Wirtschaft macht gegen neue Überwachungsverpflichtungen mobil

Die geplante Änderung des Telekommunikationsgesetzes lehnt der DIHK als Kostenhammer und unzulässige Vorratsdatenspeicherung ab.

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Neben den Datenschützern kritisiert auch der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) die geplante Neufassung der Überwachungsregelungen im Telekommunikationsgesetz (TKG) scharf. In einer Stellungnahme an das Feder führende Bundeswirtschaftsministerium moniert der Verband, dass unter dem Aufhänger der Identifizierung von Handynutzern mit Prepaid-Karten der Umfang der zu erhebenden Kundendaten für alle geschäftsmäßigen Telekommunikationsanbieter deutlich erweitert werden soll. Das führe zu einer "erheblichen finanziellen Mehrbelastung" der Wirtschaft, käme "unverhältnismäßigen Eingriffen in die Gewerbe- und Berufsausübungspflicht" der Netzbetreiber gleich und stelle einen "unzulässigen Eingriff in die Datenschutzrechte" der Telefonkunden dar. Zudem würden inländische Mobilfunkanbieter benachteiligt und die Entwicklung innovativer Anonymisierungsdienste behindert.

Der DIHK erinnert in seinem heise online vorliegenden Papier daran, dass eine Überarbeitung des TKG vor einem Jahr unter entgegengesetzten Vorzeichen im Gespräch war. Damals hatten Netzpolitiker aller Parteien während der Debatte um die Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV) gefordert, die seit langem umstrittene Klausel zu überdenken, der zufolge die Unternehmen die Kosten für die Überwachung zu tragen haben. In diesem Bereich sieht der DIHK nach wie vor den eigentlichen Novellierungsbedarf und plädiert für die Streichung der Bestimmung.

Insgesamt haben die Überwachungskosten dem Verband zufolge in der Zusammenschau der in den vergangenen zwölf Monaten verabschiedeten Gesetze und Verordnungen "ein zumutbares Maß überschritten" -- zu den monierten Bestimmungen zählen neben der TKÜV und der auf Drängen des Bundesnachrichtendienst erarbeiteten TKÜV-Änderungsverordnung etwa die umstrittenen Paragraphen 100 g und h der Strafprozessordnung. Ina Pernice, Referentin für Telekommunikationsrecht beim DIHK, wittert hinter den einzelnen Maßnahmen eine "staatliche Salami-Taktik, mit der die reale Belastung der Wirtschaft und die Eingriffsintensität in Grundrechte verschleiert wird".

Mit den im Raum stehenden neuen Vorgaben sollen Mobilfunk-Betreiber noch in dieser Legislaturperiode verpflichtet werden, Rufnummer, Name und Anschrift auch ihrer Prepaid-Kunden abzufragen. Zusätzlich hat sich eine Regelung eingeschlichen, wonach alle Telekommunikationsanbieter Angaben über Geburtsdaten, Vertragsbeginn und ?ende sowie den "Ort des Anschlusses bei Festnetzanschlüssen" sammeln und an die Ermittler weiterleiten müssten. Konkret sei damit die Ausweitung der Regelung, Kundendaten zu erheben, zu speichern und noch ein Jahr nach Ende des Vertragsverhältnisses vorzuhalten, auch auf nichtöffentliche Anbieter wie Krankenhäuser, Hotels, Altenheime oder Banken vorgesehen, so der DIHK. Doch deren eigentlicher Geschäftszweck liege gar nicht in der Erbringung von Telekommunikationsdiensten.

Generell rechnet der Verband mit einem Investitionsvolumen im zweistelligen Euro-Millionenbereich bei den Anbietern, da die zu übermittelnden Daten eine Anpassung oder Neuanschaffung der benötigten Soft- und Hardware erfordern würden. Viele Firmen müssten ihre Geschäftsabläufe anpassen, da für jede Vertragsänderung künftig ein persönlicher Kundenkontakt nötig sein soll. Das eigentliche Ziel, die Strafverfolgung von Prepaid-Nutzern zu erleichtern, seien mit den Gesetzesänderungen dagegen kaum zu erreichen: Vorausbezahlte Handy-Karten würden häufig verschenkt, sodass die Mobilfunkanbieter die "falschen" Daten aufnehmen würden. Zudem sei damit zu rechnen, dass Straftäter auf nicht registrierte Prepaid-Karten aus dem Ausland ausweichen würden. (Stefan Krempl) / (jk)