Was war. Was wird. Von Zukünften und anderen Planlosigkeiten
Zukunft – da war doch was? Na, in Deutschland kam "die Zukunft" alias Digitalisierung während der Ära Merkel eher nicht in die Puschen, resümiert Hal Faber.
Seiner Zeit voraus ist, wer an die Zukunft denkt – aber nicht jedes "Zukunftsteam" hat auch eine.
(Bild: voyata/Shutterstock.com)
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.
Was war.
*** Der Wal kämpft immer noch und die Kandidaten touren in ihren Bussen durch das Land. Nur einer von ihnen denkt schon an die Zeit nach der Wahl: Armin Laschet. Er wird nach der vergeigten Wahl nicht mehr als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen dafür sorgen, dass die Kirchenglocken in Keyenberg geräuschlos abgebaut werden, damit weiterhin Braunkohle abgebaut werden kann. Nein, Armin Laschet, wechselt die Branche, wie sein Claim Experten statt Experimente zart andeutet. Er wird Berater für Infrarotheizungen. Das ist ein herzerwärmender Beruf, ganz ohne die lästige Frage, wo denn der Strom herkommt, der da infrarötet. Von Braunkohle über Wasserstoff bis zur Windenergie ist alles drin. Was die Menschen aus Laschets Zukunftsteam hingegen machen werden, ist unklar. Nehmen wir Dorothee Bär: Geht sie zur NASA, um als Expertin für Flugtaxis die Experimente mit Joby zu begleiten? Fest steht nur, dass sie nicht mehr die Regierungsbeauftragte für diese Digitalisierung sein wird, die im Vergangenheitsteam Merkel IV nicht in die Puschen kam. Anders sieht es bei Peter Neumann aus, dem Terrorismusexperten, der jetzt als "Laschets Professor" herumgereicht wird. Er wird ganz sicher an das von ihm gegründete International Centre for the Study of Radicalization am Fachbereich für Kriegsstudien zurückkehren, um von Zeit zu Zeit vor den Taliban oder vor den rechtsextremistischen Losern zu warnen.
*** Wie sieht es denn aus, das deutsche Weltniveau bei der Digitalisierung im Jahre 2021? Es kann sich sehen lassen, zumindest auf dem Papier: Seit dem 1. September ist das wunderbare neue Smart-eID-Gesetz in Kraft getreten, nach dem man seine Ausweisdaten auf dem Smartphone in einer App speichern kann. Das ist schon praktisch, denn das lästige Mitführen des Personalausweises für die CovPass-App mit dem Impfzertifikat entfällt. "Die Ausweiskarte muss dann nur noch einmal, bei der Übertragung der Daten aus dem Chip des Ausweisdokuments, an das Smartphone gehalten werden. Das digitale Ausweisen ohne Ausweiskarte ist innerhalb weniger Sekunden abgeschlossen. Ausweisen im Internet wird damit praktischer und dauert nur etwa halb so lang, wie der elektronische Identitätsnachweis mit der Ausweiskarte", schreibt das Innenministerium stolz. Dumm nur, dass die App fehlt und der ganze Spaß nur für die Galaxy S-Reihe von Samsung, dem Projektpartner der deutschen Bundesregierung verfügbar ist – eine Situation, die an die De-Mail erinnert.
*** Angela Merkel, die große alte Dame der deutschen Nachkriegspolitik (taz), ist jedenfalls Feuer und Flamme für die Technik. Aktuell benutzt die Bundeskanzlerin ein von Secusmart gehärtetes Samsung Galaxy S8. Merkels Kanzlerinnen-Karriere begann mit einem Siemens S 55. "Das wurde, um es sicher zu machen, damals noch aufgeschraubt, ein Chip wurde eingelötet und sorgte für die Verschlüsselung. Für die tägliche Nutzung musste man eine gewisse Leidensfähigkeit mitbringen. Auf dem kleinen Display tanzte dann so ein Schlüssel hin und her, während die Verbindung aufgebaut wurde, das dauerte mindestens 30 Sekunden." nach dem Siemens S 55 kam ein Nokia E 51, dann ein Blackberry, damit Merkel E-Mails auf dem Handy empfangen kann. Schließlich kam es zum großen Knall, als mit den Enthüllungen von Edward Snowden bekannt wurde, dass ein Handy von Merkel ins Visier der NSA geraten war und abgehört wurde. So hielt sich bis Mitte des Tages das Gerücht, dass das von Secusmart gesicherte Handy der Kanzlerin von der NSA gehackt worden ist. Das wäre für uns als kleine Firma das Ende gewesen. Spricht ja nicht gerade für unsere Arbeit. Gott sei Dank wurde aber im Laufe des Tages klar, dass es sich bei dem abgehörten Handy um ein Zweithandy von der Partei handelte, das wir nicht verschlüsselt hatten."
*** Es ist knifflig: Der Internet-Umfragespezialist YouGov meldete dieser Tage, dass 59 Prozent der befragten Deutschen keine Online-Plattform nutzen würden, um Steuerbetrüger zu melden. Die Gegenfrage, ob sie solche Fälle lieber offline als Tipp beim Finanzamt hinterlassen würden, wurde nicht gestellt. Doch Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt, wie man selbst in Bayern betont, wo es schon länger ein Meldeportal gibt. Doch im Wahlkampf gibt es keine Zwischentöne, nur grobe Fouls, wie die Rede von der Online-Stasi zeigt. So erwecken FDP und die Union den Eindruck, dass der Staat ein feindliches Gegenüber ist und Whistleblower eigentlich nur Spitzel sein können. Eine US-Tradition, in der Whistleblower neben Edward Snowden eben auch jemand wie Bradley Birkenfeld stehen, gibt es bei uns nicht. Dabei sollte nicht verheimlicht werden, dass in den USA mit Prämie gearbeitet wird. Weil auch das hinter einer Knetemauer steckt, seien hier die Zahlen genannt. Im vergangenen Jahr holte der Internal Revenu Service 472 Millionen Dollar rein und schüttete 87 Millionen Dollar an 169 Whistleblower aus. Alles Stasi-Spitzel da drüben?
*** Es war ein Österreicher, der sich in den Räumen der Social Media Harkank Merzenoghian nennt, der mir viel über die Flüchtlinge aus Kleinasien erzählte und über die Musik, die sie mit der Bouzouki spielten. Da wurden Jahrhunderte einer Musiktradition des Rembetiko lebendig, die weiter reichte als das Taram-Taram, mit dem Mikis Theodorakis berühmt wurde. Es war der Mauthausen-Zyklus, dieses Werk über ein österreichisches KZ, das ihn berühmt machte. Es waren der Canto General mit den Gedichten von Pablo Neruda oder die Verse von Odysseas Elytis, die den großen Komponisten und Dirigenten ausmachten. In der BRD wurde er als "Liedermacher" herumgereicht, in der DDR als antifaschistische Stimme aus dem Süden. Nun ist Mikis Theodorakis mit 96 Jahren von der Bühne des Lebens getreten. Doch die Welt dreht sich weiter und spricht lieber über die Kunst von Abba und das Motion Capture.
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Was wird.
Die kleine Wochenschau begann mit dem Zukunftsteam des Kandidaten Armin Laschet, da ist es nur natürlich, wenn der Ausblick auf unsere Zukunft in einem Zukunftsmuseum endet. Denn da hat die Zukunft, die Utopie, vor der sich alle fürchten, in Deutschland wirklich ihren Platz. In wenigen Tagen wird in der Söderstadt Nürnberg das Deutsche Zukunftsmuseum eröffnet und darüber Auskunft geben, wie wir in 20 oder 50 Jahren leben werden. Sehr schön ist das Zitat des großen deutschen Kanzlers Willy Brandt auf der Website: "Der beste Weg, die Zukunft vorauszusagen, ist, sie zu gestalten." Oder war das Alan Kay? Wie wäre es mit einem anderen Regierer, nämlich Abraham Lincoln? Wahrscheinlich wird der Satz in 20 Jahren Armin Laschet zugeschrieben werden, so wie das Design und der Auftritt von Apple Steve Jobs zugerechnet werden. Wen interessiert da noch Adriano Olivetti, den Gestalter der Zukunft?
(tiw)