ADAC Test: Sicherheitsgewinn für Pedelecs und E-Bikes durch ABS?

Massen an E-Bikes, mangelnde Erfahrung, höhere Geschwindigkeiten: 2020 verunglückten etwa 20 Prozent mehr E-Biker tödlich als im Jahr davor. Kann ABS helfen?

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Bei guter Bodenhaftung zeigen sich die Grenzen des Bremsens durch ein abhebendes Hinterrad. Auch das kann ABS verhindern.

(Bild: ÖAMTC/Christian Houdek)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Florian Pillau
Inhaltsverzeichnis

Die Tendenz zu sogenannten "Alleinunfällen" mit E-Bikes und Pedelecs lässt mit dem Megatrend der elektrifizierten Räder die Unfallzahl rapide ansteigen: 43,4 Prozent mehr als 2019 (in Zahlen 1,95 Millionen) Fahrräder mit Elektromotoren wurden 2020 insgesamt verkauft. In diesem Jahr sind etwa 20 Prozent mehr E-Bike-Fahrer tödlich verunglückt als im Jahr davor.

Ein Grund sind die hohen Verzögerungsleistungen der modernen und wegen der höheren Durchschnittsgeschwindigkeiten eigentlich sehr sinnvollen Scheibenbremsen. Anders als beim Auto können blockierende Räder beim Zweirad zu Stürzen führen. Zudem kann durch die dynamische Achslastverlagerung das Hinterrad abheben, mit ähnlichen Folgen. Beides kann ABS verhindern. Motorräder sind daher heute obligatorisch damit ausgerüstet, ihre Fahrer müssen den richtigen Umgang bei der Fahrprüfung nachweisen. Pedelecs hingegen gibt es (noch) rezeptfrei. Kann bei ihnen ein Blockierverhinderer das Problem mildern helfen?

Auch hinten befindet sich ein Drehzahlsensor, gut erkennbar am schwarzen Geberring. Er meldet ein abhebendes Hinterrad. Geregelt wird dann aber nur vorn.

(Bild: ADAC)

Das hat der ADAC anhand eines Bosch eBike ABS an einem Macina Sport ABS von KTM ausprobiert, das, wie der Name schon sagt, serienmäßig mit diesem System ausgerüstet ist. Als weitere Hersteller sind nur noch die von ZF Sachs Micro Mobility und die von BluBrake erhältlich. Beim Test ging es aber nicht um einen Vergleich, sondern darum, die Funktion des immerhin 500 Euro teuren und 800 Gramm schweren Geräts einschätzen zu lernen.

eBike ABS besteht aus einem Steuergerät ("ABS Kontrolleinheit"), einer Kontrollleuchte (integriert in Kiox/Nyon ab Modelljahr 2021), je einem Radgeschwindigkeitssensor an Vorder- und Hinterrad, der Bremse CMe ABS von Magura und entsprechenden Bremsscheiben. Droht das Vorderrad bei zu starker Verzögerung zu blockieren, regelt das System den Bremsdruck so lange herunter, bis es sich wieder dreht. Dann wird der Druck erneut aufgebaut und wieder abgeregelt, sobald erneuter Stillstand droht. Die Energie dafür kommt aus der Traktionsbatterie.

Das Steuergerät am Lenker bezieht seine Energie aus dem Fahrzeugakku.

(Bild: ADAC)

Durch eine hohe Wiederholfrequenz (mehrere Regelvorgänge pro Sekunde) verläuft der Vorgang nicht ruckartig, sondern kontinuierlich. Es wirkt allerdings nur auf das Vorderrad, den hinteren Radsensor benötigt das ABS allein zur Abhebeerkennung. Das kann nötig werden, wenn das Vorderrad bei einer Vollbremsung so viel Haftreibung aufbauen kann, dass sich durch die dynamische Achslastverschiebung genügend Gewicht nach vorn verlagert, um das Hinterrad abzuheben. Auch dann wird der Druck am Vorderrad geregelt, allerdings getriggert vom hinteren Radsensor. Mit dem Bremseingriff wird die Verzögerungsleistung so lange reduziert, bis das Hinterrad wieder Bodenkontakt hat.


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Beiden Funktionen attestiert der ADAC gute Wirksamkeit. "Nur bei einer von ca. 50 ABS-Bremsungen hob das Hinterrad bei niedriger Geschwindigkeit so weit ab, dass sich der Fahrer durch einen seitlichen Ausfallschritt vom Fahrrad in Sicherheit bringen musste." Ein Vorgang, den sich die Techniker weder erklären, noch absichtlich reproduzieren konnten.

Das Steuergerät am Lenker bezieht seine Energie aus dem Fahrzeugakku.

(Bild: ADAC)

Das Fazit lässt das typische Dilemma jedes AB-Systems anklingen, der ADAC schreibt: "Selbst auf griffigem Untergrund mit hohem Potenzial, Bremskräfte zu übertragen, wirkte die Bremse etwas schwach im Vergleich zur Bremse ohne ABS. Es zeichnet sich also ab, dass die Begrenzung der Überschlagtendenzen einen Teil der Wirkung der Bremse einschränkt." Ein gut geübter Fahrer kann unter günstigen Bedingungen eventuell einen kürzeren Bremsweg erreichen. Die Parallele dazu findet sich in der Formel 1, die weiterhin ohne ABS gefahren wird. Dieser kleine Nachteil steht allerdings in keinem Verhältnis zum möglichen Sicherheitsgewinn, schließt der ADAC, nicht ohne auf die recht hohen Kosten hinzuweisen und empfiehlt es ausdrücklich.

Als Tipp schicken die Prüfingenieure des Clubs hinterher: "Besonders sinnvoll erscheint das Pedelec-ABS zudem für Fahrräder mit langem Radstand, niedrigem Schwerpunkt und/oder hohem Gewicht wie z.B. die immer beliebteren Lastenräder." Bei Geradeaus-Bremsungen muss bei solchen Rädern kaum Bremsleistung wegen entlastender Hinterräder abgeregelt werden. Sie verzögern auch mit ABS wirkungsvoller. Eine weitere Empfehlung ist der überwiegende Einsatz des Fahrzeugs "auf unbefestigten, verschmutzten und damit rutschigen Strecken sowie bei allen Witterungen also auch bei Niederschlägen und niedrigen Temperaturen".

(fpi)