Erster Einsatz: Niere vom Schwein in menschlicher Patientin getestet

Eine hirntote Patientin wurde kurzzeitig mit einer Schweineniere verbunden. Der erfolgreiche Test macht Hoffnung, in Zukunft den Organmangel beheben zu können.

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Ferkel, Schweine

(Bild: Gerhard Gellinger, Public Domain (Lizenz Creative Commons CC0))

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Charlotte Jee

Chirurgen haben einem menschlichen Patienten erfolgreich eine Schweineniere eingesetzt und beobachtet, wie sie zu arbeiten begann. Das berichten US-amerikanische Medien. Das Schwein war gentechnisch so verändert worden, dass ein Abstoßen des Organs weniger wahrscheinlich war. Das stellt einen großen Meilenstein dar auf dem Weg, eines Tages tierische Organe für menschliche Transplantationen zu verwenden und so die Wartelisten für Spenderorgane zu verkürzen.

Das Chirurgenteam der NYU Langone Health hatte die Schweineniere außerhalb des Körpers einer hirntoten Empfängerin an den Blutkreislauf angeschlossen und beobachtete sie dann für 54 Stunden. Die Familie der Patienten stimmte dem Experiment zu, bevor die Frau von den lebenserhaltenden Maßnahmen abgesetzt werden sollte. Die Niere von der US-Firma United Therapeutics funktionierte normal: Sie filterte Abfallstoffe und produzierte Urin. Während der kurzen Beobachtungszeit zeigte sie keine Anzeichen einer Abstoßung.

Die Studie wurde im vorigen Monat durchgeführt. Die Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift und das Peer-Review stehen noch aus, berichtet die New York Times. Aber außenstehende Experten sagen, dass das Experiment einen großen Fortschritt darstellt. "Es besteht kein Zweifel, dass dies ein höchst bedeutender Durchbruch ist", sagt Darren K. Griffin, Professor für Genetik an der Universität von Kent, Großbritannien. "Das Forschungsteam war vorsichtig, verwendete eine Patientin, die den Hirntod erlitten hatte, verband die Niere außerhalb des Körpers und überwachte sie nur eine begrenzte Zeit lang. Es liegt also noch ein weiter Weg vor uns und es gibt noch viel zu entdecken", fügte er hinzu.

Auch Dr. Dorry Segev, Professor für Transplantationschirurgie an der Johns Hopkins School of Medicine, der nicht an der Forschung beteiligt war, hält die Studie für eine "große, große Sache", wie er gegenüber der New York Times sagte. Er fügte jedoch hinzu: "Wir müssen mehr über die Langlebigkeit des Organs wissen."

Dr. Joachim Denner, Leiter der Arbeitsgruppe Virussicherheit der Xenotransplantation am Institut für Virologie an der Freien Universität Berlin hebt das sofortige Arbeiten der Schweineniere hervor. Bei transplantierten menschlichen Nieren geschehe das meist viel später. "Wenn auch die Beobachtung der funktionierenden Schweineniere nur 54 Stunden erfolgte, eine Zeit, die viel zu kurz ist, um Aussagen zur immunologischen Abstoßung oder zur möglichen Übertragung von Schweineviren zu treffen, ist dies doch ein weiterer Schritt der Xenotransplantation in die Klinik", so Denner weiter.

In den vergangenen Jahren hat sich die Forschung zunehmend auf das Schwein als vielversprechendsten Weg zur Behebung des Organmangels konzentriert, aber es gab eine Reihe von Hindernissen, vor allem die Tatsache, dass ein Zucker in Schweinezellen eine aggressive Abstoßungsreaktion beim Menschen auslöst.

Die Forscher umgingen dies, indem sie das Spenderschwein genetisch veränderten, um das Gen auszuschalten, das für das Zuckermolekül kodiert, das die Abstoßungsreaktion auslöst. Die gentechnische Veränderung wurde von Revivicor vorgenommen, einem von mehreren Biotech-Unternehmen, die daran arbeiten, Schweineorgane für die Transplantation in Menschen zu entwickeln.

Es besteht ein großer Bedarf an mehr Nieren für Transplantationen. Nach Angaben der National Kidney Foundation warten derzeit mehr als 100.000 Menschen in den USA auf eine Nierentransplantation, jeden Tag sterben 13 von ihnen. In Deutschland standen laut dem Portal organspende-info der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zum Stichtag am 31. Dezember 2020 7.338 Menschen auf der Warteliste für eine Spenderniere, während im Jahr 2020 lediglich 1.909 Nieren transplantiert wurden. Gentechnisch veränderte Schweine könnten für diese Menschen ein entscheidender Rettungsanker sein, wenn der an der NYU Langone getestete Ansatz über einen viel längeren Zeitraum funktioniert.

[21.10.2021, 10:45 Uhr: Hinzufügung eines Zitatgebers. jle]

(jle)