Karriere machen: "Viel arbeiten hilft beim Aufstieg wenig"

Leistung hilft kaum beim Aufstieg im Berufsleben, soziales Kapital umso mehr. Wer aufsteigen will, sollte wichtige Leute aus der Firma für sich gewinnen.

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(Bild: Dezay/Shutterstock.com)

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Von
  • Peter Ilg
Inhaltsverzeichnis

Als Organisationspsychologe und Buchautor beschäftige sich Professor Dr. Florian Becker von der Technischen Hochschule Rosenheim damit, wer berufliche Karriere macht. Aufsteigen, mehr verdienen: das wollen die meisten Mitarbeitenden! Nach welchen Kriterien aber wählen Manager neue Führungskräfte aus?

Lohnt sich das tägliche Hamsterrad, begünstigt es eine Karriere?

Kontakte sind wichtiger als Leistung, sagt Professor Florian Becker.

(Bild: Jörg Eberl)

Meine Erstsemester sagen überwiegend "Ja". Bei Studenten, die bereits gearbeitet haben, ist es nur noch ein Drittel. Je älter die Menschen sind, umso weiter sinkt der Wert. Manche Professionals meinen, dass es zwischen Leistung und Karriere kaum einen Zusammenhang gibt. Das beruht auf ihrer Lebenserfahrung. Die Überzeugung, dass Leistung die Karriere fördert, ist in dem Ausmaß, in dem Menschen darauf hoffen, falsch. Studien zeigen, dass der Zusammenhang zwischen Leistung und Karriere nur um die zehn Prozent beträgt. Neunzig Prozent der Karriere kommen also woanders her, liegen an anderen Einflüssen.

Warum denken die jungen Leute so?

Sie sind so sozialisiert. Wir lernen das in der Schule und im Studium: Wenn ich meine Aufgaben ordentlich erledige, komme ich weiter. Klasse um Klasse, Semester um Semester. Viele realisieren erst im Laufe ihres Berufslebens, dass es im Job andere Regeln gibt.

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Welche Regeln sind das denn?

Die eigene Leistung ist nur noch ein Faktor von vielen. Um die anderen Kriterien zu erkennen, schauen wir uns in der Wissenschaft die Eigenschaften und das Verhalten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an, wie Geschlecht, Persönlichkeit oder Bildungsniveau und wertet dann aus, wer Karriere macht und wer nicht. Diese Daten ergeben ein klares Bild, was beim Aufstieg hilft und was nicht.

Was dient der Karriere nicht?

Berufserfahrung, Betriebszugehörigkeit, selbst die Höhe des Bildungsabschlusses haben insgesamt nur einen unbedeutenden Einfluss auf die Karriere.

Und was hilft?

Vor allem soziales Kapital aufzubauen! Das ist die Anzahl an Menschen, die ich kenne, die mich kennen und zu denen ich gute Beziehungen habe. Dieses Netzwerk hat einen wesentlichen Einfluss auf meine Beförderung. Auslandserfahrung fördert ebenfalls Karriere. Wo Erfolg ist, sind Karrieren leichter möglich. Und der Erfolg ist immer öfter im Ausland. In China machen etwa Mitarbeiter von BMW leichter Karriere als in München, weil der Automobilbau dort mit zweistelligen Raten wächst. Ebenso positiv dient der Karriere Präsenz am Arbeitsplatz. Anwesenheit wird als Signal gedeutet, dass jemandem die Arbeit wichtig ist, zudem ergeben sich Netzwerkmöglichkeiten. Homeoffice macht Karriere somit schwieriger.

Wie wichtig ist Persönlichkeit für den Aufstieg?

Sehr wichtig. Wir wissen, dass extrovertierte Menschen mit höherer Wahrscheinlichkeit Karriere machen als introvertierte. Sie können besser und schneller Kontakte knüpfen und Netzwerken. Auch Menschen, die emotional stabil sind, die in schwierigen Situationen ruhig bleiben, haben bessere Karrierechancen. Die sind höher als bei solchen Menschen, die unsicher sind oder bei kleinen Anlässen herumschreien und weinen.

Das klingt nach Neandertal, wo nur der Starke überlebt.

Es gibt mehr Biologie und Neandertal in modernen Organisationen als die meisten ahnen. Hormone spielen im Büro eine große Rolle. Männer mit hohen Testosteron- und niedrigen Cortisolspiegeln haben mehr Mitarbeiter unter sich als andere Männer. Das gilt auch für große Personen und Menschen mit tiefer Stimme. Das alles sind Kriterien, die auf einer irrationalen Ebene der Führungskräfteauswahl ablaufen. Das liegt daran, dass in vielen Organisationen Leistung kaum objektiv gemessen wird. Und selbst wenn dies gemacht wird, wirkt sich das auf die Karriere nicht wirklich aus.

Lassen Sie uns weiter über die rationale Ebene reden, über soziales Kapital: Die richtigen Leute zu kennen scheint wesentlich für die Karriere?

So ist es. Wir nennen es das Sponsorenprinzip. Es funktioniert so, dass es mächtige Entscheider gibt, die Führungskräfte auswählen. Mit diesen Leuten muss man sich gutstellen. Schuften alleine reicht nicht.

Wer also für das Unternehmen malocht verliert und wer für sich die Fäden spinnt, gewinnt und steigt auf?

Diese Feststellung trifft weitgehend zu. Es gibt Studien, die zeigen: Führungskräfte, die gute Ergebnisse erreichen, ihre Arbeit voranbringen, machen das auf Kosten der Zeit für Netzwerken. Sie werden überholt von anderen Führungskräften, die sich vor allem um Networking kümmern und sich selbst voranbringen. Das führt letztendlich dazu, dass nicht diejenigen Karriere machen, die der Firma am meisten bringen würden, sondern die sich gekonnt inszenieren. Leistung ist dabei zwar nicht egal, aber nur ein Hygienefaktor. Sie reicht nicht, um Karriere zu machen.

Sie sagten, dort wo Wachstum ist, macht man leichter Karriere. Wachstumsstarke IT-Firmen müssten dann doch prädestiniert dafür sein, um aufzusteigen?

Ja. Wo Wachstum ist, hat die Karriere Rückenwind. In solchen Umgebungen können Fachkräfte schnell aufsteigen. Dennoch: Rückenwind durch Wachstum haben alle in solchen Firmen. Da ist es für einen zusätzlichen Karriereanschub gut, die Spielregeln zu kennen und gezielt soziales Kapital aufzubauen.

Wie kann man so jemanden finden, einen Sponsor für die eigene Karriere?

Es gibt drei Ansätze: Erstens sollte man sich bewusst machen, dass Karriere im Berufsleben eigene Spielregeln hat und Leistung nur einer von vielen Bausteinen ist. Mitunter ist Leistung sogar hinderlich, wenn sie zu viel Zeit kostet. Zweitens hilft Proaktivität. Wer sich im Büro verkriecht, wird vergessen. Es gilt sich und die eigenen Ambitionen zu zeigen, Entscheider anzusprechen. Drittens: Fürs Netzwerk sollte man sich die Leute aussuchen, die wirklich etwas zu sagen haben. Viele Menschen umgeben sich mit schwächeren Personen, weil es ihrem Ego guttut. Das sind die Einäugigen unter den Blinden. Das ist dann keine geeignete Strategie. Umgib dich mit Menschen, die stärker sind als du, das bringt dich voran.

(axk)