Übergreifende Marktmacht: Bundeskartellamt knöpft sich Google vor

Das Bundeskartellamt hat Google und den Mutterkonzern Alphabet der "erweiterten Missbrauchsaufsicht" unterstellt. Es kann den Wettbewerb so besser schützen.

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(Bild: Bubble_Tea Stock/Shutterstock.com)

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Nach Auffassung des Bundeskartellamtes verfügt Google über eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb im Sinne des im vorigen Jahr reformierten Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Die Bonner Behörde hat den US-Internetriesen und den Mutterkonzern Alphabet daher der "erweiterten Missbrauchsaufsicht" unterstellt. Es kann damit wettbewerbsschädlichem Verhalten von Google künftig besser und rascher entgegenwirken, indem es "einstweilige" Schutzmaßnahmen ergreift.

Als Abhilfe kann das Kartellamt so Google fortan etwa untersagen, die eigenen Angebote gegenüber denen von Wettbewerbern bevorzugt zu behandeln, Konkurrenten zu behindern oder durch die Nutzung wettbewerbsrelevanter Daten Marktzutrittsschranken zu errichten beziehungsweise zu erhöhen. Die Interoperabilität von Produkten oder Leistungen oder die Portabilität von Daten darf das Unternehmen in einem solchen Fall nicht verweigern.

"Seit Januar 2021 haben wir ein neues Instrument zur Aufsicht über große Digitalkonzerne", erklärte der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt. "Nach weniger als einem Jahr haben wir nun die erste förmliche Entscheidung auf der Basis dieser Vorschrift getroffen." Das sei "ein ganz wesentlicher Schritt", da die Behörde jetzt konkrete, für den Wettbewerb schädliche Verhaltensweisen des Suchmaschinengiganten aufgreifen könne.

"Wir haben bereits damit begonnen, uns mit der Verarbeitung persönlicher Daten durch Google sowie dem Thema Google News Showcase intensiver zu befassen", führte Mundt aus. "Parallel dazu betreiben wir mit Nachdruck weitere Verfahren gegen Amazon, Apple und Meta, ehemals Facebook." Mit baldigen vergleichbaren Entscheidungen zu diesen US-Internetkonzernen ist demnach zu rechnen.

Google verfüge über eine wirtschaftliche Machtposition, "die ihm vom Wettbewerb nicht hinreichend kontrollierte, marktübergreifende Verhaltensspielräume eröffnet", erläutert das Kartellamt in seinem am Mittwoch veröffentlichten Fallbericht, mit dem es den Beschluss begründet. In Deutschland habe das Unternehmen mit Marktanteilen von über 80 Prozent "eine beherrschende Stellung auf dem Markt für allgemeine Suchdienste" und sei "der wesentliche Anbieter für suchgebundene Werbung". Ferner sei Google hierzulande "marktstarker Anbieter einer breiten Vielzahl von Diensten und erreicht hohe Nutzerreichweiten".

Auch bei der Vermarktung von Online-Werbung verfügt der Konzern über "reichweitenstarke Werbedienste, die die gesamte Wertschöpfungskette abdecken", heißt es weiter. Ferner habe Google in seinem digitalen Ökosystem "bedeutenden Einfluss auf den Zugang anderer Unternehmen zu seinen Nutzern und Werbekunden", etwa über die Suchmaschine, YouTube, das mobile Betriebssystem Android sowie den zugehörigen Play Store oder seine Werbedienste.

Das Unternehmen könne so "marktübergreifend gegenüber anderen Unternehmen die Regeln und Rahmenbedingungen vorgeben", verweisen die Kartellwächter auf einen grundlegenden "Infrastrukturcharakter" dieser Dienste. Angesichts deren hohen Reichweiten verfüge Google über einen "herausragenden Zugang zu wettbewerbsrelevanten Daten", die der Konzern über Services und teils auch über unterschiedliche Endgeräte hinweg erheben und zusammenführen könne. Daraus entstünden erhebliche wettbewerbliche Vorteile, die Google zusammen mit anderen Ressourcen wie bereits der eigenen bekannten Marke marktübergreifend einsetzen könne.

Dies erleichtere es, Dienste zu betreiben, zu verbessern, zu erweitern und völlig neue zu entwickeln, arbeitet das Amt heraus. Schließlich komme Googles überragende Bedeutung für den Wettbewerb in seiner Marktkapitalisierung zum Ausdruck, "die weltweit eine der höchsten ist" und die große Finanzkraft des Konzerns widerspiegele.

Google hat nach Angaben der Behörde erklärt, gegen den Beschluss keine Rechtsmittel einlegen zu wollen und die Ausführungen im Kern nicht zu bestreiten. Das Unternehmen habe zugleich aber hervorgehoben, dass es keinesfalls "zwingend mit allen vom Amt in der Entscheidung getroffenen tatsächlichen Feststellungen und den daraus gezogenen Schlussfolgerungen einverstanden ist".

Die Entscheidung ist im Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben auf fünf Jahre befristet. Das Kartellamt stützt sich vor allem auf den erweiterten Paragrafen 19 GWB, mit dem der Gesetzgeber die Kontrolleure munitionieren wollten. Ein Marktmissbrauch kann demnach etwa vorliegen, wenn ein Unternehmen sich weigert, "ein anderes gegen angemessenes Entgelt mit einer Ware oder gewerblichen Leistung zu beliefern, insbesondere ihm Zugang zu Daten, zu Netzen oder anderen Infrastruktureinrichtungen zu gewähren". Voraussetzung ist, dass ein solcher Schritt "objektiv notwendig ist, um auf einem vor- oder nachgelagerten Markt tätig zu sein". Mit der GWB-Novelle soll den Wettbewerbsbehörden generell ein schnelleres und effektiveres Handeln ermöglicht werden.

(mho)