BASE-Chef sieht Investitionen in Atomkraft als Gefahr für die Erneuerbaren

Der Leiter des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung warnt davor, die Atomkraft als nachhaltig zu sehen, wie es die EU-Kommission tun könnte.

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Behälter für radioaktive Abfälle.

(Bild: base.bund.de)

Lesezeit: 4 Min.

Die EU-Kommission arbeitet an einer Verordnung, durch die Atomkraft im Sinne des Klimaschutzes als förderungswürdig eingestuft werden könnte. Wolfram König, Leiter des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), sieht die Gefahr, dass benötigte Innovationen und Investitionen in erneuerbare Energien nicht so umfangreich getätigt würden, wenn auch auf die Atomkraft gesetzt werde. Das würde es erschweren, Erfolg versprechende Wege zur Klimaneutralität zu gehen, sagte König dem RND.

"Wir sollten uns daran erinnern, warum Deutschland seine Atomkraftwerke schließt: Die eingesetzten Stoffe gefährden die Gesundheit und die Sicherheit einer Gesellschaft, und für die entstehenden strahlenden Abfälle hat unsere Generation selbst nach Jahrzehnten der Nutzung noch keine Lösung parat", sagte König, dessen Amt maßgeblich an der Suche nach einem Atomabfall-Endlager in Deutschland beteiligt ist. Die hochgefährlichen atomaren Hinterlassenschaften würden Generationen beschäftigen.

EU-Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen sagte im Oktober anlässlich des G20-Treffens und der Weltklimakonferenz, Solar- und Windenergie seien der richtige Weg, es würden aber auch stabile Energiequellen benötigt, die Atomenergie und – während einer Übergangszeit – auch Erdgas. Das werde in dem geplanten Vorschlag für eine Verordnung berücksichtigt. Insbesondere Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wirbt für den Erhalt und den Ausbau der Atomkraft.

König hält dem entgegen, Strom aus Atomkraft zu erzeugen sei nur durch Subventionen wirtschaftlich. Frankreich gehe es darum, ökonomische Bedingungen herzustellen, um konkurrenzfähig zu bleiben. In den Herstellungskosten seien die Erneuerbaren weitaus günstiger und wirklich nachhaltig. Die von Macron propagierten "Mini-AKW" seien alter Wein in neuen Schläuchen, es würden davon Tausende gebraucht, um allein die bestehenden Atomkraftwerke zu ersetzen. "Radioaktive Stoffe werden im Land verteilt, die Abfallmengen werden vergrößert und auch die Frage des Schutzes gegen terroristische Absichten stellt sich verschärft."

Die Folgen der Atomenergie seien "ökologisch, sozial und ökonomisch so groß, dass diese Energieform aus meiner Sicht nicht als nachhaltig gelten kann", sagte König. Weltweit habe noch niemand eine schlüssige und vor allem sichere Lösung für die nuklearen Abfälle gefunden.

"Wer die Atomkraft wieder ins Spiel bringt, muss sich bewusst sein, dass der in der Bundesrepublik befriedete Großkonflikt wieder neu eröffnet werden könnte", gibt König zu denken. Es gebe nicht eine Wahrheit, die für die Ewigkeit definiert werden könne, aus fachlicher Sicht seien ihm bislang keine Argumente bekannt, die zu einer Neubewertung der Atomkraft führen könnten. "Der Glaube, dass wir durch Technik einfach weiterhin unseren Lebensstil beibehalten können, führt in die Irre."

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Eine technische Experten-Gruppe der EU-Kommission kam 2020 zu der Auffassung, dass eine Entscheidung zugunsten der Nutzung von Atomkraft als Teil der Taxonomie nicht zu treffen sei. Daraufhin wurde das Joint Research Center (JRC) der EU mit einer Bewertung der Atomenergie beauftragt. Das JRC meinte daraufhin, Atomkraft erfülle alle Kriterien des Prinzips 'do no significant harm'. Das BASE kritisiert dieses Ergebnis in einer Fachstellungnahme (PDF). Das JRC habe die Gefahr schwerer Unfälle und die ungelöste Endlager- und Entsorgungsproblematik kaum berücksichtigt. Zudem habe es die Folgelasten für kommende Generationen ungenügend betrachtet.

Das BASE ist seit 2014 zuständig für die Suche nach einem Endlager für hoch radioaktive Abfälle aus Atomkraftwerken. Es soll unterirdisch in Salz, Ton oder Kristallin, also vor allem Granit, entstehen. 2031 soll der am besten geeignete Standort gefunden sein, der Bundestag darüber entscheiden. Ab 2050 sollen Behälter mit strahlendem Abfall unterirdisch eingelagert werden. Voriges Jahr wurden zunächst grob 54 Prozent des Bundesgebiets als für ein Endlager geeignet ausgewiesen.

(anw)