NASA-Sonde Dart: "Größere Asteroideneinschläge haben weltweite Auswirkungen"

Seite 2: Chicxulub war quasi "nur" ein Dinosaurierkiller. Ab wann wird ein Asteroid zum biologischen Planetenkiller?

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In meinen Augen gibt es dafür ist momentan keinen Körper im Sonnensystem, der groß genug wäre. In der Frühgeschichte der Erde gab es viele Einschläge, die Erde ist schließlich 4,6 Milliarden Jahre alt. Aber selbst ein Einschlag, der auf dem Mond das Becken Mare Imbrium erzeugt hat, hätte nur ungefähr 10 Prozent des heutigen ozeanischen Wassers auf der Erde verdampft. Wenn innerhalb kürzester Zeit 50 solcher Einschläge erfolgen, würde es sicherlich eng. Aber vor vier Milliarden Jahren hat es vermutlich noch nicht mal Bakterien auf der Erde gegeben.

Also würde irgendwelche Organismen immer noch überleben?

Mittlerweile ist Ceres mit 900 Kilometer Durchmesser der größte Asteroid und der ist in einer vollkommen stabilen Bahn und würde nie mit einem anderen Planeten zusammenstoßen. Der nächstgrößere Asteroid ist etwa 400 Kilometer. Und dann geht es sehr schnell runter auf 100 Kilometer und kleiner. Ein 100 Kilometer großes Objekt würde zwar wahnsinnig starke Zerstörungen anrichten, aber es bleibt noch immer Leben übrig.

Das war beim Dinosaurierkiller auch so. Zwar waren die Auswirkungen enorm. Etwa 70 Prozent aller damals lebenden Tieren und Pflanzenarten starben aus. Aber 30 Prozent blieben übrig. Außerdem: Wir können uns jetzt unterhalten, weil es diesen Impakt gegeben hat. Dadurch haben unsere Vorfahren, damals rattengroßen Säugetiere, eine ökologische Nische gefunden. Deswegen gibt es uns heute überhaupt.

Wie sicher ist es eigentlich, dass es ein Asteroid war, der die Dinosaurier aussterben ließ?

Es gibt im Fall von Chicxulub eine verschwindende Minderheit von Wissenschaftlern, die noch immer nicht glauben, dass der Impakt viel ausgelöst hat. Das ist allerdings nicht der wissenschaftliche Konsensus. Natürlich lässt sich darüber diskutieren, wie groß der Einfluss war. Aber wir wissen heute, dass der Dekkan-Trapp über eine viel längere Zeit aktiv waren und CO₂ in die Atmosphäre geblasen haben. [Anmerkung der Redaktion: Der Dekkan-Trapp ist eine etwa 500.000 Quadratkilometer große Region in Indien, die am Ende der Kreidezeit von vulkanischen Gesteinen bedeckt wurde. Wissenschaftler haben die Auswirkungen dieser großflächigen Lavaergüsse eine Zeit lang als mögliche Ursache für das Aussterben der Dinosaurier diskutiert.]

Der Impakt ist hingegen genau nachmessbar. Ich war sogar an einer Arbeit beteiligt, die vor kurzer Zeit publiziert wurde. Dabei haben wir sogar im Krater die Iridium-Schicht gefunden. Denn nachdem der Krater gebildet wurde, kam innerhalb von ein paar Monaten bis vielleicht zwei Jahren das Iridium runter. Darüber befinden sich nur jüngere Schichten. Das zeigt ganz klar, dass es zwischen dem Krater und der Iridium-Schicht einen direkten Zusammenhang gibt.

Was sind das für Leute, die eine abweichende Meinung haben?

Es sind immer die Gleichen. Das ist eine Gruppe von wenigen Leuten, darunter Gerta Keller von der Princeton University. Die ändern zudem stets ihre Story, seit der Entdeckung von Chicxulub bis heute. Er wurde gesagt, es sei gar kein Impakt-Krater. Dann hatte er keine Auswirkung, dann war er 300.000 Jahre älter als der Impakt. Dauernd ändert sich die Argumentation, nur damit es eine Opposition gibt. Am Anfang war das noch seriös, mittlerweile gibt es da keine Fragen mehr.

Massensterben gab es bereits vorher. Werden dafür ebenfalls Asteroiden-Einschläge verantwortlich gemacht?

Für das Massensterben an der Perm-Trias-Grenze habe ich eine Arbeit veröffentlich, in der wir die Grenze geochemisch analysiert haben. Das hat gezeigt, dass es keine Anzeichen für extraterrestrisches Material gibt.

Der heutige Stand des Wissens ist: Das einzige Massensterben, für das ein Impakt als Ursache nachgewiesen wurde, ist das an der Kreide-Tertiär-Grenze. Bei allen anderen gab es hier und da Anzeichen, aber es keine dezidierten Nachweise.

Das Pendel schwingt in der wissenschaftlichen Welt von "alles ist vulkanisch" bis "alles ist Impakt". Die Wahrheit ist irgendwo dazwischen. So funktioniert die Natur. Ich kann mich noch gut erinnern: Ein netter Kollege vom Smithonian Institut hat mal gesagt, es wäre doch intellektuell langweilig, wenn alle Massensterben die gleiche Ursache hätten.

Wie entscheidend ist der Aufschlagwinkel für das Maß der Zerstörung?

Nur wenn ein Objekt mit weniger als 10 Grad einschlägt, wird es vielleicht weniger verheerend. Aber zwischen 10 und 90 Grad Einschlagwinkel ist der Effekt der gleiche. Der Winkel ist bei Energieübertrag relativ unbedeutend.

Macht es einen Unterschied, ob ein Asteroid auf Land oder ins Wasser fällt?

Das hängt von der Größe ab. Wenn ein kleines Objekt ins Wasser fällt, dann macht es einen großen Platsch, es gibt Tsunamis – und sonst nichts. Wenn das Objekt aber mindestens so groß ist wie ein Drittel der Wassertiefe, dann dringt es bis zum Ozeanboden durch. Weil der Asteroid zunächst die Wassersäule durchdringen muss, das sind im Durchschnitt ungefähr vier Kilometer, ist der resultierende Krater am Ozeanboden relativ klein im Verhältnis zu anderen Einschlägen. Wir kennen deswegen praktisch keine Einschläge auf dem Ozeanboden.

Was wäre denn für die Atmosphäre schlimmer?

Kurzfristig gesehen wäre wahrscheinlich ein Einschlag ins Wasser schlimmer, weil sehr viel Wasserdampf in die Atmosphäre gelangt. Das würde sich für einige Jahre lang sehr stark auf das Wetter und Klima auswirken.

Ein 300 Meter großes Objekt, das auf Land einschlägt, erzeugt hingegen einen Krater von fünf bis sechs Kilometer im Durchmesser. Die Zerstörungen reichten dann "nur" über 100 bis 200 Kilometer weit.

Außerdem ist ein Unterschied der: Als der Asteroid von Tunguska in der Atmosphäre explodierte, hatte die Erde noch knapp über eine Milliarde Einwohner. Mittlerweile sind wir bei acht Milliarden. Je mehr wir werden, desto dichter bevölkert ist unsere Welt. Es gibt kaum noch einen Ort, an dem ein solcher Einschlag ohne Folgen blieben, selbst wenn nur ein Krater von einem Kilometer Durchmesser entstehen würde. Es wäre ein Zufall, wenn das mitten in der Sahara oder in der sibirischen Taiga passiert.

Wäre der Asteroid von Tscheljabinsk nicht über einem relativ dünn bewohnten Gebiet, sondern direkt über der Stadt explodiert, hätte es garantiert Tote gegeben.

Wo sollte ein Asteroid dann am besten hinfallen?

Irgendwohin, wo es keine Leute gibt.

(mho)