Impfangebote, denen man kaum widerstehen kann: New York testet sie aus

Die Herdenimmunität scheint in weite Ferne gerückt. In den USA testet man verschiedene Methoden zur Impfmotivation. Eine davon ist besonders aussichtsreich.

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(Bild: peterschreiber.media/Shutterstock.com)

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Von
  • Mia Sato
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Kostenlose Donuts. Eintrittskarten für ein Spiel der "Los Angeles Lakers". Videobesuche mit Angehörigen für Menschen im Gefängnis, die sonst in den USA enorm teuer sind. Oder die Chance, eine Million US-Dollar im Lotto zu gewinnen.

All das sind Dinge, die man in Amerika derzeit versucht. Staaten, Städte und Privatunternehmen bieten alles Mögliche an, um die Amerikaner davon zu überzeugen, sich gegen COVID-19 impfen zu lassen. Die Idee ist, Personen, die einer Impfung gegenüber eigentlich aufgeschlossen sind, einen zusätzlichen Anstoß zu geben. Das Problem: Bisher gibt es kaum Anzeichen dafür, dass diese Programme die erhoffte Wirkung zeigen.

Da die Infektionen mit der Delta-Variante landesweit – wie auch in Europa – zunehmen, kommt nun ein neuer Anreiz hinzu: bezahlter Urlaub. Das mag nach einer kleinen Vergünstigung für Menschen im Homeoffice klingen, die einfach mal nicht acht Stunden am Stück in Zoom-Konferenzen festsitzen wollen, um sich schnell impfen zu lassen. Doch für Millionen von US-Schichtarbeitern könnte es die einzige Möglichkeit sein, sich die Spritze überhaupt geben zu lassen.

Während ein Großteil des normalen Lebens während der Pandemie zum Stillstand kam, mussten viele Amerikaner weiterhin mit Kundenkontakt arbeiten, oft ohne Gefahrenzulage. Eine von der Kaiser Family Foundation (KFF) im Juni durchgeführte Umfrage ergab, dass 65 Prozent der Arbeitnehmer von ihrem Arbeitgeber dazu ermutigt wurden, sich gegen COVID-19 impfen zu lassen, doch nur 50 Prozent erhielten tatsächlich eine bezahlte Freistellung, um sich impfen zu lassen oder sich von Nebenwirkungen zu erholen. Personen in der Gruppe derjenigen, die bezahlten Urlaub bekamen, ließen sich mit größerer Wahrscheinlichkeit impfen – selbst wenn man Alter, Rasse, Einkommen und politische Orientierung berücksichtigt.

Damit bleibt die Hälfte der Arbeitnehmer ohne finanzielle Unterstützung oder Entschädigung. Würden mehr Arbeitgeber die Arbeitnehmer durch bezahlte Freistellung für die Termine begeistern, könnten der Studie zufolge die Impfraten steigen. Dies gilt umso mehr für schwarze und hispanoamerikanische Arbeitnehmer, die ohnehin schon häufiger an COVID-19 erkranken und eher in Niedriglohnberufen wie im Einzelhandel oder im Dienstleistungssektor arbeiten. In der KFF-Umfrage gaben fast 20 Prozent aller Arbeitnehmer an, dass sie noch nicht geimpft sind, weil sie Angst haben, bei der Arbeit zu fehlen oder weil sie zu beschäftigt sind. Dieser Anteil steigt bei schwarzen Arbeitnehmern auf 26 Prozent und bei hispanoamerikanischen Arbeitnehmern auf 40 Prozent.

Einige Unternehmen haben bereits Prämien oder andere Anreize angeboten. Der Supermarktriese Target bietet kostenlose Fahrten zu den Impfstellen an, der Discounter Dollar General zahlt seinen Angestellten vier Stunden Lohnfortzahlung, damit sie zu ihrem Termin gehen können, und der Online-Lieferdienst Instacart gibt Arbeitnehmern, die sich impfen lassen, einen Zuschuss von 25 Dollar. Instacart lehnte es ab, mitzuteilen, wie das Unternehmen die Höhe dieses Betrages festgelegt hat, sagte aber, dass fast 100.000 Beschäftigte den Zuschuss beantragt und erhalten hätten.

Die US-Bundesregierung hat versucht, Arbeitgeber zu ermutigen, bezahlte Freistellungen für Impfungen anzubieten. Im Rahmen des "American Rescue Plan" der Biden-Administration können Unternehmen, die für eine Impfung oder die Genesung von Nebenwirkungen Urlaubstage anbieten, Lohnsteuergutschriften beantragen. Dies ist jedoch freiwillig – und es ist noch nicht bekannt, wie viele Unternehmen ihren Mitarbeitern auf diese Weise Urlaubstage anbieten.

In der Zwischenzeit hat der US-Bundesstaat New York das ultimative Impfangebot gemacht: Er hat bezahlten Urlaub für das Vakzin einfach in ein Gesetz geschrieben. Es sieht eine bezahlte Freistellung für COVID-19-Impfungen vor. Und es zeigt sich, dass der Anreiz funktioniert, die Impfquote erhöht sich. Das Problem ist allerdings, dass es an Informationen dazu fehlt – und Arbeitgeber bislang nicht dazu gezwungen werden, ihre Mitarbeiter darüber zu unterrichten. Ifeoma Ajunwa, Juraprofessorin an der University of North Carolina in Chapel Hill, sagt, dass Arbeitgeber "wie ihre eigenen privaten Regierungen" agierten und freie Hand darin hätten, wie sie ihr Unternehmen führen. "COVID-19 hat gezeigt, dass die Regierung nur begrenzte Macht über die Arbeitgeber ausüben kann", so Ajunwa. Das bedeutet auch, dass es weitgehend an den Arbeitnehmern liegt, sich über ihre Rechte zu informieren und sie zu verstehen.

"Wenn Sie zu den 94 Prozent der Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft gehören, die nicht gewerkschaftlich organisiert sind, wissen Sie vielleicht nicht, dass es diese Leistung gibt", sagt Justin Feldman, ein Epidemiologe an Harvard University, der über COVID-19 am Arbeitsplatz geforscht hat. "Und selbst wenn man weiß, dass es sie gibt, heißt das nicht, dass man sie ohne Ärger mit dem Arbeitgeber in Anspruch nehmen kann."

In einer Erklärung teilte das New Yorker Arbeitsministerium mit, dass es "verschiedene Beschwerden" über Verstöße gegen das COVID-19-Impfurlaubsgesetz erhalten hat und dass es "versucht, unbezahlte Löhne einzutreiben oder diejenigen zu entschädigen, die nicht wie vorgeschrieben für die Freistellung bezahlt wurden". Aber selbst Gesetze, die auf dem Papier den Anschein erwecken, die Arbeitnehmer zu unterstützen, könnten diejenigen vernachlässigen, die in den prekärsten Beschäftigungsverhältnissen arbeiten. Das New Yorker Arbeitsministerium hat etwa erklärt, dass jeder Arbeitnehmer, dem Impfurlaub verweigert wird, eine Beschwerde einreichen sollte. Doch unbekannt ist, ob darunter auch die Gigworker bei Uber & Co. fallen.

Experten für das öffentliche Gesundheitswesen betonen, dass es nicht nur eine narrensichere Taktik gibt, um Menschen zu impfen. Die Regierung könnte eine Reihe von bezahlten Urlaubstagen für Arbeitnehmer in verschiedenen Sektoren einrichten, damit sie sich impfen lassen können, aber man müsste dies mit anderen Strategien im Bereich der öffentlichen Gesundheit kombinieren, z. B. von Tür zu Tür gehen, sagt Feldman.

(bsc)