Abwasser-Monitoring verrät COVID-19-Infektionen

Die Ausbreitung von SARS-CoV-2 kann durch Abwasser-Analyse bereits Wochen früher festgestellt werden als durch offizielle Meldezahlen.

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Abwasseraufbereitung – hier in Zürich.

(Bild: Patrick Federi / Unsplash)

Lesezeit: 3 Min.

Ein Forschungsteam unter der Leitung des Tropeninstituts am LMU Klinikum München hat die Ergebnisse der ersten und bisher längsten Untersuchungen zur Abwasserüberwachung auf das Coronavirus in Deutschland veröffentlicht. Die einjährige Verlaufsstudie im Münchner Stadtgebiet bestätige das Potenzial des Abwasser-Monitorings, schreiben sie: Nach Angaben der Forscher konnten sie aus den Abwasserproben Infektionszahlen um bis zu drei Wochen früher bestimmen, als aus den offiziellen Meldedaten der Gesundheitsämter.

Für ihre Untersuchung im Raum München sammelten die Forschenden seit Anfang April 2020 über ein Jahr lang wöchentlich Abwasserproben an sechs Standorten im Münchner Stadtgebiet. Die Proben wurden dann mittels PCR auf das Erbgut von SARS-CoV-2-Viren getestet. Die Viren-DNA wurde anschließend sequenziert, um zu prüfen, ob in den Proben besorgniserregende Virusvarianten ("Variants of Concern", VoC) auftraten.

Die Ergebnisse zeigten, dass die in den Proben nachgewiesene SARS-CoV-2-RNA-Last „gut mit den offiziellen Daten der 7-Tage-Inzidenz in den jeweiligen Stadtgebieten übereinstimmte“, schreibt die Universität in einer Mitteilung und zitiert dem Studienleiter Andreas Wieser vom Tropeninstitut am LMU Klinikum: „Durch die im Abwasser gemessene Viruslast haben wir die lokale Inzidenz für die Verbreitung von SARS-CoV-2 bereits drei Wochen früher festgestellt als in den Meldezahlen der Behörden, die auf der Analyse von Atemwegsabstrichen basieren. Zudem konnten wir die zunehmende Ausbreitung der Virusvariante B.1.1.7 (Alpha) in der Münchner Bevölkerung bereits Anfang Januar 2021 nachweisen, Wochen bevor diese durch die Sequenzierung von Abstrich-Proben von Patienten in München in relevanter Zahl festgestellt werden konnte.”

Insgesamt bestätige die Studie also das Potenzial des Abwasser-Monitorings als Frühwarnsystem für die Pandemie und die Vorteile im Vergleich zu Massentests durch Abstriche. Außerdem weise die Abwasser-Beprobung „weniger Verzerrungen z.B. durch geänderte Regeln bei der Probenahme oder bei Meldewegen auf, als dies bei auf Abstrich-/Meldedaten basierten Statistiken der Fall ist“.

Vor dem aktuellen Paper hatten auch andere Forschungsgruppen bereits gezeigt, dass sich aus SARS-CoV-2-RNA in Abwasserproben die Zahl der Infizierten sehr viel schneller zurückrechnen lässt. Allerdings war bisher nur von einem Vorsprung von Tagen gegenüber der klinischen Überwachung durch PCR-Tests die Rede. Die Diskussion über das Abwassermonitoring dürfte damit jedoch noch nicht beendet sein. Zwar hatte die Europäische Kommission die Mitgliedsstaaten im März 2021 „nachdrücklich aufgefordert“, eine systematische Abwasserüberwachung auf SARS-CoV-2 und seine Varianten in allen EU-Mitgliedstaaten einzuführen.

Wie aus einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Grünen hervorgeht, zeigen sich beispielsweise Experten der niedersächsischen Landesregierung jedoch noch sehr skeptisch gegenüber dem Verfahren. Die bisher in Studien veröffentlichten Methoden seien „derzeit weder standardisiert noch qualitätsgesichert“ und das „Rückrechnen auf eine infizierte Personenanzahl“ sei demzufolge mit „erheblichen methodischen Schwierigkeiten und daraus potenziell resultierenden Fehlern verbunden“.

(wst)