestellt werden können".

Im Zentrum der Entwürfe für die nachgeordnete Rechtsvorschrift sowie den Normungsauftrag stehen derzeit die Artikel 3(3)d, e und f. Funkanlagen müssen demnach in bestimmten Kategorien oder Klassen so konstruiert sein, dass sie "weder schädliche Auswirkungen auf das Netz oder seinen Betrieb" haben noch "eine missbräuchliche Nutzung von Netzressourcen" bewirken und so einen Dienst unannehmbar beeinträchtigen würden. Sie sollen zudem über Sicherheitsvorrichtungen verfügen, "die gewährleisten, dass personenbezogene Daten und die Privatsphäre des Nutzers und des Teilnehmers geschützt werden". Ferner müssen sie "Funktionen zum Schutz vor Betrug" implementieren können.

Eigentlicher Stein des Anstoßes ist Artikel 3(3)i. Demnach müssen zulässige Funkanlagen auch Funktionen unterstützen, "mit denen sichergestellt werden soll, dass nur solche Software geladen werden kann, für die die Konformität ihrer Kombination mit der Funkanlage nachgewiesen wurde".

Das hört sich nach einer unspektakulären technischen Anforderung an, doch die Klausel hat es in sich. Sie führt laut Kritikern dazu, dass letztlich nur noch spezielle, von Produzenten autorisierte Programme auf Geräten installiert werden dürfen, die Verbindungen über kabellose und mobile Netzwerke oder GPS aufbauen. Darunter fallen Router, Mobiltelefone, WLAN-Karten sowie nahezu alle Apparate mit Netzwerkfunktionen.

23 zivilgesellschaftliche Organisationen, zu denen die Free Software Foundation Europe (FSFE), der Chaos Computer Club (CCC), Digitalcourage, Freifunk und La Quadrature du Net gehören, warnten bereits 2016 vor der drohenden "Funkabschottung". Ihre Sorge: Mit 3(3)i könnten alle Funkanlagen derartig dicht gemacht werden, dass dafür keine externe Software-Entwicklung mehr möglich ist. Dies wäre verheerend für "Softwarefreiheit, Verbraucherrechte, einen fairen Wettbewerb, Innovation, Umwelt und ehrenamtliche Initiativen". Trotzdem setzte der Bundestag die Passage 2018 ins nationale Recht um.

"Die nationalen Behörden registrierten eine erhöhte Anzahl von Fällen der Nichtkonformität von Funkanlagen, die auf das Aufspielen neuer Software nach dem Inverkehrbringen der Funkanlagen zurückzuführen sind", verteidigt Breton den besonders umkämpften Artikel generell. Die Kommission habe eine Studie in Auftrag gegeben, um Belege zu sammeln, "die zur Unterstützung künftiger Maßnahmen erforderlich sind". Vorläufige Diskussionen hätten auch hier im Rahmen einer speziellen Expertengruppe bereits stattgefunden. Auch eine umfassende Kosten-Nutzen-Analyse werde derzeit durchgeführt. Weitere Schritte will die Regierungseinrichtung dem Franzosen zufolge treffen, wenn die Ergebnisse beider Untersuchungen vorliegen.