"Unverfroren" und "absurd": Debatte über Sperrzeiten für Erwerbslose ohne Impfschutz

BA-Chef Detlef Scheele wird für seinen Vorstoß scharf kritisiert. Foto: Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0

FDP-Vize Kubicki und Linksfraktion warnen vor finanziellen Sanktionen für Ungeimpfte, die Lohnersatzleistungen beziehen

Es ist ungewöhnlich, dass FDP-Politiker schneller als die Linkspartei widersprechen, wenn laut über neue Sanktionsregeln für Erwerbslose beim Bezug von Lohnersatzleistungen nachgedacht wird. Im Zusammenhang mit der Debatte um eine Impfpflicht gegen das Coronavirus ist es tatsächlich geschehen.

Zunächst hatte der Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Detlef Scheele, am Wochenende mögliche Konsequenzen für Erwerbslose angedroht, die wegen fehlender Impfungen einen Job nicht bekommen, um den sie sich im Rahmen der Mitwirkungspflicht bewerben müssen.

"Erst wenn es eine allgemeine Impfpflicht gibt und Verstöße auch mit Rechtsfolgen verbunden sind, können Arbeitgeber einen Bewerber ablehnen, weil er nicht geimpft oder genesen ist", sagte Scheele am Wochenende den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Auch wir als Bundesagentur müssen dann prüfen, ob eine fehlende Impfung zu einer Sperrzeit führt."

Bis dato hatte sich vor allem Die Partei Linke gegen solche Sperrzeiten oder Kürzungen beim Arbeitslosengeld II ausgesprochen, zumal sie betont, dass die Regelsätze schon jetzt nicht das Existenzminimum gewährleisten. Die FDP hatte bisher weniger Empathie für Personenkreise gezeigt, die sie nicht zu den "Leistungsträgern" zählt.

"Kompletter Unsinn"

Im Fall des Vorstoßes von BA-Chef Scheele platzte Wolfgang Kubicki allerdings der Kragen. Eine Schlechterstellung von Ungeimpften innerhalb dieser Gruppe hält er für inakzeptabel: "Dass manMenschen in den Senkel stellt einfach aufgrund ihres Impfstatus, wird mittlerweile für mich unerträglich", sagte der FDP-Vize am Sonntagabend gegenüber Bild-TV. Er finde es "unverfroren, in der jetzigen Phase mit solchen Anregungen zu kommen".

Die Gefahr gehe nicht von Ungeimpften aus, sondern von Infizierten, so Kubicki. Daher müsse man eigentlich sagen: "Wer sich infiziert, verliert seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, weil er ja seine Arbeitskraft nicht mehr zur Verfügung stellen kann. Da wird Herr Scheele sofort erkennen, dass das kompletter Unsinn ist."

Tatsächlich scheint das reine Infektionsgeschehen bei der Virusvariante Omikron vom Impfstatus weniger beeinflusst zu werden – anders sieht es bei den Krankheitsverläufen aus, denn Ungeimpfte, die inzwischen deutlich in der Minderheit sind, stellen die Mehrheit der Covid-19-Patienten auf der Intensivstation. Laut dem letzten Wochenbericht des Robert-Koch-Instituts waren von 631 symptomatischen Covid-19-Patienten auf Intensivstationen 481 ungeimpft, während bereits 73,6 Prozent der Bevölkerung mindestens zweimal geimpft waren.

In Quarantäne müssen aber auch völlig symptomlose Infizierte, zu Arbeitsausfällen führen also in jedem Fall auch Infektionen von Geimpften, die nicht im Homeoffice arbeiten können.

Kubicki, der selbst dreifach geimpft ist, zeigte sich in der Orientierungsdebatte über eine allgemeine Impfpflicht vergangene Woche im Bundestag nicht überzeugt von den Argumenten der Befürworter. Laut einer aktuellen Umfrage sind 58 Prozent der FDP-Anhänger dafür. Bei der Klientel von SPD, Grünen und Union ist die Zustimmung größer, bei der der Linken mit 44 Prozent geringer und bei AfD-Anhängern mit neun Prozent am niedrigsten. Der Bundestag wird voraussichtlich ohne Fraktionszwang darüber abstimmen.

Linke nennt Überlegung "absurd"

Auch die Sprecherin der Linksfraktion für Arbeit und Mitbestimmung, Susanne Ferschl, hat sich als klare Impfbefürworterin noch nicht abschließend entschieden, was die allgemeine Impfpflicht angeht. Sie sprach sich aber an diesem Montag deutlich gegen Sperrzeiten für Ungeimpfte bei der Bundesagentur für Arbeit aus. Diese Überlegung sei "absurd", erklärte sie gegenüber Telepolis und warnte vor der Forderung, Menschen im Arbeitslosengeld-II-Bezug "unter das Existenzminimum zu sanktionieren, weil sie nicht die notwendige Mitwirkung in Form einer Impfung leisten".

Die Linke lehne die Sperrzeiten-Regelung generell ab und sei "dagegen, dass Ungeimpfte zukünftig durch ökonomische Sanktionen diszipliniert und so zum Impfen motiviert werden sollen", Ferschl. Vielmehr müssten Unternehmen verpflichtet werden, "den betrieblichen Infektionsschutz weiter zu stärken und auszubauen" und klare gesetzliche Leitlinien zum Arbeiten im Homeoffice zu erlassen.

„Gut, dass Detlef Scheele bald in Rente geht", betonte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Jessica Tatti. "Dass man es falsch findet, wenn sich Menschen nicht impfen lassen, darf keinesfalls bedeuten, dass den Leuten deshalb die Existenzsicherung entzogen wird", erklärte Tatti gegenüber Telepolis.

Allerdings stellt sich die Frage, wie der Parteivorstand der Linken, der eine Impfpflicht ab 18 Jahren mehrheitlich fordert, sich deren Durchsetzung mit Bußgeldbescheiden in ärmeren Schichten vorstellt.