Videospiele: Warum Microsoft 69 Milliarden für Activision Blizzard zahlt

Trotz Sexismus-Skandal zahlt Microsoft Rekordsummen für Activision Blizzard. Dabei geht es neben der Xbox auch um Mobilspiele und das sagenumwobene Metaverse.

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(Bild: Shutterstock.com/Sergei Elagin)

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Sexismus-Skandale vergehen, Videospiele sind für immer – so oder so ähnlich muss Microsoft wohl die geplante Rekord-Übernahme des strauchelnden Spieleunternehmens Activision Blizzard gerechtfertigt haben. Es ist ein Deal wie ein Erdbeben, der die Branche ordentlich durcheinanderwirbeln wird.

Laut Bloomberg haben die Verhandlungen zwischen Microsoft und Activision Blizzard begonnen, nachdem eine kalifornische Behörde Blizzard im vergangenen Sommer wegen Sexismus verklagt hatte. Offenbar verstand Microsoft die missliche Lage des Publishers als Chance – und entschied, kolossale 69 Milliarden US-Dollar für das wohl umstrittenste Spieleunternehmen der Welt zu zahlen. Warum eigentlich?

Wer auf die Statements blickt, die Microsofts Führungsriege zur Übernahme-Ankündigung bereitgestellt hat, stößt beispielsweise auf den Begriff des Metaversums. "Gaming ist die dynamischste und aufregendste Unterhaltungsform und wird eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung von Metaverse-Plattformen übernehmen", schrieb CEO Satya Nadella.

Dass Nadella eine recht breite Definition des Metaversums vertritt, machte sich schon im vergangenen November bemerkbar. Damals postulierte der Microsoft-Chef, auch "Minecraft", "Halo" und der "Flight Simulator" seien eigentlich Metaversen – also alles, was einen Mehrspielermodus hat. In diese recht schwammige Auflistung könnte man Spiele wie Blizzards kommendes "Overwatch 2" und das gute alte "World of Warcraft" problemlos einreihen. Wie sich Microsoft das Metaverse der Zukunft wirklich vorstellt, müssen die kommenden Jahre erst noch zeigen.

Eine weitere Begründung, die Microsoft in seinem Pressematerial liefert: Mobile Games. Zu Activision Blizzard gehört die Mobilspielabteilung King, die das US-Unternehmen selbst 2016 für 6,9 Milliarden US-Dollar gekauft hat. Schon vor Jahren haben Mobilspiele den meisten Umsatz zu Activision Blizzards Geschäftsergebnissen beigetragen, der Trend zum mobilen Zocken setzte sich bis heute fort. Auch wenn es für Spiele-Enthusiasten schwer erträglich ist: Mobile Games wie "Candy Crush" und "Bubble Witch Saga" gehören zu den Zuckerstücken des Deals. Alleine in Deutschland wurden 2021 fast 2,3 Milliarden Euro mit Mobilspielen umgesetzt, 500 Millionen Euro mehr als mit Konsolen. Weltweit haben laut der Analysefirma SensorTower im vergangenen Jahr acht Spiele mehr als eine Milliarde US-Dollar Umsatz erzielt, darunter auch "Candy Crush".

Microsoft kauft neben diesen Marken auch die Mobilkompetenz von King. Mit deren Hilfe könnte Microsoft auch die Eigenmarken, die bislang auf den Mobilplattformen kaum stattgefunden haben, für Handys und Tablets veröffentlichen. "Mit tollen Teams und toller Technik werden Activision Blizzard und Microsoft es Spielerinnen und Spielern ermöglichen, Marken wie 'Halo' und 'Warcraft' praktisch überall zu erleben", schreibt Microsoft in der Ankündigung. Auf dem Mobile-Markt liegt eine riesige Wachstumschance für ein Unternehmen, das bislang vorwiegend die Xbox und den PC bedient hat.

Dritter Strategiepfeiler ist Microsofts Spieleabonnement Game Pass. Dessen Portfolio wurde schon durch den Kauf von Bethesda ordentlich verstärkt, die Titel von Activision Blizzard kämen einem Königstransfer gleich: "Call of Duty", "Overwatch", das kommende "Diablo 4", "World of Warcraft" ohne zusätzliches Abo – die Möglichkeiten zur Abo-Aufwertung sind immens. Netflix und Spotify haben gezeigt, wie rigoros ein guter Abodienst einen etablierten Medienmarkt umkrempeln kann. Wer hier früh dabei ist, kann auf lange Zeit viel gewinnen.

Schon jetzt ist der Game Pass, der auch Spiele von Electronic Arts umfasst, das mit Abstand beste und umfangreichste Spieleabonnement. Doch auch in diesem noch jungen Marktsegment zeichnet sich ein Duell zwischen Microsoft und Sony ab: Der Playstation-Hersteller plant Berichten zufolge ein eigenes Abo-Angebot. Den schon jetzt riesigen Vorsprung des Game Pass mit seinen 25 Millionen Abonnentinnen und Abonnenten einzuholen, dürfte selbst für Sony schwierig werden.

Auch im angestammten Konsolengeschäft gehören Eigenentwicklungen und Exklusivtitel zu den wichtigsten Verkaufsargumenten. Hier hatte Sony mit Reihen wie "God of War", "Uncharted" und "The Last of Us" lange den Vorteil, was sich direkt in den Verkaufszahlen der Playstation im Vergleich zur Xbox niederschlug. Seit einigen Jahren schließt Microsoft aber auf, der Kauf von Activision Blizzard würde mindestens Gleichstand herstellen – die Playstation wäre dann nicht mehr von Haus aus die beste Konsole, weil sie die besseren Spiele hat.

Für Activision Blizzard hätte es kaum besser laufen können: Ein harter Schnitt durch die Microsoft-Übernahme würde den Weg aus der selbstverschuldeten Krise ebnen und mit einem Schlag das Narrativ ändern. Das jahrelange Kräftemessen zwischen den angestammten Activision- und Blizzard-Abteilungen könnte ebenfalls gelöst werden.

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Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dürfen sich außerdem auf einen besseren Führungsstil freuen. Microsoft gehört zu den Unternehmen, denen man die Bekenntnisse zur Inklusion am Arbeitsplatz wirklich abkauft, das Klima in den hauseigenen Studios gilt als vergleichsweise gut.

Bei Blizzard haben dagegen systematischer Sexismus und Mobbing über Jahre das Arbeitsklima geprägt, das Führungspersonal hat das geduldet und mitgetragen. Einige personelle Konsequenzen hat Activision Blizzard in den vergangenen Monaten gezogen – so hat etwa Blizzard-Präsident J. Allen Brack das Unternehmen verlassen müssen.

Unternehmenschef Bobby Kotick, der von Medienberichten ebenfalls schwer belastet wurde, konnte sich aber halten. Viel deutet darauf hin, dass er seinen Posten räumen wird, wenn die Übernahme abgeschlossen ist. Ihm winkt eine lukrative Abfindung und ein Abgang, bei dem er sein Gesicht wahren darf. Kotick soll Vorwürfe gegen Führungskräfte verschwiegen und selbst Mitarbeiterinnen belästigt haben.

Damit das alles passiert, muss die Übernahme erst noch von Kartellwächtern abgenickt werden. Das ist keine Selbstverständlichkeit, sagt die auf Kartellrecht spezialisierte Rechtsanwältin Dr. Petra Linsmeier von der Kanzlei Gleiss Lutz im Gespräch mit heise online: "Wegen der Größe, der Marktstellung und der Umsatzzahlen beider Unternehmen werden die Kartellwächter das sehr genau prüfen." Dass die zuständigen Behörden den Kauf von Zenimax Media im vergangenen Jahr zuließen, sieht Linsmeier nicht als Garantie für die Genehmigung der Activision-Übernahme: "Activision Blizzard hat eine wesentlich größere Marktbedeutung als ZeniMax, das kann die Beurteilung beeinflussen. Für Microsoft wird das schwieriger."

Bei den Kartellverhandlungen kann auch die Exklusivfrage eine Rolle spielen: Will Microsoft die von Activision Blizzard entwickelten Titel künftig ausschließlich auf den eigenen Plattformen, also der Xbox und dem Windows-PC, anbieten? Könnten damit Wettbewerber geschwächt werden? Für Microsoft spricht, dass man eigenen Angaben zufolge auch nach der Übernahme von Activision Blizzard immer noch kleiner wäre als Konkurrent und Playstation-Hersteller Sony.

Auf Microsoft und Activision Blizzard wartet nun ein langwieriger Prozess: Neben den USA müssen voraussichtlich auch Kartellwächter unter anderem in Brüssel, Russland und China der Übernahme zustimmen. Bis Mitte 2023 will Microsoft den Deal abgeschlossen haben – sollte alles klappen, wird der Spielemarkt danach ein ganzes Stück anders aussehen.

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(dahe)