Klimawandel zwingt Bauern zu Anpassungen – doch in welche Richtung?

Klimawandel: Es gibt nicht nur heiße und trockene Sommer, sondern auch nasse. Extremwetterereignisse nehmen zu und stellen Landwirte vor schwierige Aufgaben.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 68 Kommentare lesen

(Bild: Valentin Valkov/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Michael Bauer
  • dpa
Inhaltsverzeichnis

Die Bauern in Rheinland-Pfalz erwarten vom Klimawandel eher Nach- als Vorteile. "Für die Landwirtschaft sind die Gefahren aus heutiger Sicht größer als die Chancen", sagt der Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd, Eberhard Hartelt. Die Agrarwirtschaft könne sich naturgegeben nicht so schnell anpassen, wie das vielleicht nötig wäre, beispielsweise im Hinblick auf Resistenzzüchtungen gegen Schädlinge und Pilzinfektionen. "Erschwerend kommt hinzu, dass sich in Deutschland und Europa eine gewisse Innovationsfeindlichkeit gegenüber modernen Züchtungsmethoden entwickelt – Methoden, die fälschlicherweise mit klassischer Gentechnologie gleichgesetzt werden."

Auch der Agrarexperte Herbert Netter vom Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau schätzt die Gefahren aus dem Klimawandel größer ein als mögliche Vorteile. Sicherlich ermögliche die Züchtung eine gewisse Anpassung, doch nähmen die Extremwitterungsereignisse dramatisch zu. "Diese sind in der Regel nicht kompensierbar", erklärt Netter. "Die Dürreperiode von 2018 bis 2020 war für viele – gerade Futterbaubetriebe – eine Katastrophe, die sich bis in unsere Tage auswirkt."

Da der Klimawandel viele Gesichter hat, stecken die Bauern in der Zwickmühle. "Wir haben in den letzten Jahren erlebt, dass wir es mit einer extremen Spreizung beim Klimawandel zu tun haben", berichtet Hartelt. Auf der einen Seite habe es in den vergangenen drei Jahren eine sehr ausgeprägte Trockenheit gegeben. "Dieses Jahr dagegen war sehr nass und deutlich kühler."

In einem Jahr bräuchten die Bauern also trockenresistente Pflanzen, die Mittelmeerklima vertragen, das nächste Jahr müssten sie frostverträglich sein wie Gewächse aus nordischen Breiten. "Pflanzen, die beides können – also eine hohe Frostverträglichkeit und Widerstand gegen Kälte haben und auch noch Hitze- und Trockenresistenz aufweisen – sind mir als Bauer noch nicht begegnet", betont Hartelt.

Es sei daher eine Illusion zu glauben, dass die Bauern in der Rheinebene wegen immer trockeneren und heißeren Sommern einfach Oliven- oder Zitronenbäume anbauen sollten, weil es eben auch kalte und nasse Jahre gebe, sagt Hartelt. Es sei auch nur begrenzt sinnvoll, verbreitet Sojabohnen anzubauen. "In bestimmten Zonen der Rheinebene wird das funktionieren. Aber wir sind aufgrund der Klima- und Bodenverhältnisse für den Getreideanbau prädestiniert." Soja wachse in Südamerika besser.

Nach Ansicht Netters müssen Forschung und Sortenzucht den Bauern dabei helfen, sich an die Entwicklung anzupassen. Die Landwirte könnten zwar beispielsweise auf trockentolerantere Getreidepflanzen setzen, doch auch das habe Grenzen. Grundsätzlich könnten die Betriebe verstärkt bodenkonservierende und erosionsmindernde Wirtschaftsweisen umsetzen. "Das darf dann aber nicht schon wieder zu Auflagen führen", warnte er. Es gebe immer wieder Ereignisse, für die auch "Pflügen das Mittel der Wahl" sei.

Fruchtfolgen, die zu einem verstärktem Humusaufbau führen, könnten zwar sinnvoll sein, müssten aber auch wirtschaftlich machbar sein, sagt Netter. "Schließlich müssen die Bauern von ihrer Arbeit leben." Es gebe Gebiete in Deutschland, wo fast schon ein Totalverbot für organische Dünger herrsche. "Dabei hilft Gülle, Humus aufzubauen und den Boden haltefähiger zu machen."

Verbandspräsident Hartelt arbeitet nach eigenen Worten schon seit fast 50 Jahren in der Landwirtschaft und hat dabei gelernt, sich dem Wetter demütig zu fügen. "Am Wetter können wir nichts ändern, am Klima schon", betont er. Auch die Landwirtschaft könne ihren Anteil für den Klimaschutz beitragen, der allerdings kleiner sei als der von Industrie und Verkehr. Als Beispiele nennt er eine Steigerung der CO2-Speicherung in den Böden und das Bemühen um mehr Biodiversität.

Netter wünscht sich von der Politik mehr Weitblick statt "häufig widersinniger Auflagen". Zudem müssten Bund und Land die Forschung auf dem Gebiet klimaangepasster Kulturen unterstützen und intensivieren. Wichtig sei auch, dass die Beratung staatlich und damit unabhängig bleibe.

Das Landwirtschaftsministerium setzt im Bereich der Klimaanpassung unter anderem auf geänderte Saattermine wegen veränderter Vegetationszeiten, eine gezielte Sortenwahl mit Berücksichtigung von älteren und widerstandsfähigeren Pflanzen und eine Digitalisierung der Landwirtschaft. Besonders gefördert werden den Angaben zufolge Investitionen, die der Emissionsminderung dienen, wie beispielsweise Abluftreinigungsanlagen, spezielle Techniken zur Ausbringung von Flüssigmist und Lagerstätten für flüssige Wirtschaftsdünger. Das Gleiche gelte für Vorhaben, mit denen die Landwirtschaft sich vor Schäden durch Naturkatastrophen und widrige Witterungsverhältnisse schützen kann, wie etwa Frostschutzberegnung und Hagelschutznetze.

Bei allen Gefahren für die Landwirtschaft durch den Klimawandel bieten sich nach Einschätzung des Agrarministeriums auch neue Möglichkeiten wie die Erprobung und Einführung klimaangepasster Kulturpflanzen wie Sojabohne oder Kolbenhirse. Bei diesen Arten sei aufgrund der vorherrschenden höheren Temperaturen eine größere Biomasseproduktion je Hektar möglich, erklärt ein Agrarexperte des Ministeriums. Gleichzeitig werde die Diversität der Fruchtarten erhöht. Ein früherer Beginn und eine längere Dauer der Vegetationszeit könnten die Erträge von landwirtschaftlichen Kulturpflanzen steigern. Wärmeliebende Pflanzenarten wie Melonen profitierten durch den Klimawandel und erweiterten die Angebotspalette im Gemüsebau, sagt der Experte.

(bme)