Isar Aerospace: Ein deutscher Raketenbauer will hoch hinaus

In Zukunft könnten Satelliten von deutschen Start-ups befördert werden: Im Gespräch macht Josef Fleischmann klar, dass Isar Aerospace bald ins Weltall will.

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(Bild: Isar Aerospace)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Patrick Klapetz
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„… three, two, one, lift-off…“, diese Ansage könnte bald auch für deutsche Raketenbauer Realität werden. Denn in Deutschland entsteht gerade eine Industrie für kleine Trägerraketen, zu dem auch der Microlauncher-Raketenbauer Isar Aerospace gehört. Mitgründer und COO (Manager für das operative Geschäft), Josef Fleischmann, versichert im Gespräch mit heise online, dass das Start-up gut aufgestellt ist und hoch hinaus will.

Josef Fleischmann

(Bild: Isar Aerospace)

Im Gegensatz zu den Trägerraketen von SpaceX oder den europäischen Ariane-Raketen sind Microlauncher kleinere Raketen. In Deutschland planen derzeit drei Start-Ups (Isar Aerospace, Rocket Factory Augsburg, HyImpulse) und ein eingetragener Verein (Gaia Aerospace) solche Raketen in den Orbit zu transportieren. Länger als 30 Meter sind die Raketen aber nicht. Entsprechend klein fällt auch ihre Fracht aus. Vor allem Cube-Satelliten sollen in Zukunft mit ihnen ins Weltall gelangen.

Eine Startmöglichkeit könnten Plattformen im Meer sein. Die „German Offshore Spaceport Alliance“ (engl. Deutsche Offshore-Raumhafen-Allianz), ein Tochterunternehmen des privaten Bremer Raumfahrtunternehmen OHB SE, arbeitet derzeit an einer Plattform auf einem Schiff, mit deren Hilfe Microlauncher von der Nordsee aus starten könnten. Eine andere Variante könnte am Flughafen Rostock-Laage entstehen: Ein Weltraumflughafen für AirLaunches, wie sie das US-Unternehmen Virgin Orbit durchführt. Die Raketen werden dabei von einem Trägerflugzeuge in eine bestimmte Flughöhe gebracht, abgekapselt und zünden dann horizontal gen Weltraum.

Die zweite Variante wäre nur etwa für Gaia Aerospace. Doch auch die Startplattform in der Nordsee sei für Isar Aerospace nicht interessant, so Fleischmann und führt aus: „Unserer Ansicht nach sprechen zu viele Argumente gegen eine Startplattform in der deutschen Nordsee, sowohl strukturelle und operative als auch wirtschaftliche, da die Launch Operations sehr kostenintensiv wären.“

Anders sehe es mit dem norwegischen Startplatz Andøya aus. Anfang April 2021 habe man einen Vertrag mit Andøya Space geschlossen. „Mit der Vereinbarung haben wir uns den Zugang zu einem exklusiven Launchpad auf der norwegischen Insel Andøya für einen Zeitraum von bis zu 20 Jahren gesichert“, berichtet Fleischmann.Seine weit im Norden liegenden Küstenlage sei ideal für sowohl sonnensynchrone als auch polare Umlaufbahnen.

Das dauert aber noch etwas: „Bisher wurde der Startplatz in Andøya für Höhenforschungsraketen genutzt, er wird allerdings aktuell sehr stark für Isar Aerospace ausgebaut, um in Zukunft auch Orbitalstarts zu ermöglichen.“

Außerdem befindet sich die Spectrum-Rakete noch in der Testphase. Die zweistufige Rakete soll 27 Meter lang sein, zwei Meter Durchmesser habe und bis zu 1000 Kilogramm in den erdnahen Orbit, dem LEO (Low Earth Orbit), befördern. In den sonnensynchronen Orbit, den SSO (Sun-Synchronous Orbit), soll sie bis zu 700 Kilogramm bringen können.

Die Rakete befindet sich aber noch am Boden. Einen ersten Start plant der Raketenbauer für das Jahr 2022. Anschließend gehe es darum, die „Produktion so hochzufahren, dass wir im Jahr etwa fünf bis zehn Starts durchführen können“, sagt Fleischmann. Dass dies eine große Aufgabe sei, ist dem Bayern bewusst: „Dass bei den Tests und unserem ersten Testflug etwas nicht gelingen kann, ist absolut im Rahmen unserer Planungen und Erwartungen, denn in der Entwicklung unserer Trägerrakete ist das Testen einer der wichtigsten Bestandteile, um die Sicherheit und Funktionalität sicherzustellen.“

Kkünstlerische Darstellung des Spectrum-Michrolaunchers

(Bild: Isar Aerospace)

Mit der Spectrum-Rakete möchte das Start-up in Zukunft auch vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou auf Französisch-Guyana aus starten. Doch lohnt sich der Aufwand überhaupt? Laut Fleischmann ja: „Aktuelle Einschätzungen sagen, dass der globale Markt für Space Launch Services bis zum Jahr 2027 voraussichtlich auf über 30 Milliarden Euro ansteigen wird. Davon entfallen allein fast 10 Milliarden Euro auf Startdienste für kleine und mittlere Satelliten.“ Diese Prognose basiert auf den Analysen des Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Allied Market Research AMR und wurde im April 2020 veröffentlicht.

Kunden sieht Fleischmann „von der Automobil- bis zur Telekommunikationsbranche“ weltweit, denn für sie alle „wird der Weltraum zu einer wichtigen technologischen Plattform.“ Je mehr Raketenstarts angeboten werden können, desto günstiger können die Starts werden. Das hat vor allem für Forschungseinrichtungen den Vorteil, dass mehr Wissenschaft im Weltall betrieben werden kann. Wie teuer die Raketenstarts der Spectrum werden sollen, möchte das Unternehmen noch nicht verraten.

An Kunden und Investoren mangelt es Isar Aerospace zumindest nicht. „Mit Airbus Defence and Space haben wir im Frühjahr 2021 unserer ersten Kunden bekannt gegeben“, berichtet Fleischmann und erörtert: „Inzwischen sind aber einige mehr dazugekommen. Einige haben wir bereits öffentlich verkündet, wie zum Beispiel OroraTech, weitere sind aktuell noch vertraulich und werden demnächst folgen.“

Bei OroraTech handelt es sich um ein deutsches Start-up-Unternehmen aus der Luft- und Raumfahrt, das Waldbrände mit Hilfe von Nanosatelliten überwachen will. „Im gesamten Mittelmeerraum werden oft eine Million Hektar Wald- und Buschland im Jahr ein Opfer der Flammen“, heißt es etwa beim WWF.

In dieser Fabrik in Ottobrunn werden die Spectrum-Microlauncher hergestellt.

(Bild: Isar Aerospace)

Neben den zukünftigen Kunden – wenn das Unternehmen dann endlich in den Regelbetrieb übergehen kann – gibt es aber auch Investoren, die an eine erfolgreiche Zukunft von Isar Aerospace glauben. Das Finanzvolumen des Start-ups beläuft sich laut Fleischmann derzeit auf über 180 Millionen US-Dollar (rund 155 Millionen Euro).

Damit sei Isar Aerospace das „bestfinanzierte und am schnellsten wachsenden Space-Start-up in der Europäischen Union.“ Zu den neusten Investoren gehören die Holdinggesellschaft Porsche SE und die Schweizer Privatbank Lombard Odier.

„Die Mittel wollen wir vor allem nutzen, um in unsere Start-, Test- und Fertigungsinfrastruktur zu investieren und sind für die ersten Starts durchfinanziert“, erklärt Fleischmann. Einer der wichtigsten Begleiter und Investoren dürfte Bulent Altan sein. Der hat mehr als elf Jahre für SpaceX gearbeitet und dort unter anderem die Trägerraketen Falcon 1 und Falcon 9 mitentwickelt. Ihn haben die Unternehmensgründer als Studenten beim allerersten Hyperloop-Wettbewerb kennengelernt, den Fleischmanns Team gewinnen konnte. Hinter den Kulissen sei es aber auch um Raketen gegangen.

Denn bereits damals hatten die jungen Männer „kleine Testraketen gestartet und Raketentriebwerke gebaut“, erinnert sich Fleischmann. Damals fragten sie sich: „Warum will die Industrie Raketentriebwerke von Studenten kaufen, können die das nicht selbst? Und uns kam der Gedanke, wenn es einen Bedarf für Raketentriebwerke gibt, dann sicher auch für eine ganze Trägerrakete.“ Das sei die Geburtsstunde von Isar Aerospace gewesen.

(mho)