NASA-Sonde Dart: "Größere Asteroideneinschläge haben weltweite Auswirkungen"

Die NASA will die Bahn eines Asteroiden ändern. Welche Folgen Asteroideneinschläge auf der Erde hatten, erklärt Experte Christian Köberl im Interview.

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(Bild: Marko Aliaksandr/Shutterstock.com)

Lesezeit: 17 Min.
Von
  • Peter Michael Schneider
Inhaltsverzeichnis

Für Mittwoch ist der Start der NASA-Sonde "Dart" geplant, die in neun Monaten auf einem Asteroiden einschlagen soll. Der Asteroid soll damit minimal auf seiner Bahn – um einen zweiten Asteroiden – abgelenkt werden. Mit dem Test möchte die US-Weltraumagentur herausfinden, ob so auch verhindert werden könnte, dass ein gefährlicher Asteroid auf der Erde einschlägt. Denn das würde erhebliche Auswirkungen haben, wie nicht nur das Aussterben der Dinosaurier zeigt, erläutert der Lithosphären- und Impaktforscher Christian Köberl von der Universität Wien im Interview.

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Was passiert bei einem Asteroiden-Einschlag?

Das hängt vor allem von der Größe des Asteroiden ab. Wenn Asteroiden in Erdnähe kommen und zerbrechen, dann können sie alle möglichen Größenordnungen annehmen. Das reicht von faustgroßen bis koffergroßen Stücken, die von der Atmosphäre abgebremst werden und dann als Meteoriten auf die Erde fallen. Die richten üblicherweise keinen wirklichen Schaden an. Außer sie fallen gerade auf ein Gebäude oder jemandem auf den Kopf.

Christian Köberl

(Bild: Universität Wien)

Wenn es sich um größere Objekte handelt, zwischen 10 und 50 Meter großen Objekten, dann werden die in der Atmosphäre zwar auch noch abgebremst, können aber in einer Höhe von 30 und 10 Kilometer über der Erdoberfläche explodieren. Schuld sind innere Brüche, die in den Körpern bereits vorhanden sind. Ein gutes Beispiel dafür war im Jahre 2013 das Tscheljabinsk-Ereignis. Damals ist im Februar über Russland ein kleiner Asteroid in die Erdatmosphäre eingedrungen. Der wurde stark abgebremst und ist dann in ungefähr 25 Kilometer Höhe explodiert. Die Explosionsdruckwelle hat in der Luftlinie circa 65 Kilometer entfernten Stadt Tscheljabinsk große Schäden angerichtet.

Glücklicherweise zwar keine Todesfälle, aber es wurden durch herumfliegende Scherben und ähnliche Trümmer 1500 Leute verletzt. Alleine diese Explosion hatte eine Explosionsenergie von mehr als 30 Mal von jener der Hiroshima-Atombombe, hat man dann festgestellt, dabei war es nur ein Körper von ungefähr 20 Meter im Durchmesser. Das ist schon gewaltig.

Was ist der Unterschied zwischen einem Asteroiden und einem Meteoriten?

Ein Asteroid ist ein größerer Körper, der im Sonnensystem rund um die Sonne rotiert. Die Leuchterscheinung in der Atmosphäre heißt Meteor. Und bleibt noch was übrig ist es ein Meteorit. Jetzt dringt das Ding in die Atmosphäre ein, was man sieht an Leuchterscheinung ist nicht der verglühende Meteor, sondern die ionisierte Erdatmosphäre bei den Kleineren. Es verdampft oder schmilzt immer ein bisschen was von dem Meteoroiden weg und bleibt nur ein kleineres Stück übrig.

Was passiert, wenn die Asteroiden größer sind?

Noch größere Objekte werden in der Erdatmosphäre nicht mehr oder nur mehr gering abgebremst und erreichen dann mit kosmischen Geschwindigkeiten den Boden. Wir reden hier von Geschwindigkeiten in der Größenordnung von ungefähr zwischen 10 und 70 Kilometer pro Sekunde. Wenn so ein Körper nur ein wenig abgebremst wird und auf den Boden trifft, dringt er ein bisschen in den Boden ein, verdampft dann aber fast vollständig. Dabei wird eine Art Explosion ausgelöst, weil die kinetische Bewegungsenergie des Körpers schlagartig in eine andere Energieform umgewandelt wird. Dabei läuft einerseits eine Schockwelle in den Boden hinein, anschließend federt der Boden zurück und räumt ein Loch aus. Dabei bleibt ein Krater übrig, der im Durchmesser zwischen 15- und 20mal größer ist als der einschlagende Körper.

Haben Sie ein Beispiel dafür?

Ja. Ein berühmtes Beispiel in Deutschland ist der Rieskrater, das Nördlinger Ries. Die Stadt Nördlingen darin hat heute noch eine mittelalterliche Mauer rund ums Stadtzentrum, die ungefähr den Durchmesser des Asteroiden hat, der damals in das Gebiet des heutigen Ries eingeschlagen ist. Im Luftbild lässt sich das Verhältnis des etwas über 20 Kilometer großen Kraters zur Altstadt gut erkennen.

Ganz große Krater wie zum Beispiel der Chicxulub-Krater in Mexiko, der für das Aussterben der Dinosaurier verantwortlich war, hat einen Durchmesser von circa 200 Kilometern – der einschlagende Körper ungefähr 10 Kilometer.

In welchen Maß wird die Umgebung dabei zerstört?

Der etwa 1200 Meter große Meteor-Krater in Arizona in den USA gehört zu den kleineren auf der Erde. Solche entstehen alle paar tausend Jahre auf der Erde. Da wird die Landschaft in den 100 Kilometern um den Krater stark zerstört, je näher, desto stärker natürlich. Um auf das Beispiel Ries zurückzukommen: Ein Körper so groß wie der Ries-Asteroid dürfte Zerstörungen in halb Deutschland ausgelöst haben. Ein noch größeres Objekt würde den ganzen Kontinent betreffen und Körper wie der von Chicxulub und größer, 80 bis 100 Kilometer Durchmesser, hat dann weltweite Auswirkungen.

Das sind also die mechanischen Zerstörungen. Welche Auswirkungen hat das auf die Umwelt und Atmosphäre?

Das hängt ebenfalls von der Größe des Körpers ab. Ein Körper, der nur regionale bis kontinentale Zerstörungen auslöst, hat auch auf die Atmosphäre nur kurzfristige Auswirkungen. Zudem hängt auch von Art des Targets ab, also vom Material, auf das er trifft.

Wenn wir von etwas wie dem Meteor-Krater sprechen, dann sehen wir innerhalb der nächsten 100 Kilometer starke, mechanische Zerstörungen: Lokale Beben und Zerstörungen durch die Druckwelle. Das läuft innerhalb kurzer Zeit ab. Auch der Krater selbst bildet sich rasant. Kleinere Krater sind innerhalb einer Minute fertig, bei größeren Kratern dauert es vielleicht zehn Minuten. Aber das ist verglichen mit anderen geologischen Ereignissen natürlich sehr schnell.

Innerhalb kürzester Zeit wird hier sehr viel Energie in die Umwelt abgegeben. Ein Einschlag, der über 100 Kilometer Zerstörungen anrichtet, wirkt sich natürlich auch eine Zeit lang aus, weil die ganze Gegend kaputt ist. Aber selbst bei größeren Ereignissen wie dem von Tunguska wächst alles relativ schnell wieder zu, 1908 hat ein Asteroid in Sibirien ungefähr 2000 Quadratkilometer Wald umgelegt. Diese Bäume sind abgeknickt wie Streichhölzer. 100 Jahre später war praktisch nichts mehr davon zu sehen.

Größere Objekte haben dagegen weltweite Auswirkungen. Chicxulub ist ein gutes Beispiel, aus zwei Gründen. Erstens war es ein großer Einschlag und zweitens hat er ein Target-Gestein getroffen, bei dem die Auswirkungen besonders weitreichend waren. Wäre der Asteroid auf einen gewöhnlichen Granit getroffen, hätte das zwar immer noch weltweite Auswirkungen gehabt. Aber manche der Klimaauswirkungen wären weniger stark ausgefallen.

Lassen Sie uns zunächst von den mechanischen Verwüstungen reden...

Gut. Der Einschlag im flachen Meerwasser löste zerstörerische Tsunamis aus. Zudem werfen große Einschläge glühende Gesteinsmassen aus. Bei Chicxulub sind diese glühenden Auswürfe weltweit wieder heruntergekommen und haben innerhalb weniger Stunden Brände ausgelöst. Die lassen sich heute noch anhand von Rußspuren in den geologischen Ablagerungen nachvollziehen.

Wir wissen sogar, was und wie viel gebrannt hat. Am Ende der Kreidezeit war einerseits der Sauerstoffgehalt in der Atmosphäre etwas höher als es heute. Das bedeutet, dass es leichter gebrannt hat. Zudem war es etwas wärmer, es gab also mehr Wälder als es heute.

Lagen diese verrußten Stellen direkt an der berühmten Iridium-Schicht, der Grenze zwischen Kreide und Paläogen (früher "Tertiär")?

Darunter eigentlich sogar. Die Brände sind ja sofort ausgebrochen, innerhalb von Stunden. Das heißt, in der Ablagerungsfolge zuerst die Rußschicht und dann obendrauf die Iridium-Schicht.

Was wir da sehen, die glühenden, größeren Auswurfmassen, das ist zu 99 Prozent irdisches Material. Das verwechseln viele Leute. Viele Menschen meinen, die Auswurfmassen seien die Bruchstücke des Asteroiden. Das ist nicht der Fall, im Gegenteil. Das ist fast nur irdisches Material.

Bei größeren Einschlägen verdampft auch der Asteroid vollständig. Da wird ein bisschen Asteroiden-Material zu einer sehr großen Menge terrestrischen Materials dazu gemischt. Das bedeutet, das was wieder runterkommt, ist in den meisten Fällen irdisch.

Lässt sich das denn überhaupt gut beweisen?

Das ist deswegen gut nachweisbar, weil Elemente wie Iridium, aber auch andere Platinmetalle in den Gesteinen der Erdkruste sehr selten sind, in extraterrestrischem Material hingegen relativ häufig.

Und wenn nur 0,5 Prozent einer extraterrestrischen Komponente drin sind, dann ist das noch immer um zwei Größenordnungen mehr in der Summe als in terrestrischem Material. In Zahlen: In krustalen Gesteinen ist knapp 0,02 ppt Iridium, als 0,02 Teile Iridium auf eine Billion Teile insgesamt. Im meteoritischen Gestein sind es ungefähr fünf Größenordnungen mehr. Wenn ich nur 0,1 Prozent außerirdisches Material dazu mische, liegt die Menge an Iridium am Ende immer noch um den Faktor 100 höher als in "normalen" irdischen Gesteinen. Deswegen lässt sich das mit geochemischen Methoden so gut nachweisen.

Was ist beim Chicxulub-Einschlag dann passiert?

Der Einschlag des Asteroiden von Chicxulub hat ungefähr 30.000 Kubikkilometer Staub in die Atmosphäre geschleudert, die dann wieder runtergekommen sind. Je nach Größe schweben solche Staubteilchen grundsätzlich zwischen Monaten bis mehrere Jahre in der Atmosphäre und verhindern dadurch, dass die Sonnenstrahlen den Erdboden erreichen, oder nur sehr stark vermindert. Dadurch wachsen Pflanzen nicht, Pflanzenfresser sterben, und dann haben auch die Fleischfresser nichts mehr zum Fressen. Das sind sehr langfristige Effekte.

Im Fall von Chicxulub ist der Asteroid auf sogenannte Karbonat- und Evaporit-Gesteine getroffen. Aus den Karbonaten gelangt sehr viel CO₂ in die Atmosphäre, außerdem sind Evaporit stark schwefelhaltig. Das ist ja ausgetrocknetes, "versteinertes" Meerwasser. Dazu kommt das Chlor und Brom aus dem Meerwasser, das beim Einschlag verdampft, denn der Asteroid in eine Wassersäule von circa 200 Meter Meerwasser gefallen. Das sind bekanntlich Chemikalien, die die Atmosphäre stören. Wenn das alles in die Luft gelangt, gibt es eine Zeit lang sauren Regen und es zerstört auch noch die Ozonschicht.

Wasser ist zudem ein sehr starkes Treibhausgas. Das heißt, erst kühlt das Klima durch den Staub ab, langfristig erwärmt es sich aber. Diese Auswirkungen haben im Fall von Chicxulub sicherlich mehrere hunderttausend Jahre gedauert.