Gefahr für ISS durch russischen Satellitenabschuss: Kritik auch aus Deutschland

Auch die Bundesregierung hat den russischen Test einer Anti-Satellitenrakete mit scharfen Worten kritisiert. Über Russlands Motive wird derweil spekuliert.

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(Bild: Dotted Yeti/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.

Die Bundesregierung hat den russischen Test einer Anti-Satellitenrakete als "unverantwortliches Verhalten" kritisiert, das ein "hohes Risiko für Fehleinschätzungen und Eskalation" berge. Das dabei entstandene Trümmerfeld könne die "freie und ungehinderte Nutzung des Weltraums für alle Staaten für Jahre beeinträchtigen", erklärte das Auswärtige Amt inzwischen. Außerdem werde die Besatzung der Internationalen Raumstation dadurch zusätzlichen Risiken ausgesetzt. Auch die EU-Kommission hat den Test "aufs Schärfste" verurteilt. Laut dem unter anderem für die Satellitenprogramme Galileo und Copernicus zuständigen EU-Kommissar Thierry Breton, seien die Trümmer dafür und für Satelliten der Mitgliedstaaten eine Gefahr. Auch Europas Raumfahrtindustrie zeigte sich alarmiert.

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Russland hat den Test inzwischen eingestanden, nennt die Kritik vor allem aus den USA aber eine "Heuchelei". Das Land hatte am Montag eine bodengestützte Rakete abgeschossen und den inaktiven sowjetischen Satelliten Kosmos 1408 zerstört. Bei dem offenbar erfolgreichen Test einer Anti-Satellitenwaffe wurden laut US-Regierung mindestens 1500 identifizierbare Trümmer erschaffen, erwartet werden demnach Hunderttausende auch kleinste Teile, die andere Satelliten im niedrigen Erdorbit gefährden.

Damit ist bei dem Abschuss mehr Weltraumschrott entstanden, als bei allen bisherigen Tests zusammen, wie aus Zahlen der Secure World Foundation hervorgeht. Bislang gab es vier bodengestützte Abschusstests (von China, den USA, Indien und nun Russland), und Dutzende aus der Luft oder dem All. Die mit Abstand meisten Tests hatten demnach die Sowjetunion und die USA während des Kalten Kriegs durchgeführt, die weitaus meisten davon ohne einen Treffer. Schon angesichts früherer Tests hatten Experten darauf hingewiesen, dass sich die USA lange geweigert hatte, über Verbote solcher Tests zu verhandeln, vor allem aus Angst um eigene Programme.

Anti-Satellitenwaffen (ASAT) sollen im Orbit befindliche Satelliten zerstören oder unschädlich machen. Das funktioniert beispielsweise durch kinetische Angriffe, bei denen Projektile mit großer Geschwindigkeit auf Satelliten gefeuert werden. Wegen der hohen Energien, die bei solchen Kollisionen auftreten, lässt sich schwer vorhersagen, auf was für Bahnen die dabei entstehenden Trümmer landen. Erst vor wenigen Wochen hatten deswegen Dutzende Expertinnen und Experten die Vereinten Nationen aufgefordert, Tests von kinetischen Anti-Satellitenwaffen zu verbieten. Denn wenn auch nur ein Trümmerteil nach solch einem Test – oder einem gezielten Angriff – einen anderen Satelliten trifft, droht ein Schneeballeffekt, durch den letztlich ganze Bahnen leer geräumt werden könnten. Für die ISS als größtes Objekt im niedrigen Erdorbit ist die Gefahr ungleich größer.

Der nun erfolgte russische Test wird die Sorgen über die Zustände im Erdorbit weiter erhöhen. Über die Beweggründe Russlands für den Test wird in den USA noch spekuliert, berichtet ArsTechnica. Vorstellbar sei demnach, dass der Abschuss vom russischen Militär vorbereitet und durchgeführt wurde, ohne die zivilen Raumfahrtpartner zu konsultieren. Die Raumfahrtagentur Roskosmos hatte am Montag lediglich mit einem nichtssagenden Statement reagiert und war gar nicht auf den Abschuss eingegangen. Einer anderen Theorie zufolge könnte sich Russland angesichts des wachsenden Rückstands auf die USA und China in der Raumfahrt für eine Strategie der verbrannten Erde entschieden haben und den Erdorbit für alle Nationen nicht nutzbar machen wollen.

(mho)