US-Terroristenliste frei im Netz

1,9 Millionen mutmaßliche Terroristen vermeint das FBI zu kennen – mindestens. So viele Einträge hat die von einem Ukrainer gefundene Datenbank.

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Gartentor ohne Zaun daneben, Schild "Please close gate"

"Das TSC ist ein zentraler Teil des US-Regierungsnetzes zur Frühwarnung vor und Unterdrückung von Terrorismus", sagt das FBI.

(Bild: Sergei Gutnikov CC BY-SA 3.0)

Lesezeit: 3 Min.

Eine Datenbank des Terrorist Screening Center des FBI stand völlig frei im Netz. Sie enthält detailreiche Datensätze über mehr als 1,9 Millionen Personen – offenbar Personen, die US-Behörden als mutmaßliche Terroristen ausgemacht haben wollen. Ein Teil dieser Personen darf nicht einmal ein Flugzeug in den oder in die USA besteigen ("No Fly List"). Eine Anklage oder gar Verurteilung ist für einen Eintrag nicht erforderlich.

Gefunden hat die Datenbank der Ukrainer Wolodymyr Djatschenko am 19. Juli. Die Daten lagen auf einem Elasticsearch-Cluster mit bahrainischer IP-Adresse, ohne Passwortschutz und für jedermann frei zugänglich. Das berichtet der IT-Sicherheitsforscher auf LinkedIn. Wie lange die heiklen Daten schon abrufbar waren, ist nicht bekannt. Nach Djatschenkos Erkenntnissen hatten zumindest die Suchdienste Censys und ZoomEye die Daten bereits abgegrast. Wie US-Behörden ihre Antiterror-Listen befüllen, hat ein Regelbuch enthüllt, das The Intercept 2013 veröffentlicht hat.

Noch am 19. Juli hat Djatschenko das US-Bundesministerium für Heimatsicherheit (DHS) informiert. Danach dauerte es drei Wochen, bis die Daten nicht mehr frei zugänglich waren. Wer die Daten dort abgelegt hat, und warum, ist nicht öffentlich bekannt. Das FBI, das unter anderem für Spionageabwehr zuständig ist, sagt nichts zu dem Vorfall, das DHS auch nicht. Jedenfalls stellen sie Djatschenkos Bericht nicht in Abrede.

Der ehrliche Finder hat sich nun an die Öffentlichkeit getraut. Er berichtet, dass die TSC-Liste Datenfelder für den vollen Namen, Staatsbürgerschaft, Geschlecht, Geburtsdatum, Reisepassnummer, ausgebenden Staat des Reisepasses und natürlich einen No-Fly-Indikator hat. Hinzu kommen Datenfelder mit mehr oder weniger kryptischen Bezeichnungen wie tag, nomination type oder selectee indicator.

Die ungeplante Veröffentlichung der Liste ist nicht nur ein herber Rückschlag für die US-Terrorabwehr, sondern auch eine Gefahr für all jene, die zu Unrecht auf der Liste stehen: Sie laufen Gefahr, von Dritten unter Druck gesetzt und verfolgt zu werden.

Werbliches Sujet des Terrorist Screening Center

(Bild: FBI (gemeinfrei))

Das TSC ist eine 2003 gegründete interministerielle Einrichtung, die vom Inlandsgeheimdienst FBI verwaltet wird. Die gesammelten Daten werden nicht nur dem US-Innenministerium, dem US-Verteidigungsministerium, der weithin verhassten Transportation Security Agency und dem US-Zoll zur Verfügung gestellt, sondern auch "ausgewählten internationalen Partnern". Eine abschließende Liste der Zugriffsberechtigten ist nicht bekannt.

Genauso wenig gibt es wirksamen Rechtsschutz gegen einen fälschlichen Eintrag. US-Behörden verweigern grundsätzlich Auskunft darüber, ob jemand auf der Liste steht oder warum. Im April hat der in Chicago geborene Muslim Ahmad Chebli berichtet, auf der No Fly List gelandet zu sein, nachdem er einen Anwerbeversuch des FBI als heimlicher Informant wiederholt abgelehnt hatte.

Zwei Jahre lang hat der US-Bürger vergeblich versucht, seinen Namen von der Liste tilgen zu lassen. Im April hat schließlich die Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation in seinem Namen geklagt und ist an die Öffentlichkeit gegangen. Im Mai wurde Cheblis Name schließlich doch von der No Fly List genommen.

(ds)