Missing Link: Digitalisierung ermöglicht Energiewende

Die Zukunft der Energiewirtschaft ist dezentral. Damit sie dennoch überwacht und gesteuert werden kann, werden digitale Projekte vorangetrieben

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(Bild: dena)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti
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Die Energiewirtschaft muss umgebaut werden, weg von wenigen großen Energieversorgern hin zu vielen kleinen. Das steht fest, denn Deutschland will bis 2045 Klimaneutralität erreichen, und das geht mit den bisherigen Strukturen nicht. Deshalb betreibt das Energy Future Lab der Deutschen Energieagentur dena mehrer Pilotprojekte, in denen dezentrale Entscheidungen und Steuerungen im Energiesektor digital unterstützt werden sollen. Dazu gehören Blockchain-Projekte und CO2-Datenplattformen für Kommunen. Sie sollen Energieerzeugern und -verbrauchern bessere Steuerungsmöglichkeiten an die Hand geben.

"Alles Tun unterliegt in erster Linie dem Ziel, die maximale globale Temperatur Erwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen", sagte Philipp Richard, Leiter des Future Energy Labs auf dem Future Energy Day der dena diese Woche in Berlin. "Das hat weltweit Folgen für alle Energiesysteme. Wir müssen umdenken und das nicht zu knapp. Dabei drehen sich sehr zentral ausgerichtete Systeme mehr und mehr in dezentrale Strukturen mit Millionen von Erzeugern aus dem Bereich der erneuerbaren Energien.

"Missing Link"

Was fehlt: In der rapiden Technikwelt häufig die Zeit, die vielen News und Hintergründe neu zu sortieren. Am Wochenende wollen wir sie uns nehmen, die Seitenwege abseits des Aktuellen verfolgen, andere Blickwinkel probieren und Zwischentöne hörbar machen.

Energieexperte Richard weist darauf hin, dass es künftig viele kleine Anlagen geben werde, die in der Fläche Strom erzeugen – aber immer nur dann, wenn die dafür notwendigen Ressourcen Wind, Sonne und Wasser dies möglich machen. "Daraus ergibt sich die markante Herausforderung, Energie immer nur dann zu nutzen, wenn sie zur Verfügung steht oder Systeme und Prozesse aller Sektoren Strom, Mobilität, Wärme, Industrie so umzubauen, dass sie Energie zwischenspeichern kann." Dabei sei eines klar: "Ohne digitale Technologien würde ein Systemwechsel von groß auf klein beziehungsweise von wenigen auf viele Millionen Erzeuger, Speicher, Verbraucher nicht möglich sein."

Das 2020 eingerichtete Future Energy Lab verfolgt neue Ansätze, die den Weg in die neue Energiewirtschaft ebnen sollen. Kernprojekt ist der sogenannte CO2-Datendemonstrator: Auf einer Datenplattform erfassen Kommunen digitale Informationen, um die Herkunft und Konzentration von CO2 in ihren jeweiligen Gebieten besser bestimmen zu können. Acht Partnerstädte sind an dem Projekt beteiligt: Bottrop, Brandenburg an der Havel, Chemnitz, Dortmund, Gießen, Konstanz, Münster und Templin.

Entscheidend sei die Datenverfügbarkeit, betont dena-Projektleiter Lukas Knüsel: "Wenn Sie als Kommune eine CO2-Bilanz erstellen wollen, müssen Sie mit bis zu 15 verschiedenen Akteuren sprechen." Es gebe keinen einzigen Sektor, in dem es den Kommunen leichtfiele, die Daten zu beschaffen. Erschwerend komme hinzu, dass die Daten in unterschiedlichen Zeitintervallen erhoben werden. Manche Daten sind kostenfrei, manche nicht, einige Daten dürfen nicht bereitgestellt werden. Kommunale Klimaschutzmanager verbrächten zwei Drittel ihrer Zeit mit Datenbeschaffung. Entsprechend sinnvoll sei es, die Datenbeschaffung zu automatisieren, Schnittstellen und Standards zu etablieren. Neue digitale Geschäftsmodelle könnten auf einer verbesserten Datenlage aufbauen.

"Die kommunale Digitalisierung kann die Akzeptanz auch in der Bevölkerung für viele Digitalisierungs- und Klimaschutzmaßnahmen stärken", erklärte dena-Projektleiter Mathias Böswetter. Die dena hat dazu einen Leitfaden für Kommunen veröffentlicht, der sich an Akteure aus Kommunen, aber auch aus der digitalen Energiewirtschaft richtet.

"Die einzelne Kommune wird nicht in der Lage sein, diese Herausforderung zu stemmen", erklärte Tobias Bannach von der Unternehmensberatung Deloitte, die das Projekt begleitet. Vor allem kleinere Kommunen seien damit überfordert, die Anwendungsfälle zu entwickeln – die kritische Marke liege bei 300.000 Einwohnern. Große Städte seien finanziell besser ausgestattet, stünden aber auch unter einem höheren Leidensdruck: Bei der Mobilität stelle sich schneller die Frage, wie diese besser gesteuert werden könne. Auch verfügten große Städte über leistungsfähige kommunale Unternehmen.

"Der wichtigste Punkt am Anfang ist: Mit welcher Qualität erheben wir die Daten? Wie kommen wir an unsere kommunalen Daten?", betonte Michael Pfefferle vom IT-Branchenverband Bitkom. Er weist auch darauf hin, dass sich derzeit "eine gewisse Zweiklassengesellschaft in den Städten" auftue: "Solange die Politik von Leuchtturm- zu Leuchtturmprojekt rennt, solange wir lieber große Metropolen fördern und die Förderaufrufe so gestaltet sind, dass sich nur große Kommunen überhaupt bewerben können, weil sie das Personal und Know-How haben, solange wird sich eigentlich auch nicht viel ändern." Wichtig sei, wie es nach Beendigung der Leuchtturmprojekte weitergehe: "Wie werden wir diese Informationen in die Kommunen bringen? Welche sind dort die wichtigen Stakeholder?" Länder wie Hessen und Baden-Württemberg versuchten bereits die Stakeholder zusammenzubringen, dafür müssten Geschäftsstellen eingerichtet und Tagungen veranstaltet werde.