Vivendi-Chef Messier zieht den Kopf aus der Schlinge
Nach der aufreibendsten Woche seiner Amtszeit hält der Vorstandsvorsitzende des weltweit zweitgrößten Medienkonzerns die Macht noch in Händen.
Vivendi-Universal-Chef Jean-Marie Messier hat den Kopf noch einmal aus der Schlinge gezogen. Nach der aufreibendsten Woche seiner Amtszeit hält der 45-jährige Vorstandsvorsitzende des weltweit zweitgrößten Medienkonzerns -- im Gegensatz zum gefallenen deutschen Medienmogul Leo Kirch -- die Macht noch in den Händen. Am Mittwoch bot er den Kleinaktionären die Stirn. Mehr als 5000 versammelten sich zur Hauptversammlung in Paris.
Gründe gab es reichlich, den Konzernchef an den Pranger zu stellen: Der Einbruch des Aktienkurses um 37 Prozent seit Jahresbeginn auf unter 40 Euro, der erstmalige Konzernverlust von 13,6 Milliarden Euro im Jahr 2001, ein Schuldenberg von rund 30 Milliarden Euro, Auseinandersetzungen im Management des amerikanisch-französischen Unternehmens und das schlechte Image bei Finanzanalysten. Auf den einst als Medienliebling und weltoffenen Unternehmerstar gefeierten Messier prasselten die Vorwürfe knüppeldick nieder.
Die gesamte französische Öffentlichkeit brachte er gegen sich auf, als er vor einer Woche den legendären Chef des Bezahlfernsehens Canal+, Pierre Lescure, zum Rücktritt zwang. Die Beschäftigten von Canal+ -- der Sender ist führend in der französischen Filmförderung -- unterbrachen das Programm und protestierten lautstark gegen die Entscheidung. Canal+ ist mit 15 Millionen Kunden zwar größte Abonnenten-TV-Gruppe in Europa, leidet aber -- ebenso wie Kirchs Bezahl-TV-Sender Premiere -- unter hohen Verlusten.
Zuletzt hatte nicht viel zum Sturz von Messier gefehlt. Doch der in Ungnade gefallene Manager, der zur Selbstüberschätzung neigt, ging zum Angriff über. Fieberhaft nutzte er die vergangenen Tage zur Entschärfung der Lage. Messier besänftigte die Finanzmärkte durch den kurzfristigen Milliarden-Verkauf der Fachpressesparte, beruhigte die Medienaufsicht in Frankreich mit Zusicherungen für die Unabhängigkeit von Canal+ und führte Krisengespräche mit Großaktionären. Durch ein Treffen mit den aufgebrachten Beschäftigten von Canal+ sorgte er für Entspannung. Den Kleinaktionären, die sich besonders über einen Aktienoptionsplan für das Management von zwei Milliarden Euro aufregten, versicherte Messier, er werde auf seine Optionen verzichten, wenn der Aktienkurs bis September nicht auf 60 Euro klettert.
Die Unterstützung des Vivendi-Verwaltungsrats, der ihn letztlich zu Fall bringen könnte, ist ihm nach Brancheninformationen vorerst gewiss, trotz wachsender Bedenken. Das Gremium, in dem Managergrößen wie Milliardär Bernard Arnault vom Luxusgüterkonzern LVMH sitzen, hatte die Milliardeneinkäufe von Messier abgesegnet. Damit schuf der ehrgeizige Manager in den vergangenen Jahren aus dem verstaubten Konzern Générale des Eaux den Mediengiganten Vivendi Universal, der in der Liga von AOL Time Warner, Disney und Bertelsmann mitspielt.
Doch die Zweifel an seinem riskanten Kurs für das Imperium, das von den Universal-Filmstudios über Musiklabels bis zum Telefongeschäft und Wasserversorgungsriesen Vivendi Environnement (VE) alles unter einem Dach vereint, sind nicht verstummt. Umstritten ist besonders seine Absicht, die Mehrheit bei VE schnellstens von 63 Prozent auf unter 50 Prozent zu drücken, um die dort geparkten Schulden von rund 14 Milliarden Euro aus der Konzernbilanz herauszurechnen. "Messier hat sich nur eine Atempause verschafft", meinte ein Branchenkenner. (Birthe Blechschmidt, dpa) / (jk)