Ampel: Geheimsache digitale Meldeketten

Die Digitalisierung der Infektionsmeldungen an das Robert Koch-Institut soll geheim bleiben. Dabei hatte die Ampel mehr Transparenz für ihre Arbeit versprochen.

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(Bild: RKI)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Tim Gerber

Es war die Woche der großen Antrittsreden der Ministerinnen und Minister der neuen Ampelregierung im Parlament und ausgiebiger Debatten zu deren jeweiligen Geschäftsfeldern. Das plakative Thema des Koalitionsvertrages von der Digitalisierung kam dabei im Plenarsaal erstaunlich selten zur Sprache.

Dafür trafen sich die Abgeordneten des neuen Digitalausschusses abseits hinter verschlossenen Türen, um Berichte der Bundesregierung und des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) anzuhören. Da das BSI den Ausschussmitgliedern über die aktuelle Bedrohungslage durch die Schwachstelle Log4Shell, auch in Bezug auf die IT-Infrastruktur des Bundestages zu berichten hatte, mag der Ausschluss der Öffentlichkeit an dieser Stelle nachvollziehbar sein.

In einem weiteren Tagesordnungspunkt wollte die Bundesregierung jedoch lediglich über den Stand der Digitalisierung der Meldeketten zwischen den Gesundheitsämtern und dem Robert Koch-Institut (RKI) berichten. Ein Vorgang, dessen Unzulänglichkeit aufgrund der technischen Veralterung seit Beginn der Coronapandemie öffentlich in der Kritik steht. Warum also die Öffentlichkeit ausschließen, wenn die Regierung das Parlament über den Sachstand und mögliche Forstschritte informiert? Die Ampel hatte eigentlich mehr Transparenz für ihre Arbeit versprochen.

Immerhin sollen laut Koalitionsvertrag (PDF) in bestimmten Ausschüsse öffentliche Sitzungen zur Regel werden und dann in Echtzeit gestreamt werden. Ausschussdrucksachen und Protokolle, die nicht als Verschlusssache mit Geheimhaltungsgrad eingestuft sind, sollen nach dem Willen der Ampel veröffentlicht werden. Doch über den Bericht der Bundesregierung zur Digitalisierung der Meldeketten findet sich auf der Webseite des Ausschusses bislang nichts.

c’t hat deshalb bei der Ausschussvorsitzenden Tabea Rößner (Grüne) angefragt und erfahren, dass die Parlamentarische Geschäftsführungen der Fraktionen an einem entsprechenden Vorschlag für eine Anpassung der Geschäftsordnung des Bundestages arbeiten würden, um künftig mehr Transparenz über die Arbeit der Ausschüsse herzustellen. Dabei hatte die Fraktion der Linken bereits Mitte Dezember einen entsprechenden Antrag (PDF) zur Änderung der Geschäftsordnung eingebracht, der offenbar bis heute nicht behandelt worden ist. Sonderlich eilig scheint es die Ampel mit der versprochenen Transparenz also nicht zu haben. Der Passus über die Ausschusssitzungen findet sich denn auch auf Seite 174 von den 178 Seiten des Vertrages.

Das von Karl Lauterbach (SPD) geführte Bundesministerium für Gesundheit will zum Stand der Digitalisierung der Meldeketten für Neuinfektionen mit dem Corona-Virus keine Auskünfte erteilen.

(Bild:  SPD-Fraktion, Susie Knoll)

Die Regierung selbst will die Sache mit der Digitalisierung der Infektionsmeldungen zwischen den Gesundheitsämtern und dem Robert Koch-Institut offenbar völlig hinter verschlossenen Türen behandelt wissen. Eine Anfrage der c’t, welches Ministerium überhaupt für sie im Digitalausschuss berichtet hat, hat das Bundespresseamt bis heute unbeantwortet gelassen.

Das fürs RKI zuständige Gesundheitsministerium hat auf Anfrage der c’t lediglich bestätigt, dass die Bundesregierung zu verschiedenen digitalpolitischen Themen im Ausschuss Digitalisierung gefragt worden sei. Ein Tagesordnungspunkt sei unter anderem die Digitalisierung der Meldeketten gewesen. Den Bericht habe sie mündlich erstattet.

Nachgefragte Auskünfte zum aktuellen Stand der Digitalisierung in den Gesundheitsämtern wollte das Ministerium der c't nicht erteilen. Die Äußerungen im Ausschuss seien vertraulich, betonte ein Sprecher von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gegenüber dem Magazin. Im Übrigen verweise man auf die Dokumente des Ausschusses, heißt es in der Anwort. Dabei dürfte der Ministeriumssprecher genau wissen, dass die Protokolle solcher Sitzungen gemäß eines aus dem Jahr 1975 stammenden Anhangs zur Geschäftsordnung, der zuletzt 1987 geändert wurde, der Öffentlichkeit frühestens nach der nächsten Bundestagswahl, also in vier Jahren, zugänglich sein werden und das auch nur unter strengen Voraussetzungen.

Im Übrigen sagt Lauterbachs Ministerium die Unwahrheit: Eine Vorschrift, die die Vertraulichkeit von Äußerungen in allen Bundestagsausschüssen vorschreiben würde, gibt es gar nicht. Wir dürfen also warten, bis die Ampel in Sachen Transparenz vielleicht doch irgendwann noch auf Gelb oder gar Grün springt.

(tig)