Neuartiger Kunststoff lässt die Muskeln spielen

Wissenschaftler an der Stanford University haben ein äußerst kräftiges Polymer mit Formgedächtnis entwickelt, das sich für Roboter und Prothesen eignen könnte.

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(Bild: Screenshot Forschervideo / ACS Central Science / NewScientist)

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Roboter werden immer menschenähnlicher. Die sogenannte Biomimetik überträgt natürliche Prozesse auf Maschinen. So könnte ein teilweise humanoid angelegter Automat künftig statt mit hydraulischen Mitteln oder zahllosen Elektromotoren über eine muskelartige Substanz angetrieben werden. Die Technik könnte dann in Soft-Robotics-Systeme einfließen, die sich auch für an der menschlichen Biologie ausgerichtete Prothesen eignen könnte.

Eine solche Idee verfolgen nun Forscher an der Stanford University in Kalifornien. Das Team um Zhenan Bao vom Institut für Chemieingenieurwesen schuf dazu einen Kunststoff, der faszinierende Eigenschaften aufweist. Es handelt sich dabei um ein Polymer mit Formgedächtnis, das Energie speichern und wieder abrufen kann. Diese Materialien kehren nach einer Deformation, worunter sowohl ein Ziehen als auch ein Verbiegen zählen, durch Anlegen bestimmter Parameter wieder in ihre Ausgangsposition zurück. Dies kann etwa Licht sein, aber auch Hitze, wie es Bao und Co. mit einem schlichten Fön demonstrieren.

Das Problem: Bislang waren solche Kunststoffe in ihrer Energiespeicherung und -wiederabgabe eher schwächlich. Das neueste Material des Stanford-Teams soll nun jedoch fast sechs Mal mehr Energie aufnehmen können als frühere, vergleichbare Varianten, wie sie in einem Paper in "ACS Central Science" der American Chemical Society schreiben.

Bao und ihr Team erreichten die neue Qualität der Energiespeicherung durch die Einführung bestimmter Methylen-Bisphenylharnstoff-Einheiten in ein bestehendes Polypropylenglycol-Backbone. Der Speichereffekt entsteht durch eine Umformung der enthaltenen Polymerketten, die Wasserstoffbindungen zwischen Harnstoffgruppen bilden, wenn sie deformiert werden. Die Bindungen werden durch Hitze wieder zerstört, was eine Rückkehr in den Ausgangszustand ermöglicht – mit besagter hoher Energiewirkung (17,9 J/g). Im Versuch ließ sich das Polymer auf das Fünffache seiner Länge strecken.

Berechnungen von Bao & Co. zufolge könnte das Material somit Objekte mit seinem 5.000-fachen Gewicht anheben, wenn es erwärmt wird. In einer Demonstration wurde das Polymer einer Holzpuppe als "Muskeln" eingesetzt und gezeigt, wie es den Arm am Ellenbogen biegen konnte. Das Material soll zudem günstig und einfach in der Herstellung sein. Praktische Anwendungen werden aktuell erwogen.

(bsc)