Warum wir ein Startverbot für Flugtaxis in Städten brauchen

Immer mehr Staaten planen innerstädtischen Verkehr mit Flugtaxis und Drohnen, etwa Japan. Doch diese Höhenflüge der Einzelmobilität haben dort nichts verloren.

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(Bild: Wingcopter)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Martin Kölling
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Der nächste Mobilitätshype kommt zur Unzeit. Gerade sind wir in den Industrieländern dabei, mit Elektroautos den Verkehrslärm zu reduzieren, da werden schon neue Formen der urbanen Geräuschverschmutzung geplant: Von Amerika über Europa bis Asien wetteifern Regierungen darum, Flugtaxi- und Drohnendienste in die Lüfte zu kriegen, um den neuen Markt des dreidimensionalen Individualverkehrs zu beherrschen. Doch dies ist ein Irrweg für den innerstädtischen Verkehr, allen Verheißungen zum Trotz.

Natürlich ist diese Demokratisierung des urbanen Flugverkehrs faszinierend und verlockend. Bisher war es ein Privileg reicher Reisenden, vom Hubschrauber aus das städtische Chaos auf Lego-Größe schrumpfen zu sehen und Staus sowie rote Ampeln einfach zu überfliegen. Flugtaxidienste sollen diese Erfahrung nun für mehr Menschen erschließen. Nur wiegen eine Reihe von Nachteilen die vermeintlichen Vorteile mehr als auf, wie die Megacitys Asiens beweisen.

Die mögliche Lärmbelastung von Drohnenflotten sticht als erstes Risiko heraus. Vermutlich werden die neuen Multicopter leiser sein als ein handelsüblicher Hubschrauber. Aber mit Masse dürften sie diesen eventuellen Vorteil schnell wettmachen. Auch eine Bündelung der Mini-Flieger auf spezielle himmlische Highways dürfte das Problem nicht aus der Luft schaffen, da am Himmel anders als bei Autostraßen auf der Erde keine Lärmschutzwände errichtet werden können.

Ein Kommentar von Martin Kölling

Martin Kölling lebt in Tokio und schreibt für MIT Technology Review regelmäßig über Entwicklungen in Japan. In Asien kann er sein Faible für Technik austoben.

Als ein weiteres Problem könnte sich erweisen, dass die Flugtaxi- und Drohnenbauer bei allem technischen Fortschritt natürlich die Erdanziehungskraft nicht wegentwickelt bekommen. Mit mehreren Rotoren gibt es vielleicht Redundanzen gegen Motorenausfälle. Sensoren werden helfen, Zusammenstöße mit anderen Drohnen, Hochhäusern oder Strommasten und -leitungen zu vermeiden. Aber mit der Frequenz des Flugverkehrs wächst auch das Risiko, dass etwas schief geht – und Flugtaxis oder Drohnen auf bewohntem Gebiet abstürzen.

Auch Auslieferungsdrohnen, die 2022 in Japan kommerziell ihren Dienst aufnehmen sollen, sind keine echte Lösung für Online-Händler. Die Frage des Paketabwurfs in Städten ist bisher weiter nicht wirklich gelöst. Und selbst wenn es der Fall wäre, erhöhen Drohnen aus Kundensicht auch nicht unbedingt die Effizienz.

Post aus Japan

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus - und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends aus Japan und den Nachbarstaaten.

Bisher werden Päckchen oft bis an die Haustür gebracht oder im Falle der Abwesenheit im Paketschließfach abgeliefert, die in japanischen Wohnanlagen schon Standard sind und auch in deutsche Großstädte kommen. Beides können bislang Drohnen nicht. Ihr Einsatz dürfte sich damit wohl eher auf Vororte, Unternehmenskunden und vor allem die dünner bevölkerten Landstriche beschränken. Die City bleibt drohnenfrei.

Der deutsche Drohnenhersteller Wingcopter hat bereits in Südjapan gezeigt, wie seine Senkrechtstarterdrohne die Auslieferung kleiner Paketmengen auf entlegeneren Inseln gewährleisten kann – und damit Versorgungssicherheit auf dem Land gewährt. Nun darf das deutsche Startup der japanischen Fluglinie ANA helfen, einen kommerziellen Drohnendienst für die Provinzen aufzubauen.

Mein Fazit: In den Städten sollten die Regierungen lieber bodenständig investieren, statt den Ausweg aus urbanen Verkehrshöllen im Himmel zu suchen. In besseren Personennahverkehr etwa, in Radwege und ganz neue Verkehrskonzepte, die sich mit autonomen Autos anbieten könnten. Die Verbreitung neuer Arbeits- und Lebenskonzepte, die den Berufs- und Individualverkehr senken anstatt ihn zu maximieren, versprechen ebenfalls mehr Breitenwirkung bei weniger Lärmbelastung und Unfallgefahr als die vertikale Ausdehnung des Individualverkehrs. Es wird spannend werden, wie die verschiedenen Länder die neue Industrie regulieren.

Vom Fahren zum Gefahrenwerden. Autonome Fahrzeuge, Personentransport und die Zukunft des Verkehrs

(Bild: jamesteohart/Shutterstock.com)

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(bsc)