Unternehmensnachfolge: Wenig gesunde und viele faulige Äpfel

Etwa 30.000 mittelständische Unternehmer suchen einen Nachfolger. Den zu finden ist nicht leicht, weil viele Firmen unrentabel sind.

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(Bild: Mark_KA/Shutterstock.com)

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Von
  • Peter Ilg
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Ein hohes Einkommen allein reicht Frederick Heintz (40) nicht, um beruflich zufrieden zu sein. "Ich will entscheiden und auch die Verantwortung dafür tragen", sagt der Elektroingenieur. Er ist in leitender Position in der Softwareentwicklung angestellt, wäre künftig aber aus besagten Gründen lieber Unternehmer. Wie er richtig heißt und wo er arbeitet, das will Heintz nicht öffentlich sagen, denn er sucht ein Unternehmen, um es als Nachfolger zu übernehmen.

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"Gegenüber einer eigenen Gründung hat die Nachfolge den Vorteil, dass die Firma bereits besteht, es Produkte und Kunden gibt", sagt Heintz. Er sucht eine Firma bis zu einem Kaufpreis von einer halben Million Euro, die Software oder Plattformen entwickelt oder ein Unternehmen im E-Commerce. Seit einem guten halben Jahr ist er auf der Suche und hat festgestellt, dass das Angebot zwar groß ist, aber viele zweifelhafte Firmen darunter sind.

Aktuell suchen laut Institut für Mittelstandsforschung rund 30.000 mittelständische Unternehmen einen Nachfolger. Zu den Industrie- und Handelskammern, IHKs, kamen 2009 rund 4.900 Unternehmerinnen und Unternehmer zur Nachfolgeberatung und es wurden etwa 8.400 Interessenten vorstellig, die eine Firma suchten. "Zehn Jahre später, 2019, hat sich die Situation gedreht, denn es suchen fast 50 Prozent mehr Unternehmer einen Nachfolger und nur halb so viele eine Firma", sagt Dr. Marc Evers, Leiter des Referats Mittelstand, Existenzgründung und Unternehmensnachfolge beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag, DIHK, der Dachorganisation der IHKs. Es gibt nun viel mehr Anbieter einer Firma als Interessentinnen für eine Übernahme.

"Die Demografie ist dafür ein wichtiger Grund: Unternehmer werden immer älter und es kommen weniger Menschen im gründungsintensiven Alter zwischen 25 und 45 Jahren nach", sagt Evers. Während Corona achten die meisten Betriebsinhaberinnen und Betriebsinhaber zurzeit auf die Sicherung ihrer Existenz, als dass sie einen Nachfolger suchen. Die Konsequenz ist ein Stau und eine noch stärkere Zunahme an Firmenangeboten in den nächsten Jahren.

Die meisten Betriebe, die eine Nachfolgerin suchen, sind Handelsunternehmen gefolgt von Industriebetrieben und dem Hotel- und Gastronomiewesen. Bei Käufern sind Industriebetriebe am begehrtesten. "Das hat mit der deutschen Besonderheit des Mittelstands zu tun, in dem es nicht wenige gibt, die als Nischenanbieter weltweit erfolgreich sind", sagt Evers. Diese erzielen oft hohe Gewinne und sind damit lukrativ für Nachfolger. Weil IT zunehmend wichtiger wird, nimmt der DIHK künftig IT-Firmen in seinen jährlichen Report "Unternehmensnachfolge" auf.

Die IHK Region Stuttgart hat bereits einige Zahlen zu IT-Unternehmen. "Unter den 210 Unternehmen, die in den vergangenen beiden Jahren unsere Beratungsleistungen zur Unternehmensnachfolge in Anspruch genommen haben, waren 14 aus der IT, 8 davon potenzielle Übergeber und 6 mögliche Übernehmer", sagt Alexander Ummenhofer, Berater Unternehmensnachfolge und Nachfolgemoderator.

Die IHK Stuttgart bietet wie die meisten anderen deutschen IHKs Informationen zur Nachfolge auf der Homepage, Veranstaltungen zur Übergabe und eine Nachfolgemoderation an. "In dieser Funktion bin ich begleitend tätig und betreue in der Rolle eines Lotsen den Prozess oft über einen längeren Zeitraum hinweg." sagt Ummenhofer.

Den Kontakt zwischen Anbietern und Übernehmern stellen die IHKs über die größte Unternehmensnachfolge-Börse Deutschlands, nexxt-change, her. Bundesweit sind dort 4.300 Verkaufsangebote und 1.600 Kaufgesuche gelistet. Betrieben wird die Datenbank von der KfW-Bank und deren Partnern, wie den IHKs, Handwerkskammern, Sparkassen und Volksbanken.

Frederick Heintz hat bislang überwiegend bei nexxt-change nach Unternehmen zur Übernahme gesucht, weil ihm diese Datenbank am ehrlichsten und seriösesten erschien, als eine fast behördliche Einrichtung. "Dort werden viele unattraktive Firmen angeboten, mit verschwindend geringer Rendite. Und mitunter habe ich den Eindruck, dass es windige Unternehmer sind, die ihre Firmen auf der Plattform anpreisen." Er vermutet, dass die attraktiven Angebote auf wirklich professioneller Ebene laufen. Bei Maklern oder Unternehmen, die sich auf die Nachfolge spezialisiert haben.

Der Wirtschaftsingenieur Götz Hudelmaier ist Inhaber einer solchen Firma. "Meist kommen die Unternehmer zu mir, wenn sie es selbst zwei oder mehr Jahre vergeblich versucht haben, einen Nachfolger zu finden." Als erstes strukturiert Hudelmaier dann den Nachfolgeprozess. Er prüft die Bilanz und damit die Firma auf Verkaufsfähigkeit. Wenn die Zahlen passen, übernimmt er den Auftrag, wenn nicht, sortiert er ihn gnadenlos aus. Das sind zwei von drei Unternehmern, die bei ihm anfragen, ob er seine Firma verkauft. Viele Firmen sind nach Meinung von Hudelmaier unverkäuflich, weil unrentabel.

In den nächsten Schritten bereinigt er die Bilanzen und sucht dabei nach versteckten Positionen, in denen Geld versickert, wie private Zahlungen an die Frau des Firmeninhabers. Dann rechnet er Haftungsrisiken heraus, etwa Pensionen für den Inhaber. Schließlich macht er sich mit diesen realen Unternehmenswerten auf die Suche nach einem Käufer. "Für eine gut geführte Firma mit einem realistischen Gewinn und einer lohnenswerten Rendite ist immer eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger zu finden", sagt Götz. Entscheidend ist die Ertragsstärke der Firma.

Unternehmensnachfolgen münden immer in einen Verkauf, bei dem der alte Eigentümer keinen Einfluss mehr hat auf die Zukunft seiner ehemaligen Firma. "Dass das Unternehmen weiterlebt, ist eine Wunschvorstellung vor allem von den Inhabern, die ihre Firma reich gemacht hat", sagt Hudelmaier. Wer das nicht geschafft hat, träumt von einem hohen Kaufpreis. Am Geld scheitern die meisten Nachfolgen: Entweder der Verkäufer verlangt zu viel oder der Käufer hat zu wenig.

Frederick Heintz hat sich finanziell mit 500.000 Euro ein Limit gesetzt und diese Summe kann er auch aufbringen. Mit einem Unternehmer, der einen Nachfolger sucht, ist er in Kontakt. Es ist eine kleine IT-Firma und der Inhaber würde anfangs mitarbeiten. Deshalb könnte er die Firma in Teilzeit führen und müsste seinen Job nicht kündigen. "Das wäre für mich ein recht einfacher Einstieg mit einem netten Zubrot", sagt Heintz. Wenn er eine größere ebenfalls lukrative Firma findet, dann kündigt er und wird hauptberuflich Unternehmer. Noch sucht er unter vielen fauligen einen gesunden Apfel.

(axk)