AKW Fukushima: Atomenergie-Organisation sieht Fortschritte der Stilllegung

"Jeder Vorgang, so einfach er erscheinen möge, ist hochkomplex", schreibt die IAEO nach einem Besuch in Fukushima. Die Stilllegung werde wohl 30 Jahre dauern.

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Status der drei von Kernschmelzen betroffenen Blöcke in Fukushima Daiichi. Aus dem unbeschädigten Block 4 wurde das Brennmaterial inzwischen entfernt.

(Bild: Tepco)

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Das vor zehn Jahren havarierte Atomkraftwerk Fukushima Daiichi stillzulegen, die Trümmer und Abwässer zu entsorgen bleibt ein "einzigartiges komplexes und anspruchsvolles Unternehmen". Das schreibt eine Abordnung aus zwölf Exptertinnen und Experten der Internationalen Atomenergie-Organisation der UN (IAEO) nach einer Überprüfung. Es sei die fünfte gewesen, nachdem das Atomkraftwerk in Folge eines Erdbebens und Tsunamis stark beschädigt wurde, Brennstäbe in drei der vier Reaktoren schmolzen.

In zehn Jahren habe Japan den Standort aus einer Notfallsituation in eine industrielle Stilllegung gebracht, heißt es im Bericht der IAEO (PDF). Dies ist ein wichtiger und notwendiger Schritt, aber auch erst der Anfang.

An der fünften internationale Peer Review des mittel- und langfristigen Fahrplans Japans zur Stilllegung des AKW nahmen vom 30. Juni bis 27. August nahmen neun Personen aus dem IAEO-Sekretariat und drei aus den USA, Großbritannien und Indonesien teil. Sie bestand aus online geführten Diskussionen, Treffen in Wien und Tokio sowie einer Werksbesichtigung in Japan.

Der Delegationsleiter Christophe Xerri sprach davon, dass eine erfolgreiche Stilllegung von in den kommenden zwei oder drei Jahrzehnten ein diszipliniertes Programm- und Projektmanagement erfordere, um mit erheblichen Risiken und Unsicherheiten umgehen zu können. Es sei weiterhin nötig, sich auf die Sicherheitskultur zu konzentrieren sowie auf weitere wissenschaftliche und technologische Entwicklungen.

Seit der vorherigen Überprüfung durch die IAEO vor drei Jahren habe sich die Situation weiter verbessert, es sei weniger kontaminiertes Wasser erzeugt worden, indem weiterer Wassereintritt reduziert wurde. Das Projekt erfordere aber weiterhin erhebliche technische Fähigkeiten und Fachwissen sowie umfangreiche Management- und Projekterfahrung, heißt es im Bericht der IAEO. "Jeder Vorgang, so einfach er erscheinen möge, ist hochkomplex."

Inzwischen sei ein spezieller Roboter entwickelt worden, mit dem eine Probe von den geschmolzenen Brennstäben genommen werden könne. Er soll in Kürze eingesetzt werden, heißt es in dem Bericht. Danach könnten weitere Optionen für deren Bergung erwogen werden.

Der Super-GAU von Fukushima (77 Bilder)

Das AKW Fukushima Daiichi mit seinen sechs Reaktorblöcken vor der Katastrophe. Es liegt Luftlinie rund 250 km von Tokio entfernt. Alle sechs Blöcke basieren auf den Siedewasserreaktor-Baureihen BWR 3 bis BWR 5 des US-Unternehmens General Electric; gebaut wurden sie zwischen 1971 und 1979. Block 1 sollte ursprünglich Ende März 2011 stillgelegt werden, die japanischen Behörden genehmigten Februar 2011 aber eine Laufzeitverlängerung um zehn Jahre.
(Bild: dpa)

Mit der Bergung könne wohl in Block 2 des AKW begonnen werden, zunächst einmal in kleinen vorsichtigen Schritten, um damit Erfahrungen zu sammeln. Zunächst einmal sei es nämlich wichtig, die Verteilung des geschmolzenen Materials uns seiner Struktur zu verstehen. Dafür würden zunächst beispielsweise mit einer Metallbürste Proben genommen und chemisch analysiert.

In den Jahren 2019 wurde in dem AKW testweise die Kühlung unterbrochen, um die Pläne der Bergung der Brennstoffe überarbeiten zu können. Dabei sei kein starker Temperaturanstieg festgestellt worden, auch sei die Edelgaskonzentration nicht angestiegen. Weitere Tests sind geplant.

Neben den Brennstäben gibt es in Fukushima ein Wasserproblem. Den Betreibern sei es gelungen, die Menge des täglich erzeugten kontaminierten Wassers im Jahr 2020 auf unter 150 m3 zu senken; bis zum Jahr 2025 soll es auf 100 m3/Tag oder weniger reduziert werden. Zur Verminderung beigetragen habe, dass voriges Jahr beschädigte Gebäude abgedeckt wurden, sodass kein Regenwasser mehr eindringen kann. Zudem seien mit 1,45 Millionen m2 etwa 94 Prozent des Standorts versiegelt worden.

Bisher seien 636.000 m3 Grundwasser aus dem weitläufigen Kanalsystem gepumpt worden. Davon werden täglich 2000 m3 aufbereitet. Das in den Reaktorgebäuden stehende Wasser wurde von 120.000 m3 im März 2011 auf 12.000 m3 im März 2021 reduziert. Damit kein weiteres Wasser austritt, wird der Wasserpegel in den Gebäuden niedriger als das Grundwasser gehalten. Das stehende Wasser wird entsalzen und dekontaminiert und dann für die Kühlung der Brennstäbe wiederverwendet. So soll dem System kein neues Wasser zugeführt werden.

Mit Stand vom November 2020 haben sich auf dem Betriebsgelände 1,23 Millionen m3 mit ALPS aufbereitetes Wasser angesammelt, das in speziellen Tanks gelagert wird. Damit mögliche Leckagen eingedämmt werden, wurden die Tanks eingedeicht. 71 Prozent des Wassers muss noch einmal ALPS-aufbereitet werden, damit die darin enthaltenen Radionukleide unter die für die Ableitung nötigen Grenzwerte fallen. Tritium verbleibt in dem Wasser.

Die IAEO stimmt für den Plan der japanischen Regierung, das Wasser ins Meer einzuleiten. Dafür wurde diese Woche ein Plan bekannt, laut dem ein 1 km langer Tunnel gebaut werden soll, durch den das Wasser ins Meer geleitet werden soll.

(anw)