Warum die US-Impfdaten für eine COVID-Immunisierung von Kindern sprechen​

Die Zulassung der Biontech-Pfizer-Vakzine für 5- bis 11-Jährige wird diese Woche erwartet. Ihre Immunisierung könnte den Pandemieverlauf in den USA verändern.​

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(Bild: M-Foto/Shutterstock.com)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Bobbie Johnson
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Am 26. Oktober hat ein Expertengremium der US-Zulassungsbehörde FDA empfohlen, den von BioNTech und Pfizer entwickelten Covid-Impfstoff für 5- bis 11-Jährige zuzulassen. Nun liegt die Entscheidung beim Impfbeirat der Zentren für Krankheitskontrolle und -prävention (CDC), der diese Woche zusammentritt.

Gibt auch dieses Gremium grünes Licht, könnten laut Anthony Fauci, dem Leiter des Nationalen Institut für Allergien und Infektionskrankheiten (NIAID), Anfang November das Impfen von Millionen Kindern beginnen. Die meisten könnten bis zu den Weihnachtsferien vollständig immunisiert sein.

Nicht alle Länder gehen den gleichen Weg wie die USA: Einige wie Großbritannien setzen auf Einzeldosen für 12- bis 15-Jährige. Grund dafür ist die Sorge über Herzmuskelentzündungen, die in seltenen Fällen nach der zweiten BioNTech-Pfizer-Impfung – hauptsächlich bei männlichen Jugendlichen – aufgetreten sind. Andere Länder halten die Impfungen für Kinder bisher ganz zurück.

Wenn es stimmt, dass jüngere Kinder ein viel geringeres Risiko haben, an COVID-19 zu erkranken, ist es dann wirklich notwendig, sie zu impfen? Was sind die Vorteile für das einzelne Kind und worin bestehen sie für die Gesellschaft im Allgemeinen?

"Das Wichtigste ist, dass die Messlatte sehr hoch liegt, wenn wir Menschen, die im Allgemeinen gesund sind, und Kindern, die im Allgemeinen gesund sind, einen Impfstoff verabreichen", sagt Kinderarzt Dean Blumberg, der an der University of California Davis auf Infektionskrankheiten spezialisiert ist. "Es muss eindeutig ein Nutzen für das einzelne Kind bestehen."

Aus diesem Grund wägen die Gremien eine Reihe komplizierter Faktoren ab. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Kind mit SARS-Cov-2 infiziert? Wie viel Schutz bietet ein Impfstoff? Welche Symptome und Komplikationen können bei Kindern auftreten, wenn sie geimpft werden? Unter Berücksichtigung all dieser Fragen, so Blumberg, "überwiegt der Nutzen für diese Altersgruppe eindeutig die Risiken".

Tatsächlich haben die Studiendaten und -analysen gezeigt, dass die Impfung von Kindern in fast allen Fällen schwere Infektionen und Todesfälle verhindern kann, und das bei sehr geringem Risiko. Im Rahmen einer Pfizer-Studie, die im März 2021 begann, wurden zwei Drittel von 2.250 Kindern mit zwei echten Impfdosen geimpft, während die anderen ein Placebo erhielten. Die Impfungen wurden im Abstand von 21 Tagen verabreicht, und zwar in einer geringeren Dosierung als bei älteren Menschen, nämlich ein Drittel der Impfstoffmenge.

Im Rahmen der Studie erkrankten drei geimpfte Kinder an COVID-19, während es in der Placebogruppe 16 Fälle gab. Das entspricht einer Wirksamkeit von knapp 91 Prozent. Die Nebenwirkungen waren typisch und meist leicht. Die bei Jugendlichen beobachtete Herzentzündung, die als sehr seltene Nebenwirkung, in den meisten Fallen als gut behandelbar und gut abheilend gilt, trat kein einziges Mal auf. Allerdings war die Stichprobe mit 2.300 Kinder auch zu klein, um festzustellen, ob es in seltenen Fallen nicht doch dazu kommen kann.

Der zweite mRNA-Impfstoffhersteller Moderna teilte letzte Woche mit, dass seine Studien mit Kindern unter 12 Jahren ebenfalls gute Ergebnisse zeigen. Hier erhielten die Impflinge zwei Spritzen mit der halben Erwachsenendosis im Abstand von 28 Tagen. Dieser Impfstoff wird bei der FDA-Sitzung allerdings noch nicht zur Diskussion stehen, weil Moderna noch keinen Zulassungsantrag gestellt hat.

Unterm Strich haben diese Studien gezeigt, dass Impfungen die Wahrscheinlichkeit einer symptomatischen COVID-19-Infektion und eines Krankenhausaufenthalts bei Kindern ähnlich gut wie bei Erwachsenen senken – und das bisher ohne nennenswerte Komplikationen. Bei der Impfung geht es jedoch nicht nur um den individuellen Nutzen, auch wenn dieser natürlich wichtig ist. Auf einer breiteren Ebene kann die Impfung von Kindern Auswirkungen auf den Verlauf der Pandemie selbst haben, sagt Maimuna Majumder vom Boston Children's Hospital und der Harvard Medical School.

"Was Kinder im Schulalter – insbesondere jüngere Kinder – einzigartig macht, ist nicht nur die Anzahl ihrer Kontakte pro Tag, sondern auch die Heterogenität der Altersgruppen unter diesen Kontakten", so die Wissenschaftlerin, die auf dem Gebiet der computergestützten Epidemiologie forscht. Die Kinder interagierten nicht nur "mit Gleichaltrigen in der Schule und bei außerschulischen Aktivitäten, sondern auch mit älteren Erziehern und Betreuern sowie mit ihren Familien". Deshalb "erwarten wir, dass eine weit verbreitete Impfung von Kindern im jüngeren Schulalter dazu beitragen würde, die Übertragung in den kommenden Monaten einzudämmen."

Denn Impfungen verhindern nicht nur die meisten Krankenhausaufenthalte aufgrund von COVID-19, sie verlangsamen auch die Ausbreitung der Krankheit. Studien in Israel und den USA deuten darauf hin, dass die Impfung die Viruslast von Erkrankten verringert, was wiederum die Übertragung reduziert.

Das ist wichtig, weil laut einer Studie im Fachjournal Nature 13 Prozent der dokumentierten Covid-Fälle auf Kinder und Jugendliche entfallen. Die Altersgruppe der 5 bis 11-Jährigen ist mit etwa 28 Millionen Kindern die größte verbleibende Gruppe ungeimpfter Menschen in den USA. Das sind immerhin acht Prozent der Gesamtbevölkerung. Würden sie alle geimpft, könnte die Gesamtimpfquote in den USA von 58 auf 66 Prozent erhöht werden und das Land einer möglichen Herdenimmunität näher kommen.