Klimawandel: Wenn es zu heiß zum Überleben wird

Im Zuge der globalen Erwärmung entstehen auf der Erde immer mehr Zonen, in denen Menschen ohne technische Hilfsmittel nicht überleben können.

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(Bild: Jeremy Zero / Unsplash)

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Der Klimawandel führt dazu, dass extreme Hitze immer häufiger und heftiger auftritt - wie zum Beispiel die Hitzewellen der letzten zwei Wochen im Westen der USA und Kanadas. Einige Klimamodelle sagen jedoch noch drastischere Konsequenzen voraus: Im nächsten Jahrhundert könnten weite Teile des Globus für Menschen unwirtlich werden – und immer mehr für Menschen tödliche Zonen entstehen.

Für eine Studie, die 2017 in „Nature Climate Change“ veröffentlicht wurde, analysierten Camilo Mora, Klimaforscher an der Universität von Hawaii, und sein Team Hunderte von extremen Hitzeereignissen auf der ganzen Welt, um festzustellen, welche Kombinationen von Hitze und Feuchtigkeit am wahrscheinlichsten tödlich sind und wo diese Bedingungen in Zukunft wahrscheinlich auftreten werden. Sie fanden heraus, dass heute etwa 30 Prozent der Weltbevölkerung an mindestens 20 Tagen im Jahr einer tödlichen Kombination aus Hitze und Feuchtigkeit ausgesetzt sind. Dieser Prozentsatz werde aber bis zum Jahr 2100 auf fast die Hälfte ansteigen – selbst bei einer drastischen Verringerung der Treibhausgasemissionen.

Dabei ist weniger die reine Lufttemperatur entscheidend, als vielmehr die Kombination der Temperatur mit der Luftfeuchtigkeit. Als warmblütige Säugetiere versuchen wir Menschen eine konstante Körpertemperatur von ca. 37 °C zu halten. Wenn die Kerntemperatur stark steigt, reagiert der Körper mit Gegenmaßnahmen. „Wenn der menschliche Körper Hitze ausgesetzt ist, löst der Hypothalamus eine kardiovaskuläre Reaktion aus, die die Blutgefäße erweitert, um das Blut vom Kern in die Peripherie umzuleiten“, schreiben Mora und Kollegen in einem anderen Paper zum Thema. Wird dieses System der Wärmeabfuhr überlastet, führt die „kompensatorische Umleitung von Blut“ zur Haut „zu einer unzureichenden Durchblutung anderer Organe. Ischämie und nachfolgende Hypoxie (d.h. Sauerstoffmangel) führen zur Produktion von reaktiven Sauerstoff- und Stickstoffspezies“. Insgesamt listen die Forscher „27 Wege“ auf, über die zu viel Hitze Menschen töten kann. Darunter Nieren- und Herzproblemen und sogar Hirnschäden, sagt Liz Hanna, eine frühere Forscherin für öffentliche Gesundheit an der Australian National University, die sich mit extremer Hitze beschäftigt.

Die Luftfeuchtigkeit ist wichtig, weil der Körper vor allem ein leistungsfähiges Werkzeug zur Kühlung einsetzt: Schweiß, der verdunstet und so Wärme abtransportiert. Wenn es so feucht ist, dass sich bereits eine Menge Wasserdampf in der Luft befindet, kann der Schweiß nicht so schnell verdunsten – und das Schwitzen kühlt den Körper nicht so stark ab. Forscher beschreiben diesen Prozess über eine Größe, die sie „Kühlgrenztemperatur“ nennen. Die Kühlgrenztemperatur ist buchstäblich das, was ein Thermometer misst, wenn ein nasses Tuch darum gewickelt wird. Mit Hilfe dieser Größe kann man abschätzen, wie hoch die Hauttemperatur wäre, wenn man ständig schwitzen würde.

Eine Kühlgrenztemperatur von 35 °C ist so ziemlich die absolute Grenze der menschlichen Toleranz, sagt Zach Schlader, ein Physiologe an der Indiana University Bloomington. Oberhalb dieses Wertes ist der Körper nicht mehr in der Lage, Wärme effizient genug an die Umgebung abzugeben, um seine Kerntemperatur zu halten. Das bedeutet nicht, dass die Hitze sofort tötet, sie kann aber zu Gehirn- und Organschäden führen.

Die Bedingungen, die zu solch einer Kühlgrenztemperatur führen können, sind sehr unterschiedlich. Bei Windstille und sonnigem Himmel wird in einem Gebiet mit 50 Prozent Luftfeuchtigkeit eine unerträgliche Kühlgrenztemperatur bei etwa 43 Grad Celsius erreicht, während bei überwiegend trockener Luft die Temperaturen über 54 Grad Celsius liegen müsste, um diese Grenze zu erreichen.

Einige Klimamodelle sagen voraus, dass wir bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts Kühlgrenztemperaturen von über 35 °C erreichen werden. Andere Forscher sagen, dass wir bereits dort sind. In einer Studie, die 2020 veröffentlicht wurde, zeigten Forscher, dass an einigen Orten in Südasien, dem Nahen Osten und dem Südwesten der USA bereits solche Bedingungen aufgetreten sind – allerdings nur für jeweils ein bis zwei Stunden pro Tag.

Der Klimawandel wird jedoch bewirken, dass sich diese Zonen immer mehr ausweiten und immer mehr Menschen in Gebieten leben, die zu heiß sind. Bereits jetzt, schreiben Dawei Li von der Rutgers University und Kollegen in einer Untersuchung, sind 275 Millionen Menschen an mindestens einem Tag im Jahr einer Kühlgrenztemperatur von 33 Grad ausgesetzt. Bei einem Anstieg der globalen Mitteltemperatur um 1,5 Grad werden es rund 500 Millionen sein.

Zwar kann sich der menschliche Körper mit der Zeit an die Hitze gewöhnen, ähnlich wie er sich an den niedrigeren Sauerstoffgehalt in großer Höhe akklimatisieren kann. Menschen, die sich besser an die Hitze akklimatisiert haben, schwitzen mehr und ihr Schweiß ist verdünnter, was bedeutet, dass sie weniger Elektrolyte über den Schweiß verlieren. Dies kann den Körper vor Dehydrierung und Herz- und Nierenproblemen schützen, sagt Hanna.

Der Akklimatisierung sind aber Grenzen gesetzt, wie die Expertin betont. Denn: Wir werden nicht in der Lage sein, uns über die Bedingungen hinauszuentwickeln, die der Klimawandel in den kommenden Jahrzehnten wahrscheinlich mit sich bringen wird. Hanna meint auch, dass physiologische Grenzen zwar wichtig sind, wir aber auch andere Faktoren wie Verhalten und Infrastruktur berücksichtigen müssen.

Wenn man sich im Freien bewegt oder arbeitet, dürfe die Temperatur nicht annähernd so heiß werden, um tödlich zu sein. Denn aus der Gesamtenergie, die man für eine Aufgabe aufwendet, egal ob man rennt oder Geschirr spült, gehen 20 Prozent in die Bewegung der Muskeln – und die verbleibenden 80 Prozent werden in Wärme umgewandelt. Mehr Bewegung bedeutet also, dass unser Körper mehr Wärme loswerden muss.

Da Hanna in Australien lebt, weiß sie besonders gut, wie sich extreme Hitze auf Menschen und ihre Gemeinschaften auswirkt. "Die Welt erwärmt sich", sagt sie, "und diese Erwärmung wird über das hinausgehen, was die normale Physiologie verkraften kann."

(wst)