Büro vs. Homeoffice: Wie hybrid wird die Zukunft?

Corona hat beschleunigt, was wegen der Digitalisierung abzusehen war: Das Büro ist überall. Angestellte begrüßen das, Führungskräfte wünschen sich mehr Präsenz.

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(Bild: epixproductions/Shutterstock.com)

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Von
  • Peter Ilg
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Manches wird nach Corona nicht mehr wie es vorher war. So wird Arbeit wohl künftig an unterschiedlichen Orten stattfinden. Zu Hause, von unterwegs oder an irgendeinem Platz in der Firma. "Die Zukunft sind hybride Arbeitsmodelle", sagt Niclas Schaper, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Paderborn. Die Zukunft ist teilweise schon Gegenwart. Nicht allein wegen Corona, sondern auch aufgrund der Digitalisierung in den Unternehmen. Dieses Duo hat Bewegung in neue Arbeitsorganisationen gebracht.

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Eine Vielzahl aktueller Studie belegt diesen Trend wechselnder Arbeitsorte. Laut einer Studie von Softgarden, Anbieter von Recruiting Software, wünschen sich das 81 Prozent der Beschäftigten. Nur 10 Prozent wollten demnach vollständig zurück ins Büro und 8 Prozent möchten ausschließlich im Homeoffice bleiben. "Die Unternehmen sollten hybriden Arbeitsplatzlösungen anbieten, weil sie der Flexibilität ihrer Mitarbeiter sowie deren Verfügbarkeit und Produktivität erhöht", sagt Schaper. Den Mitarbeitenden liege daran, mit ein, zwei Tagen pro Woche Homeoffice ihre Autonomie und Flexibilität zu bewahren, die sie durch coronabedingte Heimarbeit gewonnen und schätzen gelernt haben.

Autonomie sei in hohem Maße als Arbeitsplatzmerkmal erforscht. "Daher wissen wir, dass Eigenständigkeit aus arbeitspsychologischer Sicht Vorteile bringt", sagt Schaper. Möglichkeiten zur Selbstorganisation machten die Mitarbeitenden zufriedener und sie können ihre Fähigkeiten besser nutzen, wenn sie ihre Aufgaben selbst planen, regeln und steuern können. Davon profitierten auch ihre Arbeitgeber.

Der Nachteil ist, dass nicht alle fürs Selbstmanagement geeignet sind. "Manche überfordern sich, weil sie sich keine Grenzen setzen, andere verzetteln sich, weil sie ihre Arbeit nicht strukturieren", sagt Schaper. In anderen Zusammenhängen kann die Abgrenzung zwischen Privat und Arbeit zu Hause räumlich schwierig sein und wieder andere laufen Gefahr gesteigerter Verfügbarkeit rund um die Uhr. Hybride Arbeitszeitmodelle sieht Schaper als die ideale Lösung, weil sie allen Bedürfnissen gerecht werde. Diese Arbeitsform lässt es zu, viel oder wenig zu Haus oder im Büro zu sein. Somit lässt sich Persönlichkeit ausgleichen.

Aber ist es gerecht, wenn die einen hybrid arbeiten dürfen und die anderen nicht, weil es ihre Tätigkeit in der Produktion nicht zulässt? "Digitalisierung und Hybridisierung haben die Schere der Ungerechtigkeit zwischen den Beschäftigten weiter – und zwar deutlich – geöffnet", sagt Schaper. Das führe zwar zu unterschiedlichen Regelungen von Arbeitszeit und -ort bei verschiedenen Beschäftigtengruppen, was aber wenig dramatisch sei: Personen würden sich mit anderen Personen vergleichen, die ähnliche Tätigkeiten haben.

Der Maschinenführer wird sich also nicht mit einem Softwareentwickler messen. Konflikte aufgrund von Ungerechtigkeiten sollten somit kaum entstehen und falls der eine Entwickler hybrid arbeiten darf, der andere nicht, dann sind die Vorgesetzten gefordert, solche Entscheidungen transparent und sachlich zu rechtfertigen.

Überhaupt sind Führungskräfte am stärksten betroffen von hybriden Arbeitsmodellen, weil sie die meiste Arbeit damit haben: Sie müssen die neuen Arbeitsabläufe entwickeln, für eine zuverlässige Infrastruktur und sicheren Datenschutz sorgen und dies organisieren. Das sind zusätzliche Aufgaben neben der Mitarbeiterführung, die bislang überwiegend in Präsenz ausgeführt wird. Wie sie künftig partiell remote führen sollen, scheint vielen nicht klar.

Laut einer Studie von Slack, einem Anbieter von Kommunikationssoftware für Gruppen, können sich Führungskräfte dreimal häufiger als Angestellte eine regelmäßige Rückkehr ins Büro vorstellen. Gut zwei Drittel der befragten Führungskräfte möchten sogar die meiste oder ganze Zeit im Büro arbeiten. Die Diskrepanz zwischen Führungskräften und Büroangestellten hinsichtlich hybrider Arbeitsformen ist riesig.

Das ist ein neues Phänomen, deshalb kann Schaper nur vermuten, woran das liegt. "Wenn die Organisations- und Führungskultur in Unternehmen Präsenz voraussetzt und Kontrolle ausgeübt wird, dann wollen Führungskräfte ihre Mitarbeitenden in der Firma haben und sie müssen auch selbst dort sein, um ihre Aufgaben zu erfüllen." In einer Vertrauenskultur ist es hingegen einfacher, hybride Arbeitsformen umzusetzen.

Nach einer Studie des Ifo-Instituts könnten 56 Prozent der Beschäftigten in Deutschland zeitweise von zu Hause arbeiten. Vor der Corona-Pandemie wurde nur etwa die Hälfte dieses Potenzials ausgenutzt. Inzwischen ist ein Trend entstanden, der zu immer mehr hybriden Arbeitsplätzen führt.

In der d.velop AG, einem Softwareunternehmen für ortsunabhängiges Arbeiten, haben alle 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Sommer 2021 einen Mobile Office Vertrag unterschrieben. "Das bedeutet, dass jeder bei uns stets frei wählen darf, ob er auf unserem Campus, zu Hause oder unterwegs arbeitet", sagt Juliana Kortmann, Director People and Culture. Dem Technologieunternehmen fiel der Wechsel ins Homeoffice und anschließend in die hybride Welt wesentlich leichter als etwa einem produzierenden Gewerbe. Zudem trieb d.velop die hybride Arbeitsweisen mit großer Konsequenz voran.

Gegenseitiges Vertrauen ist für hybride Arbeitsorganisation grundlegend. Bei d.velop herrscht Vertrauensarbeitszeit und es wird in kleinen, agilen und selbstorganisierten Teams gearbeitet. "Wie Selbstorganisation geht, haben wir gemeinsam mit unseren Mitarbeitenden in unzähligen Workshops erarbeitet", sagt Kortmann. Anstelle von klassischen Vorgesetzten gibt es sogenannte Leader. Das solle keine Vorgesetzten sein, die Anweisungen geben, sondern Coaches in den Teams.

Beide Entscheidungen – Selbstorganisation und hybrides Arbeiten – seien goldrichtig gewesen und ergänzten sich in ihrer Organisationsform gegenseitig, so Kortmann. "Die Mitarbeitenden sind mit den hybriden Modellen zufrieden und die Produktivität ist in selbstbestimmten Teams höher als in klassischen Hierarchien." Der Umsatz von d.velop stieg 2020 gegenüber dem Vorjahr um 17,7 Prozent – vielleicht nur ein Pandemie-Effekt, vielleicht aber auch ein Ergebnis der hybriden Arbeitskultur.

Gut möglich, dass auch zahlreiche andere Firmen erkennen, dass ihre klassischen Arbeits- und Organisationsformen nicht mehr in eine agile Welt passen. Und wer diesen Trend verpasst, dem laufen dann die Mitarbeitenden davon – allen voran die IT-Profis. Denn die finden meist leicht einen anderen Job nach ihren Vorstellungen.

(axk)