Warum der Mond später starb, als wir dachten

Vulkanische Proben des chinesischen Mondlanders legen nahe, dass der Erdtrabant womöglich eine andere Geschichte hat, als die Forschung bislang annahm.

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(Bild: NASA/GSFC/ASU)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Tatyana Woodall
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Der Mond war möglicherweise vulkanisch aktiver, als die Wissenschaft bislang dachte. Mondproben, die die chinesische Raumsonde Chang'e 5 nun zur Erde zurückbrachte, geben neue Hinweise auf Lavaebenen auf der Mondoberfläche sowie vulkanische Aktivitäten. In einer in Science publizierten Studie beschreiben die Forscher die jüngsten jemals auf dem Mond gesammelten Lavaproben.

Das Material stammt aus dem Oceanus Procellarum, einer Region, die für ihre riesigen Lavaseen bekannt ist, die heute zu Basaltgestein erstarrt sind. Die am genauesten analysierte Probe deutet darauf hin, dass der Mond eine Ära vulkanischer Aktivität erlebte, die länger andauerte als bislang gedacht.

Die chinesischen Wissenschaftler verglichen Fragmente aus derselben Probe, um festzustellen, wann das geschmolzene Magma kristallisierte. Die Ergebnisse überraschten sie. Kleine, felsige Raumkörper wie der Mond sollten normalerweise schneller abkühlen als größere. Die Beobachtungen zeigen jedoch, dass dies bei unserem nächsten himmlischen Nachbarn nicht unbedingt der Fall gewesen sein muss.

"Die Erwartung war, dass der Mond so klein ist, dass er wahrscheinlich sehr schnell nach seiner Entstehung abstarb", meint Alexander Nemchin, Professor für Geologie an der Curtin University in Perth, Australien, und einer der Mitautoren der chinesischen Studie. "Diese Probe jungen Datums widerspricht diesem Grundrezept. Und in gewisser Weise müssen wir unsere Sichtweise des Mondes überdenken – vielleicht sogar ziemlich stark."

Mithilfe von Isotopen-Datierungen und einer Technik, die auf der sogenannten Lunar Crater Chronology basiert, bei der das Alter eines Objekts im Weltraum zum Teil durch Zählen der Krater auf seiner Oberfläche geschätzt wird, stellte das Team fest, dass im Oceanus Procellarum noch vor 2 Milliarden Jahren Lava floss.

Chang'e 5 war Chinas erste Mission zur Rückführung von Mondproben und die erste Sonde, die seit dem Jahr 1976 echtes Mondmaterial zurückbrachte. Nach dem Start Ende November und der Rückkehr Anfang Dezember 2020 ist sie Teil von mindestens acht Phasen in Chinas Mondprogramm zur Erkundung des gesamten Mondes.

Laut Nemchin gibt es keine Belege dafür, dass radioaktive Elemente, die Wärme erzeugen (wie Kalium, Thorium und Uran), in hohen Konzentrationen unter dem Mondmantel vorhanden sind. Das bedeutet, dass solche Elemente wahrscheinlich nicht die Ursache für die Lavaausbrüche waren, wie die Wissenschaft bisher angenommen hatte. Nun muss nach anderen Erklärungen für die Entstehung der Lava gesucht werden. Die vulkanische Geschichte des Mondes könnte uns zudem mehr über die Geschichte der Erde lehren: Nach einer Theorie könnte der Mond einfach ein Stück Erde sein, das bei der Kollision unseres Planeten mit einem anderen "losgerissen" wurde.

"Jedes Mal, wenn wir neue oder verbesserte Informationen über das Alter des Materials auf dem Mond erhalten, hat das einen Dominoeffekt – nicht nur für das Verständnis des Universums, sondern auch für den Vulkanismus und sogar für die allgemeine Geologie auf anderen Planeten", sagt Paul Byrne, außerordentlicher Professor für Erd- und Planetenwissenschaften an der Washington University in St. Louis, der die Studie kennt.

Die vulkanische Aktivität hat nicht nur das Aussehen des Mondes geprägt – die alten Lavaschichten sind heute noch mit bloßem Auge als riesige dunkle Flecken auf der Mondoberfläche erkennbar –, sondern könnte sogar dazu beitragen, die Frage zu beantworten, ob wir allein im Universum sind, so Byrne.

"Die Suche nach außerirdischem Leben erfordert auch ein Verständnis der Bewohnbarkeit der Planeten", sagt Byrne. Vulkanische Aktivität spielt eine Rolle bei der Entstehung von Atmosphären und Ozeanen, den Schlüsselkomponenten für Leben. Doch was genau diese neuen lunaren Erkenntnisse uns über potenzielles Leben auf anderen Himmelskörpern sagen, muss sich noch zeigen.

(bsc)