Politiker gegen weitere Verschärfung des Urheberrechts

Die von Medienverbänden geforderten härteren Maßnahmen im Kampf gegen Tauschbörsen-Nutzer und Raubkopierer gehen nach Ansicht von Parlamentariern zu weit.

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Die Vorschläge für ein schärferes straf- und zivilrechtliches Vorgehen gegen Tauschbörsianer und Cracker von Kopierschutzsystemen des Münchner Rechtsprofessors Ulrich Sieber stoßen bei Fraktionsexperten der SPD und der FDP auf wenig Gegenliebe. Hans-Joachim Otto, medienpolitischer Sprecher der Liberalen, bezeichnete den Strafrechtler am heutigen Donnerstag auf dem Medienforum Berlin als "Beckstein des Urheberrechts". Er spielte dabei auf den bayerischen Innenminister an, der unter dem Aufhänger der Terrorismusbekämpfung immer neue Befugnisse für Strafverfolger und Staatsschützer fordert. Es mache keinen Sinn, "Millionen von User zu kriminalisieren".

Sieber empfiehlt in seiner Analyse unter anderem, das Umgehen von Systemen zum Kopierschutz und zum digitalen Rechtemanagement (DRM) auch im privaten Bereich strafbar zu machen. Der umstrittene Entwurf für die Urheberrechtsnovelle beschränkt sich momentan auf gewerbliches Vorgehen. Rechteinhaber und ihre Verbände sollen zudem verstärkt unter Inanspruchnahme der Netzprovider zivilrechtlich gegen Tauschbörsen-Nutzer und ihren momentanen Anspruch auf Privatkopien vorgehen können. Ulrich Kelber, Telekommunikationsexperte der SPD, befürchtet allerdings, dass derlei Pläne im klaren Widerspruch zu der von Rot-Grün geplanten Datenschutzreform stünden. Man könne auch nicht auf "subjektive Tatbestandsbeschreibungen" und Absichtsdeutungen bei der Bestrafung von Entwicklern und Nutzern von Software-Werkzeugen abstellen, die Sicherheitsfunktionen genauso erfüllten wie sie Hacks ermöglichten.

"Es wäre ein starkes Stück", empörte sich Kelber, wenn die Umgehung eines Ländercodes bei einer im Ausland gekauften DVD oder eines Kopierschutzes bei einer nicht auf dem PC abspielbaren CD "einem Diebstahl gleichgesetzt wird". Was in dem Gutachten fehle, seien "Vorwärtsstrategien". Es gebe "so viele alternative Modelle" zu den heutigen Geschäfts- und Vertriebspraktiken, die nicht immer einfach auf die neue Welt des Internets übertragen werden müssten.

Einen weiteren unangenehmen Nebeneffekt befürchtet Otto für die Attraktivität des Internet allgemein. "Je mehr Sie die Schraube hindrehen zu einer konsequenten Bezahlkultur", malte er als Szenario vor den Unternehmerverbänden aus, "desto mehr wird die Akzeptanz von digitalen Gütern insgesamt eingeschränkt." Dass die Einführung von DRM-Systemen und individuellen Abrechnungsmethoden nur klappe, wenn sie die Nutzer auch annehmen, rief auch Jörg Reinbothe, Urheberrechtsexperte bei der EU-Kommission, den Firmenvertretern ins Gedächtnis zurück. Wenn bei jeder Privatkopie erst die Chipkarte zum Bezahlen zu zücken sei, könne der Vorstoß nach hinten los gehen.

Die Auftraggeber und die Verfasser des Gutachtens verteidigten dagegen ihre Position. "Das war der erste Schuss", sagte Alexander Felsenberg, Geschäftsführer des dmmv. Es müsse zur Bekämpfung der Piraterie ein Ineinandergreifen von technisch möglichen und rechtlichen Maßnahmen geben. Auch wenn im ersten Teil des Gutachtens deutlich beschrieben werde, dass DRM-Systeme immer zu knacken seien, setze man natürlich weiter auf sie. "Wir brauchen auch Unterstützung von Seiten der Hardware-Hersteller", forderte der Lobbyist. Die müssten stärker an kopiersicheren Chips und vergleichbaren Techniken bauen.

Sieber versuchte zudem klarzustellen, dass es ihm gerade nicht um ein flächendeckendes strafrechtliches Konzept gehe. Die betroffenen Rechteinhaber müssten bei Verdachtsmomenten aber mit Hilfe der Provider herausbekommen können, "wer denn da dahinter sitzt". Ein Vertreter von RTL New Media skizzierte seine Vorstellung, wie ein solches Vorgehen konkret aussehen könnte: "Wir brauchen eine Internet-Polizei", forderte er, "die Stichproben bei Heavy-Nutzern macht und sich die übertragenen Inhalte mal anschaut." Und dann könne man denen "richtig den Prozess machen".

Das trifft sich mit dem Ziel der Verbände, auf gut neudeutsch vor allem mehr "Awareness" für das verbotene Tun im Netz zu schaffen. "Die Öffentlichkeit so umzuerziehen, dass Herunterladen etwas Verwerfliches ist, ist eine langwierige Aufgabe", weiß Marcus Englert, Vizepräsident des VPRT. Die "Ex-Ante-Napster-Strategie" laute daher gleichzeitig, mehr legale Inhalte im Internet zu schaffen. (Stefan Krempl) / (anw)