Was war.Was wird.
In dieser Woche sucht Hal Faber den Sinn im Leben nach der Standardsoftware und spricht eine Wahlempfehlung aus.
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.
Was Wahl
*** Heute ist der Tag der Wahrheit. Die Sonntagsfrage wird beantwortet. Endlich brauchen wir nicht länger das Orakel zu befragen, sondern bekommen Volkes Stimme abseits aller Rotlicht-Verzerrungen. Dabei ist alles längst gelaufen. Würde ich eine Wahlempfehlung im bewährten Stil des Neuen Deutschland vor 1989 geben, wie es die Financial Times für Bayern tut, so spräche ich mich eindeutig für den Kandidaten aus, der das Recht auf Faulheit so verteidigt wie der Schwiegersohn von Karl Marx. Donald Duck liegt jedenfalls bei der Bürgermeisterwahl in Entenhausen klar vorne und braucht nicht wie Schröder zu zittern, der von Faulheit wenig hält. Überhaupt überrascht Entenhausen mit der Mündigkeit seiner Bürger: der Panzerknacker 176-671 hält mit seinem Feldzug für ein unsicheres Entenhausen fast das Schlusslicht. Die jungen Leute wollen Sicherheit und starke Verschlüsselung vor den Eltern, sie wollen nicht den Möllewelle-Goofy, der im realen Leben aus der Parteifarbe Gelb Judensterne im Form kleiner Wahlprospekte drucken lässt. Und noch eins: Sie haben keinen Sinn für Spaten.
*** Bevor der Jubel darüber ausbricht, dass der Kommunismus gebannt oder die Grüne Soße angerührt ist, dass das Projekt 18 aufs Land zieht oder dass der Kanzler Stoiber 2006 kommt, sei daran erinnert, wie wenig sich ändert, wenn sich etwas ändert. "Deutschland ist Spitze" verkündete Patent-Präsident Jürgen Schade in der vergangenen Woche -- jedenfalls bei den Patenten. Schaut man sich die Positionen der Parteien zum Patentunwesen in der Computerei an, so unterscheiden sie sich kaum. Auch bei den seltsamen Wahlprüfpunkten der Digitalen Wirtschaft herrscht große Einigkeit. Wenn eine Firma wie Research in Motion mit einem zweifelhaften Patent damit beginnt, die Konkurrenz auszuhebeln, werden die Schultern gezuckt. Zur Not tut's auch ein Ringbuch. Die Diskussionen um die Aktionen und Meinungen eines Düsseldorfer Beamten zeigen, dass es einen parteiübergreifenden Konsensus gibt, den Bürger zu "mündigen". Uneinigkeit herrscht nur noch bei der Frage, ob der Schwerpunkt auf entmündigen oder bevormündigen liegt. Wer sich der Tendenz entzieht und zur programmierten Gegenwehr schreitet, wird schnell aus den Foren der freien Meinungsäußerung ausgeschlossen.
*** Der Bruder der Zensur ist die Fütterung mit falschen Nachrichten. Gewiss, unsere Welt ist komplex. Wer aber George W. Bush, wie Däubler-Gmelin, salopp auf die Zeitschiene von "Adolf-Nazi" stellt, hat sicher zuviel Seyfried-Plakate gesehen oder zu lange beim konspirativen Bröckers geschmökert, der Seyfrittis für die nackte Wahrheit hält. Die Fütterung mit Neusprech aller Art ist keineswegs auf die Politik beschränkt. Man nehme nur die Firma Nokia, bei der offensichtlich schon das War-Chalking und nicht erst der Einbruch in die WiFi-Netze als Diebstahl gewertet wird. In dieser Logik sind Verbotszeichen für das Telefonieren mit dem Handy sicher Enteignungen erster Güte. In diese Logik passt der Versand fest verklebter Musik: schon der Versuch, sie auf einem anderen, vielleicht besseren System zu hören, ist schwerer Diebstahl.
*** Doch alles wird gut. Mit großem Engagement will Microsoft in den Verkauf von Hardware für das HomeNetworking einsteigen und auch das Heim sicherer machen, auf dass genau gezählte Kopien von der Wohnzimmer-Jukebox gezogen werden können. Und überhaupt will man offener werden. Wer redet da noch von Godzilla? Die Spuren sind getilgt und frohgemut geht es in die Zukunft. In der nächsten Woche zeigt Microsoft, wie wichtig Vertrauen ist.
*** Eine weitere Nachricht der vergangenen Woche war keine. In der Cheops-Pyramide bohrte ein Roboter ein Loch durch einen Stein, nur um dahinter einen weiteren Stein zu finden. Die Suche nach der ersten AOL-CD, dem ersten Smiley geht damit weiter. Ja, so waren sie, die alten Ägypter, immer zu einem kleinen Scherz aufgelegt und wie bei Indiana Jones gibt es eine Fortsetzung.
*** Zahlreiche Episoden verspricht uns Sun Microsystems mit einer ausgefeilten Abrüstungsdoppelstrategie von Solaris und Linux. Scott McNealy möchte nun mit den "besten Linux-Programmierern der Welt" eine Comdex-Keynote gestalten, heißt es nun bei Sun. Das muss stutzig machen: wie will McNealy, der schon einmal ein Automobil als Java-Browser mit Reifen definierte, die Besten der Besten finden, wo die bekanntlich doch in Höhlen leben? Nun dürfen die Höhlenforscher aktiv werden, die Happy Few für Scott McNealy zu finden. Wenn nicht, bleibt immer noch der Freielizenzerklärungsspezialist Richard Stallmann, der sich auf dieser Show in Las Vegas zusammen mit dem Unabhängigkeitserklärungsspezialsten Perry Barlow den Kopierverbotsverwertungsspezialisten der Unterhaltungsbranche ein Wortgefecht liefern will. Ach, Sun hat keine Palladium-artigen Pläne?
Was wird
*** In der längst gedrehten Lindenstraße wird die aktuelle Wahl eingewerkelt wie McDonalds-Werbung in Sims Online. Da fragt man sich, wo das Echte bleibt. Doch halt, es gibt sie noch, die guten Dinge, und das nicht nur im Versandhaus. Für alle, die an ein Leben nach der Standardsoftware glauben, heißt es nun, die alten Kisten anzuwerfen.
*** Es gibt noch ältere. Vor 50 Jahren erschien am 25. September das erste Buch des Zukunftsforschers Robert Jungk: "Die Zukunft hat schon begonnen". Ein denkwürdiges Werk und eine Reportage über die Allmacht und Ohnmacht Amerikas, allein schon wegen der Beschreibungen. Bei einem Besuch in Washington wird Jungk Zeuge eines Systemabsturzes, bei dem der ausrastende Operator dem Rechner anbrüllt: "You neurotic fool. Du verwöhntes Ungeheuer. Wegen dir muss ich jetzt zwei Stunden länger arbeiten". Jungk ist bestürzt, schließlich soll der Computer den US-Präsidenten beraten. Er wird beruhigt: "Alles nur Kinderkrankheiten eines jungen Programms", die "Lochkartensprache" könne umgehend korrigiert werden. Jungk schrieb: "Die Tatsache, dass Elektronenhirne ins Weiße Haus eingezogen sind, ist daher nicht besorgniserregend, sondern beruhigend. Denn diese Datengeräte ermöglichen es dem Staatschef, das vielfältige und verworrene Gewebe der Wirklichkeit, die zahllosen aufeinander einwirkenden Prozesse und Tatsachen genauer zu erfassen und erlauben so den führenden Politikern, die im Besitze solchen Wissens sind, vernünftiger zu handeln, als es eine Führung vermöchte, die nur ihren Eingebungen und Launen vertrauen würde."
*** Wer diese Nostalgie belächelt, kann immer noch zur Photokina gehen, die in der nächsten Woche im hillije Kölle die Pforten öffnet. Durch einen geschickten Fehler im Content-Management-System von Canon wurde vorzeitig bekannt, dass man auf der Schau der Photomoden in diesem Jahr 11 Megapixel trägt. Wie schön, das Moore's Law auch für diese Dinger gilt.
*** Intel wie AMD wollen in den kommenden Tagen millionenschwere Werbekampagnen in Funk und Fernsehen starten. Auch auf den toten Bäumen, die diese Kolumne finanzieren, werden die Kampagnen zu lesen sein. Bei AMD ist der Claim einfach, nur erinnert er irgendwie an einen Burgherren, den der große deutsche Dichter Schiller verewigte: AMD me! Intel hisst bekanntlich den Inside-Wimpel und hält es mehr mit dem großen deutschen Dichter Goethe, der seinem Eckermann im Jahre 1829 in die Feder nölte "Der Mensch wird in seinen verschiedenen Lebensstufen wohl ein anderer, aber er kann nicht sagen, dass er ein besserer werde, und er kann in gewissen Dingen so gut wie in seinem zwanzigsten Jahre recht haben als in seinem sechzigsten". Wie schön, dass es bei den Computern anders ist, wenn ein Intel-Prozessor im Gehäuse steckt: "Kann ein besserer Computer wirklich Ihr Leben verändern?" fragt Intel. Yessssssssss. Also liebe Leser: nicht wählen gehen, sondern neue Computer kaufen! (Hal Faber) / (em)