Urheberrechtsreform: Gesetz für Upload-Filter und Sperrknopf tritt in Kraft

Die Regeln der umkämpften Urheberrechtsnovelle greifen jetzt. Die Haftung der Plattformen wird damit ausgeweitet. In der EU droht ein Flickenteppich an Regeln.

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(Bild: DesignRage/Shutterstock.com)

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Von diesem Sonntag an gilt das neue "Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz" (UrhDaG). Es bildet den Kern der lange umstrittenen Urheberrechtsreform. Damit kommen Upload-Plattformen wie YouTube, Facebook, Twitter und TikTok stärker in die Haftung für hochgeladene Inhalte. Sie müssen dafür nun von den Rechteinhabern Lizenzen erwerben sowie die gefürchteten Upload-Filter einführen.

Ziel des Gesetzgebers war es, mit dem UrhDaG Artikel 17 der EU-Urheberrechtsrichtlinie umzusetzen. Mit diesem führt laut Kritikern kaum ein Weg am Filtern vorbei. Um die Kunstfreiheit und die soziale Kommunikation vor unberechtigten Blockaden zu schützen, wird aber die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke insbesondere zu den Zwecken von Zitat, Karikatur, Parodie und Pastiche in engen Grenzen erlaubt.

Die Ausnahme vom exklusiven Verwertungsrecht für entsprechende Schnipsel aus Video-, Audio- und Textmaterial für nichtkommerzielle Zwecke umfasst 15 Sekunden je eines Filmwerks oder Laufbilds und einer Tonspur, 160 Zeichen eines Texts sowie 125 Kilobyte je eines Fotos oder einer Grafik. Diese sogenannte Bagatellklausel bezieht sich auf nutzergenerierte Inhalte, die weniger als die Hälfte eines Werkes von Dritten enthalten und grundsätzlich zulässige Auszüge zu den genannten Zwecken mit anderem Content kombinieren.

Die im Netz beliebten Meme sowie Remixe, Fan Art und gesampelte Mini-Stücke sollen unter diesen Bedingungen weiterhin veröffentlicht und verbreitet werden können. Es handelt sich auch in solchen Fällen aber jeweils nur um "mutmaßlich erlaubte Nutzungen".

Rechteinhaber können diese anfechten und etwa bei Premiuminhalten eine Sperre per "rotem Knopf" durchsetzen. Betroffenen Usern steht ein Beschwerdeverfahren offen, solange es sich nicht um noch unveröffentlichte Filmwerke und Live-Streams von Sportveranstaltungen handelt. Verbände und zivilgesellschaftliche Organisationen gehen davon aus, dass das komplizierte Konstrukt zunächst jahrelang die Gerichte beschäftigen wird.

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Welche Folgen Upload-Filter haben, sollen Forscher ausloten können. Diensteanbieter müssen ihnen "zum Zweck der wissenschaftlichen Forschung Zugang zu Daten über den Einsatz von Verfahren zur automatisierten und nicht automatisierten Erkennung und Blockierung von Inhalten" geben, soweit überwiegende schutzwürdige Interessen des Betreibers dem nicht entgegenstehen. Dieser hat "Anspruch auf Erstattung der hierdurch entstehenden Kosten in angemessener Höhe".

Ob die der Reform zugrundeliegende EU-Richtlinie mit der Grundrechtecharta vereinbar ist, prüft der Europäische Gerichtshof noch auf Klage Polens. Generalanwalt Henrik Saugmandsgaard Øe empfahl den Luxemburger Richtern vor Kurzem, die Eingabe abzuweisen. Er schlägt aber vor, dass Artikel 17 im Lichte der Grundrechte so interpretiert werden muss, dass nur eindeutig illegale Inhalte automatisch gesperrt werden dürfen. Diensteanbieter können ihm zufolge nicht verpflichtet werden, "eine Wiederverwendung von Auszügen aus Werken in anderen Zusammenhängen" präventiv zu filtern.

Weitere Bestandteile der hiesigen Novelle wie das verschärft wieder eingeführte Leistungsschutzrecht für Presseverleger im Internet gelten bereits seit 7. Juni. Einzelne Wörter oder sehr kurzer Auszüge aus einem geschützten Beitrag dürfen hier frei verwendet werden, das Setzen von Links bleibt genauso erlaubt wie private Nutzungen.

Die EU-Kommission leitete derweil am Montag Vertragsverletzungsverfahren gegen 23 Mitgliedsstaaten ein, die ihr zufolge die Urheberrechtsrichtlinie noch nicht oder unzureichend in nationales Recht überführt haben. Dazu gehören etwa Belgien, Frankreich, Italien, Österreich, Polen und Tschechien. Deutschland hat keinen entsprechenden blauen Brief erhalten.

Der eco-Verband der Internetwirtschaft moniert, dass die Kommission mit der Urheberrechtsreform "einen europäischen Flickenteppich einzelner nationaler Gesetzestexte schafft" und den Binnenmarkt dadurch entschieden gefährde. Statt weiter Druck auf einzelne EU-Länder auszuüben, sollte die Brüsseler Regierungsinstitution für eine "koordinierte sowie harmonisierte Umsetzung der Urheberrechtsrichtlinie in Europa" sorgen.

"Die aktuelle Situation und der Schwebezustand bis zur Entscheidung des EuGH sind für alle Beteiligten unbefriedigend", erläutert eco-Geschäftsführer Alexander Rabe. Die Kommission lasse die betroffenen Unternehmen allein "mit einer erheblichen Rechts- und Planungsunsicherheit".

(tiw)