Was Medikamente gegen COVID-19 bewirken können

Eine Impfung bleibt der beste Schutz gegen COVID-19 und einen schweren Verlauf. Doch im Falle einer Infektion gibt es Medikamente mit verschiedenen Ansätzen.

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(Bild: RossHelen / Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Rainer Kurlemann

Fast zwei Jahre nach dem Beginn der Pandemie gibt es nur einen Weg zum Schutz gegen den schweren Verlauf einer COVID-19-Erkrankung: die Impfung. Jetzt kommt auch die Zulassung von Medikamenten in Fahrt: Mitte November hat die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) die Zulassung von zwei Medikamenten von Roche und Celltrion Healthcare empfohlen. In den USA erhielt ein Präparat von Merck mit knapper Mehrheit eine Notfallzulassung. Pfizer hat Mitte November sein Medikament Paxlovid bei der EMA zur Prüfung angemeldet.

Die vier Produkte könnten eine gefährliche Therapielücke für Corona-Infizierte füllen. Sie sollen bei einer Infektion helfen, noch bevor schwere Symptome die Einweisung in ein Krankenhaus nötig machen. Die Hersteller wollen ihre Medikamente vor allem – aber nicht nur – bei Infizierten mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf einsetzen. Die Therapie sollte dann möglichst früh beginnen.

Die Medikamente funktionieren ganz unterschiedlich: Das Roche-Medikament Ronapreve besteht aus einer Infusion mit zwei verschiedenen Antikörpern, die sich an ein Spike-Protein von Sars-Cov-2 anlagern und damit verhindern, dass das Virus in die Zelle eindringen kann. Auch Regkirona von Celltrion nutzt das Wirkprinzip der Antikörper. Es wurde an Ungeimpften getestet. Die Behandlung begann unmittelbar nach dem Nachweis einer Infektion, unabhängig von der Schwere der Erkrankung. Die Hersteller von Ronapreve haben ähnliche Studien mit Geimpften und Ungeimpften durchgeführt, aber sie gehen noch einen großen Schritt weiter. Sie wollen ihr Medikament auch an Menschen verabreichen, die engen Kontakt zu einem infizierten Haushaltsmitglied hatten. Noch bevor es den Nachweis einer Infektion gibt. Es sei wirksam „bei der Verhinderung einer Ansteckung und der Entwicklung von Symptomen nach dem Kontakt“.

Bei Mercks Molnupiravir ähnelt der Wirkstoff einer Substanz, die das Virus für seine Vermehrung benötigt. Doch wenn es diesen falschen Baustein in seine Viren-RNA einsetzt, werden ausschließlich Varianten gebaut, die zugrunde gehen. Das Medikament wurde an 1.433 Infizierten mit leichten und mittleren Symptomen getestet und konnte die Zahl der Krankenhauseinweisungen verringern. Molnupiravir muss als Tablette nur wenige Tage lang eingenommen werden. Doch trotz des Erfolges bleiben viele Fragen offen, denn das Merck-Präparat zeigte in Versuchen mit Bakterien und in Tierversuchen Nebenwirkungen. Außerdem könnte es sein, dass der falsche Baustein neue Mutationen erzeugt. Die ersten PatientInnen werden genau beobachtet werden. Es müssen weitere Daten gesammelt werden, ob der Nutzen das mögliche Risiko rechtfertigt.

Auch Pfizer hat ein Medikament entwickelt, dass die Vermehrung der Viren stören soll. Paxlovid hemmt dazu ein spezifisches Enzym in den Coronaviren. Daten gibt es bisher nur vom Hersteller, sie konnten noch nicht überprüft werden. Demnach kann das Medikament das Risiko einer Krankenhauseinweisung oder eines Todesfalles im Vergleich zum Placebo um 89 Prozent senken. Dazu sollen innerhalb von fünf Tagen nach Auftreten der Symptome zweimal täglich drei Tabletten an fünf Tagen nacheinander geschluckt werden. Für beide Medikamente scheint klar zu sein: je früher die Therapie beginnt, desto besser lässt sich die Virenvermehrung stoppen.

Vorsicht bleibt geboten. Viele Ankündigungen der Hersteller halten nicht Bestand. So sollte schon das Medikament Remdesivir ein gutes Instrument gegen COVID-19 sein. Es kann die Vermehrung des Virus verlangsamen. Remdesivir wird schnell zugelassen, als der Hersteller im Sommer 2020 Daten vorlegen kann, dass sich Patienten mit Remdesivir schneller erholen als ohne. Inzwischen ist nicht mehr klar, ob das Mittel wirklich die Therapie verbessert – in einigen Fällen schon, manchmal auch nicht. Eine klare, offizielle Empfehlung für den Einsatz im Krankenhaus gibt es nach mehr als 10.000 Anwendungen nicht mehr.

Wenn Menschen mit COVID-19 ins Krankenhaus eingeliefert werden, ist das wichtigste Mittel einer Behandlung noch immer die bessere Versorgung mit Sauerstoff. Bei einem besonders schweren Verlauf müssen die Betroffenen intubiert und mit Unterstützung einer Maschine künstlich beatmet werden.

Dank besserer Therapien ist die Sterberate in den Universitätskliniken in Deutschland im Laufe der Pandemie gesunken. Für schwere COVID-Fälle, die eine Sauerstofftherapie benötigen, gibt es seit dem Sommer 2020 eine Therapieergänzung. Der Cortison-Wirkstoff Dexamethason hilft auch gegen COVID-Symptome. Er ist seit den 1960er Jahren bekannt und hemmt sowohl Entzündungsreaktion als auch die Überreaktion des Immunsystems gegen das Virus. Bei Patientinnen und Patienten mit schweren Verläufen verringert Dexamethason das Sterberisiko um etwa 20 Prozent, doch bei weniger stark ausgeprägten Krankheitsbildern zeigt das Medikament keine Wirkung.

Hoffnung setzen die IntensivmedizinerInnen auch in den Wirkstoff Tocilizumab, der üblicherweise bei chronischen Entzündungen wie Arthritis eingesetzt wird. Das Mittel RoActemra gehört zu den monoklonalen Antikörpern, die den Botenstoff Interleukin hemmen. Es darf in Europa seit Anfang Dezember im Krankenhaus bei COVID-Erkrankten eingesetzt werden, deren Blutanalyse während der Sauerstofftherapie stark erhöhte Entzündungswerte zeigt.

Die Beispiele zeigen, dass IntensivmedizinerInnen häufig erprobte Präparate auf ihre Wirkung bei COVID-Patientinnen und Patienten testen, weil ihnen andere Optionen fehlen. Sie dokumentieren die experimentelle Verwendung zunächst in kleinen Studien. In diesen Off-label-Einsätzen wird auch das Rheuma-Medikament Baricitinib getestet. Durch Gabe von Blutverdünnern wie Heparin sollen Thrombosen verhindert werden, die nach schweren COVID-Verläufen deutlich häufiger zu Schlaganfällen oder Embolien führen als bei einer gesunden Vergleichsgruppe.

Solche kleinen Studien können große Hoffnungen wecken. Doch zu einem breiten Therapieeinsatz ist es stets ein langer Weg. Umso wichtiger bleibt letztlich die Impfung als bester Schutz vor einer Erkrankung durch das Coronavirus.

Update, 14.12.2021, 14:20 Uhr: Präzisierung bei der Wirkungsweise des Medikaments Molnupiravir. (jle)