Wie EncroChat gehackt und kriminelle Strukturen aufgedeckt wurden

Die Nachwirkungen des staatlichen EncroChat-Hacks beschäftigen Gerichte. Beim Knacken benutzten Ermittler technisch clevere und juristisch fragwürdige Methoden.

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(Bild: Thorsten Hübner)

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Vor einem Jahr zapften französische und niederländische Ermittler die IT-Infrastruktur des Unternehmens EncroChat an. Die eigentliche Aktion dauerte genau 40 Minuten: So lange brauchten Spezialisten am 30. März 2020, um einen Server beim großen Hosting-Provider OVH kurz abzuschalten und vor Ort im französischen Roubaix eine neue Software zu installieren. Durch einen höchstrichterlichen Beschluss war OVH zur geheimen Kooperation mit der französischen Generalstaatsanwaltschaft gezwungen und erklärte den kurzzeitigen Ausfall mit einer "Fehlfunktion in einer der Verbindungskarten eines Backbone-Routers". EncroChat schöpfte offenbar keinen Verdacht.

Vom 1. April bis zum 26. Juni 2020 konnten die Ermittler dann die Nachrichten mitlesen, die die angeblich rund 60.000 Benutzer des EncroChat-Messengers verschickten. Das gesammelte Material wurde anschließend von Kriminalisten in ganz Europa ausgewertet und bildete die Grundlage für Tausende von Ermittlungen, Verhaftungen und Strafverfahren.

Auch die deutsche Polizei bekam Zugriff auf die Daten. Nach Darstellung des Bundeskriminalamts (BKA) wurden mehr als 2250 Ermittlungsverfahren eingeleitet und mehr als 750 Haftbefehle vollstreckt. In 360 bereits laufenden Ermittlungsverfahren konnten die Chat-Inhalte zur Unterstützung genutzt werden. Zudem führten sie zur Sicherstellung erheblicher Mengen Drogen und Bargeld. Steve Alter, Pressesprecher des Bundesinnenministeriums, bewertete auf Twitter die Arbeit des BKA als absolute "Weltklasse". Doch ein Jahr nach der Aktion hat die Debatte darüber begonnen, ob die Chat-Daten als Beweismittel in Strafverfahren zulässig sind.