Studie: Zufriedenheit mit der digitalen Verwaltung sinkt auf Rekordtief

Nur noch 47 Prozent der Bundesbürger behagt das Online-Angebot ihrer Kommune. Große Infrastrukturprojekte wie der Online-Ausweis zünden noch immer nicht.

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(Bild: Bartolomiej Pietrzyk/Shutterstock.com)

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Das digitale Rathaus und damit verknüpfte Online-Dienste bleiben hierzulande ein Trauerspiel. Die Zufriedenheit der Bürger mit dem aktuell verfügbaren Online-Angebot ihrer Stadt oder Kommune ist in der Zeit der Corona-Pandemie auf ein Allzeittief von 47 Prozent zurückgefallen. Das ist ein Minus von 15 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr. Dies geht aus dem "E-Government-Monitor 2021" hervor, den die von Staat und Wirtschaft getragene Initiative D21gemeinsam mit der TU München am Dienstag veröffentlicht.

Zwar empfinden 66 Prozent die digitale Abwicklung von Behördengängen als Erleichterung gegenüber dem Warten auf dem Amt. 70 Prozent können sich ferner vorstellen, künftig Online-Dienste der Verwaltung zu nutzen. Doch auch die Ansprüche an die Verwaltung steigen: alle abgefragten Kriterien zur Zufriedenheit wurden schlechter bewertet als im Vorjahr. Deutliche Rückgänge betreffen Aspekte wie die Zuverlässigkeit der Systeme, einfache Bedienbarkeit, Aktualität der Inhalte und Angebote sowie die Auffindbarkeit der benötigten Informationen.

Für die repräsentative Studie befragte das Markforschungsinstitut Kantar im Juni über 7800 Online-Nutzer in Deutschland sowie jeweils gut 1000 in Österreich und der Schweiz. Auch in den beiden Alpenländern hat die Zufriedenheit mit dem E-Government im vorigen Jahr deutlich abgenommen. Sie ist dort mit jeweils 66 Prozent aber noch höher als in der Bundesrepublik. Auch in Stadtstaaten hierzulande wie Hamburg und Bremen ist die Resonanz mit je über 56 Prozent überdurchschnittlich. In Tübingen liegt sie dagegen bei nur 40 Prozent.

Die Nutzung digitaler Verwaltungsleistungen verharrt zudem in Deutschland auf mittlerem Niveau: 52 Prozent der Onliner nahmen innerhalb der vergangenen zwölf Monate solche Services in Anspruch, während es 2020 noch 54 Prozent waren. In Österreich und der Schweiz ist die Quote mit 76 beziehungsweise 60 Prozent nach wie vor deutlich größer.

Nur zwei von fünf Bundesbürgern sind der Ansicht, dass während der Pandemie ausreichend Möglichkeiten zur digitalen Abwicklung vorhanden waren. Barrieren wie online nicht verfügbare oder nicht durchgängige digitale Dienste sorgten für Ärger. Die Interaktion mit dem Amt beschränkt sich hierzulande zudem meist auf Online-Terminvereinbarungen von Behördengängen (65 Prozent), die digitale Kommunikation mit Ämtern (52 Prozent) sowie das Herunterladen von Formularen (50 Prozent).

Kaum Fortschritte gibt es beim Einsatz des Nachweises der elektronischen Identität (eID) aus dem "neuen" Personalausweis, der für die Identifizierung gegenüber Behörden und eine durchgängige Servicekette erforderlich ist. 35 Prozent der Befragten mit einem solchen gültigen Dokument haben den Online-Ausweis zwar freigeschaltet. Bislang genutzt haben sie aber nur neun Prozent. Das sind drei Prozentpunkte mehr als im Vorjahr.

Es bestünden hier nach wie vor größere Hürden wie spezielle Geräte und wenig Anwendungsmöglichkeiten, monieren die Herausgeber der Untersuchung. Dabei können seit 2017 auch Android-Smartphones mit NFC-Chip mit der eID ohne speziellen Kartenleser umgehen. Seit Ende 2019 gilt das auch für iPhones. Laut den Verfassern hat aber keine der bisherigen Neuauflagen dazu geführt, "dass der Online-Ausweis sich in der Bevölkerung durchsetzen konnte".

Den Durchbruch erwarten viele mit der beschlossenen Weiterentwicklung, die die eID aufs Smartphone bringen soll. 48 Prozent der Befragten zeigen zumindest Interesse an einer solchen Lösung. Besonders hervor tun sich die unter 30-Jährigen mit 62 Prozent, Personen, die bereits Erfahrungen mit der digitalen Verwaltung gesammelt haben (60 Prozent), sowie Hochgebildete (59 Prozent). Der neue Weg sei nah am Alltag der Bürger und könnte einen echten Nutzungssprung zur Folge haben, meint Helmut Krcmar von der TU München. Leider sei der Handy-Ausweis zunächst aber "nur auf bestimmten Geräten verfügbar und auch nicht ausreichend bekannt".

Daneben haben sich der Studie zufolge die De-Mail und die Behördennummer 115 als Misserfolg erwiesen. Obwohl es letztere schon seit mehr als zehn Jahren gibt, erreiche sie nur wenige Bürger, was sich in sehr niedrigen Werten bei Bekanntheit (31 Prozent) und Nutzung (7 Prozent) zeige. Dabei sollte die Hotline eigentlich erste Anlaufstelle und direkter telefonischer Draht in die Verwaltung sein.

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Die Ergebnisse spiegelten generell wider, "dass die bisherigen digitalen Lösungen nicht bei der Lebensrealität der Menschen ansetzen". Es bedürfe verschiedener Angebote, die explizit etwa auf die Bedürfnisse älterer und jüngerer Menschen zugeschnitten seien. Zeitgemäße durchgängige Online-Vorgänge und Technologien wie Sprachassistenten oder Chatfunktionen seien in der Verwaltung bislang weitestgehend unerschlossen.

Der in vielen anderen Lebensbereichen zu verspürende Digitalisierungsschub durch die Corona-Pandemie bleibe bei Verwaltungsleistungen aus, beklagen die Herausgeber. "Es mangelt an modernen, innovativen Umsetzungen und der Präsenz staatlicher digitaler Angebote im Alltag." Die Bedienungsfreundlichkeit der E-Government-Angebote hinke weit hinter der privatwirtschaftlicher Angebote hinterher.

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"Der Staat darf nicht zur Innovationsbremse werden", lautet ihr Fazit. Ausnahmslos jede Leistung sollte "digital first" gedacht werden, wenn nötig könnten analoge Angebote zusätzlich bereitgestellt werden. Nötig sei es, das Push-Prinzip zu verankern, bei dem der Staat die Bevölkerungsbedürfnisse "mitdenkt".

Dass den Menschen sonstige Online-Erledigungen deutlich leichter fallen als digitale Behördengänge, kommt für den IT-Beauftragten der Bundesregierung, Markus Richter, nicht überraschend: "Wer im Alltag ganz selbstverständlich online einkauft, Bankgeschäfte per App erledigt und per Videosprechstunden den Arzt aufsucht, erwartet zu Recht auch solche niedrigschwelligen Angebote vom Staat." Verbesserungen erhofft er sich auch durch die Einführung des "Once-only"-Prinzips, mit dem Nachweise nur einmal erbracht werden müssen, und der verstärkten Umsetzung des Online-Zugangsgesetzes.

(mho)