Warum Schlangen bald als Radioaktivitätssensoren dienen könnten

Bei Atomunfällen muss der radioaktive Fallout noch über viele Jahre verfolgt werden. In Fukushima wollen Forscher sich nun lebender Tiere bedienen.

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Die Insel-Kletternatter ist ein möglicher Kandidat für die Fukushima-Sensoren.

(Bild: A.S.since1992 / CC-BY-2.5)

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Wie stellt man sicher, dass in einer Region, in der es einen Atomunfall gab, wirklich alle notwendigen Aufräummaßnahmen durchgeführt und strahlender Müll – sei es nun ein einzelner Gegenstand oder die gesamte obere Erdschicht – fachgerecht entsorgt wird, damit keine Gefahr mehr besteht? Das Problem mag zwar selten sein, doch in der japanischen Region um das Atomkraftwerk Fukushima Daiichi ist es Alltag seit dem schweren Nuklearunfall aufgrund von Erdbeben und Tsunami, der nun bereits mehr als zehn Jahre zurückliegt.

Aktuell schicken Nuklearbehörde und Kraftwerksbetreiber TEPCO Messtrupps durch die Lande, zudem wird an neuralgischen Punkten auch dauerhaft gemessen – inklusive einer zentralen Sammlung der Daten. Über das Internet können Bewohner aktuelle Messungen abfragen. Doch eine derart große vom Fallout betroffene Region lässt sich mit dieser Methode nur mühsam abdecken. Eine Forschergruppe um die Biologin Hannah Gerke, Alumna des Ökolabors der University of Georgia, die aktuell an der Australian National University forscht, hatte nun eine Idee, wie sich dies verbessern lässt: Durch die Verwendung von Schuppenkriechtieren, die sowieso schon erdnah unterwegs sind – genauer: der japanischen Insel-Kletternatter.

Gerke und ihr Team haben dazu spezielle, mit GPS ausgestattete Sensoren entwickelt, die sie den Schlangen überziehen – und zwar so, dass sie dadurch möglichst wenig in ihrer Bewegung gestört werden. Die Tiere sind im Gebiet unterwegs, das zunächst für unbewohnbar erklärt wurde: der sogenannten Fukushima Exclusion Zone. In einem ersten Schritt ging es den Forschern darum, die Bewegungen der Insel-Kletternattern zu verfolgen, um festzustellen, ob sie als Fallout-Indikator genutzt werden können.

Der Vorteil der Tiere sei, dass sie relativ stationär leben, aber in der toten Zone mittlerweile recht häufig vorkommen. Die Tiere seien wie der sprichwörtliche Kanarienvogel in der Kohlegrube, so Gerke gegenüber dem Bulletin of the Atomic Scientists. "Das Strahlungsniveau und der Grad der Verseuchung in der Umwelt spiegelt sich in der Kontaminierung der Schlange selbst wieder."

Die GPS-Datenerfassung der Tiere zeigt, dass sie sich als guter Bioindikator verwenden lassen, so die Forscher in ihrer Studie, die im Journal of Ichthyology & Herpetology erschienen ist. Die Tiere nehmen – falls in der Umwelt vorhanden – große Mengen an Radionukliden auf. Wenn man verstehe, wie die einzelnen Tiere die kontaminierte Umgebung nutzten, könne dies auch das Verständnis für die Auswirkungen eines so großen Nuklearunfalls wie in Fukushima und Tschernobyl verbessern, so die Biologin. Andere Spezies wie etwa Vögel seien ungeeigneter, ebenso Wildschweine oder Marderhunde, die beide mobiler seien.

Schlangen wurde aus Bäumen, Gräsern, in leerstehenden Gebäuden und in der Nähe von Flüssen aufgefunden und mit den Trackern versehen – so, dass man diese später wieder entfernen konnte. Durch die Ortsüberwachung war es möglich, zu überprüfen, ob die Bewegung zur Radioaktivitätserfassung ausreicht oder nicht.

Teilweise "retten" sich die Tiere in Scheunen oder andere Bauten und bekommen dann weniger Radioaktivität ab. Allerdings reicht ihr Aufenthalt in freier Natur wohl aus, um künftig als Indikator zu dienen. Ob und wann das tatsächlich praktisch geschieht, ist aber noch unklar.

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(bsc)