Russischer Satellitenabschuss: Weniger Trümmer als erwartet, Ablauf anders

Die Zahl der entdeckten Trümmer des abgeschossenen Satelliten Kosmos 1408 stagniert. Womöglich wurde er nicht mit "Hypergeschwindigkeit" getroffen.

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(Bild: Dotted Yeti/Shutterstock.com)

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Der russische Test einer Anti-Satellitenrakete, durch den unter anderem die Internationale Raumstation ISS in Gefahr gebracht wurde, hat sich womöglich anders zugetragen als angenommen. Das hat die US-Firma LeoLabs geschlussfolgert, die für Satellitenbetreiber den niedrigen Erdorbit kartiert.

LeoLabs war vergangene Woche davon ausgegangen, dass die Zahl der entdeckten Trümmer rasch stark anwachsen werde, stattdessen stagniere sie aber zwischen 250 und 300. Wenn bei dem Abschuss des sowjetischen Satelliten Kosmos 1408 aber keine gigantische Zahl neuer Trümmer entstanden ist, gebe es dafür eine einfache Erklärung: Der Abschuss erfolgte gar nicht mit Hypergeschwindigkeit. Sollte das der Fall sein, habe Russland weniger verantwortungslos gehandelt als angenommen; gleichzeitig seien die Folgen trotzdem gefährlich, aber in anderer Form.

Wie LeoLabs nun einräumt, war man anfangs allgemein von einem Abschuss mit Hypgerschwindigkeit ausgegangen, vor allem weil andere im Erdorbit sehr selten auftreten und frühere Tests solcher Waffen so erfolgt seien. Von "Hypergeschwindigkeit" spricht man demnach bei Kollisionen, bei denen beide Teile mit mehr als 6 Kilometer pro Sekunde (21.600 km/h) aufeinandertreffen.

Die Unterschiede zwischen Kollisionen mit Hypergeschwindigkeit und solchen ohne sind demnach aber groß. So entstehen nur bei ersteren "sehr große" Trümmerwolken, während die Überreste einer langsameren Kollision stärker an Überreste eines Verkehrsunfalls erinnern. Die seien größer, hängen stark vom Aufbau der ursprünglichen Gefährte ab und ihre Bahnen ließen Rückschlüsse auf den Ablauf der Kollision zu. Neben der vergleichsweise geringen Trümmerzahl habe dieser Punkt bei der Analyse geholfen.

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Vor LeoLabs hatte schon der Astronom Jonathan McDowell darauf hingewiesen, dass die entdeckten Trümmer vor allem in höhere Orbits geschleudert worden waren. Genauso wie die "moderate" Trümmerzahl weise das auf einen Abschuss hin, bei dem der Satellit von hinten mit vergleichsweise geringer Geschwindigkeit getroffen wurde. Dabei wären dann weniger Trümmer entstanden, als vergangene Woche befürchtet. Gleichzeitig sind die so entstandenen Überreste größer – bei künftigen Kollisionen also gefährlicher – und würden länger im Orbit bleiben. Die US-Firma geht demnach davon aus, dass Russland zwar mit einer geringeren Zahl an Trümmern gerechnet habe, aber es zumindest nicht so viele sind, wie vom Rest der Welt befürchtet. Außerdem wäre die Zahl nicht von der Erde zu findender, kleiner und dadurch gefährlicher Objekte wohl deutlich geringer.

An der grundsätzlichen Kritik an Russlands Vorgehen ändert das weder für LeoLabs noch für McDowell etwas, auch wenn sie teilweise etwas weniger scharf ausfällt. Es könnte aber erklären, warum sich russische Vertreter so überzeugt gaben, dass der Abschuss keine Gefahr für die ISS dargestellt habe.

Russland Land hatte vergangenen Montag eine bodengestützte Rakete abgeschossen und den inaktiven sowjetischen Satelliten zerstört. Dabei entstanden jede Menge Trümmer, die auch der Bahn der ISS nahe kamen, weswegen die Besatzung eine mögliche Evakuierung vorbereitete. Sollte ein Trümmerstück mit der ISS kollidieren, könnte das die Station schwer beschädigen oder zerstören. Auch beim US-Militär war man davon ausgegangen, dass Hunderttausende gefährliche Trümmerstücke entstanden sund. International gab es Kritik, Russland hatte US-Vorwürfe als "Heuchelei" zurückgewiesen.

(mho)