EU-Digitalindex: IT-Fachkräftemangel bremst die Digitalisierung

Alle EU-Staaten machen in der digitalen Wirtschaft und Gesellschaft Fortschritte. 55 Prozent der Firmen finden nicht genügend IT-Spezialisten.

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(Bild: kb-photodesign/Shutterstock.com)

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Die EU-Kommission hat am Freitag die Ergebnisse ihres Barometers für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft 2021 veröffentlicht. Laut der neuen Ausgabe des Digital Economy and Society Index (DESI) haben im vergangenen Jahr alle Mitgliedsstaaten in den Bereichen Humankapital, Breitbandanbindung, Integration digitaler Technik in Unternehmen und digitale öffentliche Dienste Fortschritte erzielt. Es werden neben einer anhaltenden digitalen Spaltung insbesondere zwischen den skandinavischen Staaten an der Spitze sowie den Schlusslichtern Bulgarien und Rumänien aber auch einige durchgehende Problemfelder sichtbar.

Fachkräftemangel
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Im Durchschnitt verfügen 56 Prozent der Menschen in der EU über mindestens grundlegende digitale Kompetenzen und können etwa Suchmaschinen rudimentär bedienen. Die Zahl der angestellten Fachkräfte im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) stieg 2020 leicht von 7,8 auf 8,4 Millionen.

Den vergleichsweise langsamen digitalen Umbau der Unternehmen in vielen EU-Ländern führt die Kommission laut der Untersuchung (PDF-Datei) aber auch "auf einen Mangel an Beschäftigten mit fortgeschrittenen digitalen Kompetenzen" zurück. So klagten 55 Prozent der Firmen über Schwierigkeiten bei der Einstellung von IT-Spezialisten.

Aus den Daten geht laut der Brüsseler Regierungsinstitution klar hervor, "dass die Ausbildungsangebote und Berufsmöglichkeiten verbessert werden müssen". Sonst seien die Ziele der von ihr ausgerufenen "digitalen Dekade" auf diesem Feld nicht erreichbar. Der Initiative zufolge sollen bis 2030 80 Prozent der Bevölkerung grundlegende digitale Fertigkeiten haben und die Zahl der Fachkräfte im IKT-Bereich in Europa auf 20 Millionen anwachsen.

Erhebliche Verbesserungen erhofft sich die Kommission hier, da nach den bislang vom Ministerrat angenommenen Aufbau- und Resilienzplänen 17 Prozent der Investitionen im digitalen Bereich für den Ausbau einschlägiger Fertigkeiten bestimmt seien. Dies entspreche 20 Milliarden Euro.

Der parallel veröffentlichte Fortschrittsanzeiger für Frauen im Digitalen belegt, dass bei den digitalen Fachkompetenzen nach wie vor ein erhebliches geschlechtsspezifisches Gefälle besteht. Nur 19 Prozent der IT-Fachkräfte und nur etwa ein Drittel der Absolventen der Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik (MINT) sind weiblich.

Die Herausforderungen in diesem Sektor plagen auch Deutschland. Die Bundesrepublik landet in der Indexrangliste – wieder einmal – im Mittelfeld auf Platz elf, nachdem sie es zuvor schon auf die Position 9 geschafft hatte. Im Bereich Humankapital schneidet Deutschland bei fast allen Indikatoren – mit Ausnahme des Anteils weiblicher IT-Fachkräfte – im EU-Vergleich zwar überdurchschnittlich gut ab. Mindestens grundlegende digitale Kompetenzen sind weit verbreitet.

Doch der Mangel an Spezialisten besteht hierzulande weiter. Er beeinflusst dem Landesbericht (PDF-Datei) zufolge auch die Integration der Digitaltechnik durch Unternehmen: Weniger als ein Drittel der Firmen (29 Prozent) tauscht Informationen auf elektronischem Wege aus. Zudem stellen nur 18 Prozent der mittelständischen Betriebe elektronische Rechnungen aus. Bei beiden Indikatoren konnte Deutschland in den vergangenen Jahren kaum aufholen.

Die Statistiken zur Konnektivität zeigen EU-weit Verbesserungen bei den "Netzen mit sehr hoher Kapazität". Solche Anschlüsse im Gigabit-Bereich sind jetzt für 59 Prozent der Haushalte verfügbar, gegenüber 50 Prozent im Jahr davor. Die Kommission peilt eine flächendeckende Versorgung mit Gigabit-Netzen für 2030 an. Die Abdeckung ländlicher Gebiete stieg in diesem Bandbreitenbereich von 22 Prozent im Jahr 2019 auf 28 Prozent im Jahr 2020. Außerdem haben nun 25 Mitgliedstaaten 5G-Frequenzen zugeteilt, während es im Vorjahr erst 16 waren.

Deutschland erzielt beim Breitbandausbau relativ gute Ergebnisse, obwohl dieser laut der Analyse von Engpässen bei Planungs- und Baukapazitäten beeinträchtigt wird und "nach wie vor eine digitale Kluft zwischen ländlichen und städtischen Gebieten besteht". Bei der 5G-Bereitschaft ist das Land einer der Spitzenreiter, bei der allgemeinen Breitbandnutzung übers Festnetz steht es EU-weit an zweiter Stelle. Obwohl sich die Gigabit-Abdeckung von 33 auf 55,9 Prozent erhöht hatte, liegt sie weiter unter dem EU-Durchschnitt. Nach aktuellen Schätzungen sollen Ende 2021 rund 66 Prozent der deutschen Haushalte gigabitfähige Netze zur Verfügung stehen.

Trotz der Corona-Lockdowns hat sich beim E-Government noch wenig getan. Im ersten Jahr der Pandemie haben aber zumindest "mehrere Mitgliedstaaten digitale Plattformen auf- oder ausgebaut", um mehr Behördendienste online anzubieten. Laut den Resultaten für Deutschland müssen Bund und Länder hier vor allem daran arbeiten, die Interoperabilität der bereitgestellten Services für digitale Rathäuser sicherzustellen. Laut einer hiesigen Studie ist die Zufriedenheit mit der digitalen Verwaltung auf ein Rekordtief gesunken.

Grundlage für den jährlich erstellten DESI-Index sind Daten, die von Statistikamt Eurostat sowie aus Fachstudien und speziellen Erhebungen stammen. Ergänzend hat die Kommission die Ergebnisse einer Umfrage zum Beitrag der IKT zu den Bemühungen der Wirtschaft um ökologische Nachhaltigkeit publiziert. 66 Prozent der befragten Unternehmen setzen demnach auf solche technischen Lösungen, um ihren ökologischen Fußabdruck zu verringern.

(tiw)