Kommentar: Warum wir beim Corona-Reisen endlich kooperieren müssen

USA dicht für Europäer, aber offen für viele Hochinzidenzgebiete, extrem unterschiedliche Corona-Regeln anderswo: Es wird Zeit für mehr Gemeinsamkeit.

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Person mit Reisepass und digitalem Impfnachweis in einer Smartphone-App wartet auf dem Flughafen.

Alles da? Es ist zu hoffen.

(Bild: Shutterstock.com/ronstik)

Lesezeit: 4 Min.
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Natürlich könnte man sich fragen, ob das überhaupt sein muss, das mit dem Reisen. Schließlich ist ja Pandemie – und da sollte man doch am besten brav zuhause bleiben. Und vielleicht höchstens am Wochenende mal in den Garten im Umland fahren, am besten mit dem eigenen, sterilen Auto.

Ich habe Freunde, die sehen das genauso. Ein armer Bekannter aus Norwegen hat sein Land seit Frühjahr 2020 nicht verlassen, was sicherlich auch damit zu tun hat, dass man es dort immer noch nicht geschafft hat, jüngere Personen – er ist um die 30 – durchzuimpfen. "Nächstes Jahr wird alles besser", hat er mir gesagt – 2020 und 2021. Déjà-vu all over again.

Doch es gibt Menschen, die einfach unterwegs sein müssen nach anderthalb Jahren Pandemie. Das kann berufliche Gründe haben – wie geht's eigentlich dem Kunden in Frankreich? – oder persönliche. Viele Menschen haben ihre Verwandtschaft im Ausland seit vielen Monaten nicht mehr gesehen. Und dann wären dann auch noch die Urlauber, die, wie einige sarkastisch behaupten, eifrig mithelfen, uns zum Virusvariantengebiet zu machen. Da kann man unterschiedlicher Meinung sein, ob das denn wirklich sein muss. Doch ich verstehe es schon sehr, dass man endlich mal wieder in den Süden möchte – und sei es nur ein Trip nach Österreich.

Das Problem bei alledem ist allerdings: Wir haben es in besagten anderthalb Jahren Pandemie immer noch nicht geschafft, uns auf internationale Regeln zu einigen, die man versteht – oder zumindest vernünftig einhalten könnte. Gut, die Grenzen sind glücklicherweise wieder auf. Doch eine geplante Reise wird weiterhin zur großen Recherchearbeit. Welchen Nachweis braucht es? Ist eine Voranmeldung notwendig? Da wären zunächst die Inlandsregeln, die sich gefühlt alle paar Wochen ändern. Zuletzt holte die Bundesregierung die großte Testpflicht bei der Einreise raus. Immerhin gibt es hierzulande keine zwangsweise Hotelquarantäne, wie man sie aus Norwegen (vor wenigen Monaten noch strikt) oder auch Australien (besonders strikt auch heute noch) kennt.

Geimpfte Menschen können seit einiger Zeit einen europaweit standardisierten Impfnachweis auf dem Smartphone nutzen – wenn denn die Apotheken ihre IT in den Griff kriegen. Das hat schon sehr geholfen, wie ich selbst bei Grenzübertritten feststellen konnte. Dennoch werde ich das Gefühl nicht los, dass das bald wieder nicht reicht. Schon im Sommer 2020 – als man wieder reisen durfte – dachte ich naiv, dass die Sache jetzt bald erledigt sei. Ich wurde eines besseren belehrt.

Ein Kommentar von Ben Schwan

Ben Schwan lebt als Journalist und Autor in Berlin, schreibt seit 25 Jahren über Technologie-, Forschungs- und Wissenschaftsthemen und lässt sich seine Begeisterung für Neues weder durch sich ständig wiederholende Hype-Zyklen, amoklaufende Sicherheitspolitiker noch technische Unzulänglichkeiten nehmen.

Ganz drastisch bleibt es in den Vereinigten Staaten von Amerika. Dort hat man eine komplett unverständliche Regelung getroffen und krallt sich einfach daran fest. Wollte Präsident Donald J. Trump vor seinem Abgang das Land wieder für EU-Bürger öffnen, machte es sein Nachfolger Joe Biden gleich wieder zu. Besonders gemein ist, dass es neben uns nur noch Großbritannien und Nordirland, den Iran, China, Indien, Südafrika und Brasilien getroffen hat. Kanada und Mexiko sind ebenfalls abgeschottet. Das Verrückte: Eine Impfung aus Deutschland ist zwar zu wenig, doch es reicht ansonsten, in einem anderen Land, das nicht auf obiger Liste steht, 14 Tage zu verbringen. Über diesen Umweg ist das Land der unbegrenzten Möglichkeiten plötzlich wieder zugänglich. Also: In die Türkei fliegen, dort zwei Wochen schick in Istanbul abhängen – und mit dem Direktflug nach New York.

All das zeigt, dass wir international wieder miteinander reden müssen. So unterschiedlich die Regeln in vielen Ländern (allein die Masken – FFP2 hier, Stoff-MNS dort) sind, so sehr wollen wir diese Pandemie doch gemeinsam bekämpfen. Gleichzeitig hätten wir alle gerne wieder, dass wir mobil sein dürfen. Das hilft dem Tourismus und insbesondere der Wirtschaft. Wenn die EU es schafft, einen Smartphone-Impfnachweis herzuzaubern, sollte das doch international gehen.

(bsc)