Umweltpionier James Lovelock begrüßt "grünes Label" für Atomkraft

Nur Atomkraft könne den Energiebedarf decken, meint der 103 Jahre alte Vordenker der Umweltbewegung. Es falle auch nicht so viel Atommüll an wie behauptet.

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James Lovelock.

(Bild: jameslovelock.org)

Lesezeit: 4 Min.

Der britische Mediziner, Chemiker und BiophysikerJames Lovelock, mittlerweile 103 Jahre alter Vordenker der Umweltbewegung, sieht den Vorschlag der EU-Kommission für eine Taxonomie-Verordnung in einem positiven Licht. "Nur die Kernenergie kann den massiven Energiebedarf der modernen Zivilisation decken", sagte er der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ).

Die EU-Kommission sieht in ihrem Vorschlag für eine Taxonomie-Verordnung vor, auch Atomkraft und Erdgas als nachhaltig einzustufen. Er wisse nicht, welche Argumente und Gegenargumente die EU diskutiert hat, aber er freue sich, "dass sie endlich zu begreifen beginnt", die Verbrennung von Kohlenstoff sei die Hauptursache für die heutigen Klimaprobleme, sagte Lovelock in der NZZ. Zwar könnten "beeindruckende Mengen an Energie aus erneuerbaren Quellen wie Wind-, Sonnen- oder Wasserkraft gewonnen werden", aber diese seien weder konstant noch zuverlässig.

Lovelock warnte bereits in den 1960er Jahren vor den Folgen des Klimawandels, er wies 1971 als einer der Ersten erhöhte Konzentrationen der für das atmosphärische Ozon fatalen Fluorchlorkohlenwasserstoffen in der Atmosphäre nach, weltbekannt wurde er mit seinem Buch "Das Gaia-Prinzip". Inzwischen hat er seine Einschätzung zur Erderwärmung geändert, der Klimawandel spiele sich nicht so ab, wie die Modelle ihn vorhergesagt hätten, sagte er Ende 2016 in einem Interview mit Technology Review.

2004 schrieb Lovelock für den britischen Independent einen Artikel, in dem er Nuklearenergie als "einzige grüne Lösung" anpries. Die Verbrennung von Erdgas anstelle von Kohle oder Öl setze nur halb so viel Kohlendioxid frei, aber unverbranntes Gas sei 25-mal so stark wie Kohlendioxid. "Selbst ein kleines Leck würde den Vorteil von Gas neutralisieren."

"Mit meinem Eintreten für die Atomkraft als sicherer Energie machte ich mich tatsächlich wenig beliebt", sagte Lovelock nun. Er vermutet massive Propaganda der Kohle- und der Öl-Industrie gegen die Atomenergie, da sie diese als Bedrohung ihres Wohlstands gesehen habe. Zudem fehle es vielen Menschen am physikalischen und chemischen Verständnis, "auch junge Wissenschafter wählen oft lieber Biologie als diese mathematiklastigen Fächer".

Die Angst vor den Atomkraftwerken habe zunächst auf den Erfahrungen mit der Atombombe und ihren entsetzlichen Folgen basiert. "Kernkraftwerke wurden von vielen als große Bombe in der eigenen Nachbarschaft gesehen. Und tatsächlich fürchten wir den Klimawandel heute auf eine ähnliche Weise, wie wir uns nach dem Zweiten Weltkrieg vor den Bomben fürchteten", sagte Lovelock.

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Die Menge an Atommüll, die durch die Gewinnung von Strom durch Atomkraftwerke anfalle, sei gar nicht riesig. "Im Vergleich zu den Abfällen aus der Verbrennung von Kohle oder Öl sind sie sogar sehr gering." Seine Frau und er seien durch Atommülldeponien geführt worden, sie hätten sich persönlich davon überzeugen können, wie unbedeutend das Problem der Entsorgung sei.

Die Katastrophe von Fukushima im Jahr 2011 sei in erster Linie eine Naturkatastrophe gewesen, der Tsunami habe mehr als 15.000 Menschen getötet, er habe auch das örtliche AKW beschädigt, dort sei aber niemand getötet worden. Nicht jede noch so geringe Menge an radioaktiver Strahlung könne Krebs verursachen. "Wenn dem so wäre, würde ich jetzt wahrscheinlich nicht mit fast 103 Jahren noch Ihre Fragen beantworten."

Damit knüpft Lovelock an das an, was er 2004 schrieb: "Wir müssen aufhören, uns über die kleinsten statistischen Risiken von Krebs durch Chemikalien oder Strahlung zu beunruhigen. Fast ein Drittel von uns wird ohnehin an Krebs sterben, vor allem, weil wir Luft atmen, die mit diesem allgegenwärtigen Karzinogen Sauerstoff beladen ist."

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(anw)