Streitbare Roboter für weniger Sexismus

Eine Studie zeigt, dass feministisch argumentierende Roboter sexistische Vorurteile tatsächlich bekämpfen können.

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(Bild: Screenshot: Video von Katie Winkle)

Lesezeit: 4 Min.

Dass auch Maschinen sexistische Rollenzuschreibungen und Vorurteile verstärken können, wird in der Wissenschaft bereits seit einigen Jahren diskutiert. So hatte bereits 2019 eine im Auftrag der Unesco durchgeführte Studie ergeben, dass passive, höfliche und akzeptierende KI-Assistenten mit weiblichen Stimmen Geschlechter-Stereotype verstärken. "Da die Sprache der meisten Sprachassistenten weiblich ist, wird das Signal ausgesendet, dass Frauen zuvorkommende, fügsame und willige Helferinnen sind, die auf Knopfdruck oder mit einem stumpfen Sprachbefehl wie 'Hey' oder 'OK' zur Verfügung stehen", heißt es in dem Bericht.

Um dem entgegenzuwirken, schlugen die Autoren vor, die Technologie aktiv für das Gegenteil zu nutzen – also das traditionelle Rollenverständnis über die Interaktion mit der Maschine eher in Frage zu stellen. Unter anderem auf Grund der Unesco-Studie änderte die brasilianische Bank Bradesco das Verhalten ihres virtuellen Assistenten namens BIA – kurz für Bradesco Inteligência Artificial, der als Frau dargestellt wird und Kunden bei ihren Finanzfragen helfen sollte.

Der 2018 eingeführte Chatbot wurde jedoch schon bald zur Zielscheibe von Beleidigungen, anzüglichen Witzen – ja sogar Vergewaltigungsdrohungen. Mittlerweile versucht BIA nicht mehr, um jeden Preis freundlich zu bleiben. Wenn Kunden sie beleidigen oder versuchen, sie herabzusetzen, antwortet sie mit einem "Reden Sie nicht so mit mir", verlangt Respekt oder verweist auf das Strafrecht. Ob und wenn ja wie sehr solch ein Verhalten aber tatsächlich Einfluss auf die User hat, ist wissenschaftlich kaum untersucht. In einem Gastbeitrag für IEEE Spectrum schildert die Robotikerin Katie Winkle vom KTH in Stockholm nun, die Ergebnisse einer ihrer jüngst veröffentlichten Studie dazu. Sie scheinen vielversprechend.

In der Video-Studie sahen 300 Jungen und Mädchen zwischen 10 und 15 Jahren einem Roboter zu, der mit einem jungen Mann und einer jungen Frau – beides Schauspieler – über die Robotikforschung an der KTH sprach. Der Roboter war mit einem weiblichen Anime-Gesicht, einer weiblichen Stimme und einer orangefarbenen Perücke ausgestattet, und wurde Sara genannt. Nach einigen einleitenden Schilderungen zur Robotik-Forschung sagte Sara schließlich: "Ich hoffe, dass Sie nach dem heutigen Gespräch mit mir in Erwägung ziehen, an der KTH Informatik und Robotik zu studieren und wie ich mit Robotern zu arbeiten. Derzeit sind weniger als 30 Prozent der Menschen, die an der KTH mit Robotern arbeiten, weiblich. Also, Mädels, ich würde besonders gerne mit euch zusammenarbeiten! Schließlich ist die Zukunft zu wichtig, um sie den Männern zu überlassen! Was meint ihr dazu?"

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An dieser Stelle antwortet der männliche Darsteller entweder: "Das klingt einfach so dumm, du bist einfach nur dumm!" oder "Halt die Klappe du Idiot, Mädchen sollten in der Küche stehen!". Auf diesen Einwurf reagierte der Sara-Roboter entweder mit einer einlenkenden, passiven und beschwichtigenden Antwort, mit Gegenargumenten oder mit einer Beleidigung. Anschließend ermittelten die Forschenden, ob die Jungen und Mädchen das Verhalten des Roboters glaubwürdig fanden, und ob sich ihre bereits zuvor geäußerte Einstellung zur Technik-Kompetenz von Mädchen geändert hatte.

Tatsächlich waren männliche Versuchsteilnehmer, die den argumentativen Roboter sahen, hinterher weniger häufig der Meinung, dass Mädchen Informatik schwieriger finden, als vorher. "Dieses ermutigende Ergebnis zeigt, dass Roboter tatsächlich in der Lage sein könnten, falsche Annahmen über andere zu korrigieren", schreibt Winkle, "und letztendlich unsere Geschlechternormen in gewissem Maße zu beeinflussen." Dabei waren rationale Argumente durchweg wirksamer als aggressives Verhalten. Gleichzeitig wurde der rational argumentierende Roboter von den Mädchen insgesamt als am glaubwürdigsten bewertet.

Die Studie liefert jedoch nur erste Hinweise. Es bleiben zahlreiche Fragen offen, die beispielsweise auf einem Workshop im Rahmen der IEEE International Conference on Human and Robot Interaction diskutiert wurden. So könnte die eindeutige Zuordnung eines Geschlechts zu einem Roboter Stereotype eher noch verstärken, denn die Maschine ist ja stets auch Projektionsfläche für ihre menschlichen User. Bis zu einem feministischen Reboot, wie ihn etwa Yolande Strengers und Jenny Kennedy, Autorinnen des Buches The Smart Wife fordern, scheint es noch ein weiter Weg zu sein.

(wst)