Empörung über Datensammelwut der Bundesländer

Der vom Bundesrat gebilligte Gesetzesantrag zur pauschalen Überwachung des Nutzungsverhalten der Surfer stößt bei der Wirtschaft und in Teilen der Politik auf Widerstand.

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Nachdem sich der Bundesrat am Freitag über den Umweg eines "Gesetzesantrags zur Verbesserung der Ermittlungsmaßnahmen wegen des Verdachts sexuellen Missbrauchs von Kindern" für die Festlegung genereller Mindestfristen für die Speicherung von "Bestands-, Nutzungs-, und Abrechnungsdaten" ausgesprochen hat, formiert sich Widerstand in der Wirtschaft und in Teilen der Politik. Die von den Ländern unter Führung von Bayern, Niedersachsen und Thüringen mit großer Mehrheit befürwortete Vorratsdatenspeicherung für das Internet, die sich auch auf das unentgeltliche Sammeln von Telekommunikations-Verbindungsdaten beziehen soll, fürchten Datenschützer seit langem wie der Teufel das Weihwasser. Strafverfolger und die CDU/CSU fordern sie dagegen seit Jahren, da die bestehenden Regelungen bisher nur eine Speicherung von Daten für Abrechnungszwecke zulassen. Dass die Bestimmungen nun durch die Hintertür und ohne öffentliche Debatte eingeführt werden sollen, löst Empörung aus.

In der Wirtschaft hat sich eine geschlossene Front aufgebaut. Als "jenseits aller Realitäten" bezeichnete Harald Summa, Geschäftsführer des Verbands der deutschen Internetwirtschaft eco, die Vorratshaltung gegenüber heise online: "Die Provider müssten Lagerhallen bauen". Die mit der Speicherung verbundenen Kosten lägen bei größeren Unternehmen im mehrstelligen Millionenbereich. Eine verbessere Erfolgsquote bei der Kriminalitätsbekämpfung erwartet der Lobbyist nicht: "Die Strafverfolger werden im Datenmüll ersticken." Zumal gleichzeitig das erforderliche Personal bei der Polizei eingespart werde oder fehle. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hatte erst jüngst zu Bedenken gegeben, dass die Gesamtbelastung der Telekommunikations-Unternehmen für Belange der Strafverfolgung ein zumutbares Maß überschritten habe.

Sorgen um die Kommunikationsfreiheit der mehr als 30 Millionen deutschen Surfer macht sich der IT-Branchenverband Bitkom: "Es sollen auf Verdacht hin Daten von unbescholtenen Bürgern gesammelt werden". Es dürfe nicht sein, dass Informationen über aufgerufene Webseiten und in Anspruch genommene Dienste gespeichert würden und der Staat später sehe, wofür das Material gut sei. Datenschützer halten die Bundesrats-Forderungen für vergleichbar mit der Kontrolle sämtlicher Bewegungen in einem Einkaufszentrum.

Auch im Bundestag, dem die Gesetzesanträge nun über das Bundeskabinett zugeleitet werden, stößt die Länderinitiative auf Ablehnung. Jörg Tauss, Beauftragter für Neue Medien der SPD-Fraktion, schimpft über "Stoibers Stasi-Gesetz", das der freiheitlichen Informationsgesellschaft ein Ende bereite. Letztlich hatte aber schon die SPD-Justizministerin Herta Däubler-Gmelin im Herbst die umstrittene Cybercrime-Konvention des Europarats unterzeichnet, die zur Ratifizierung eine Vorratsdatenspeicherung verlangt. Grietje Bettin, medienpolitische Sprecherin der Grünen, hält den Gesetzesentwurf genauso wie Datenschutzexperten für verfassungswidrig: "Das Bundesverfassungsgericht hat mit dem Volkszählungsurteil das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Bürger gestärkt und einer Vorratsspeicherung persönlicher Daten eine Absage erteilt." Doch selbst, wenn Rot-Grün sich den Planungen der Länder widersetzt, könnte das neue Parlament im Herbst diese rasch wieder aufgreifen.

Das Zünglein an der Waage könnte dann die FDP spielen. Deren Medienpolitiker und Rechtsexperten halten sich bislang mit Kritik an der Bundesratsentscheidung zurück. Zumindest an der Basis nimmt der Unmut über die nicht abgesprochene Gesetzesinitiative aber zu. "Dass auch Länder, in denen die FDP mitregiert, diesem Entwurf zugestimmt haben, ist skandalös", erklärte der Landesvorsitzende der Jungen Liberalen Hamburg, Jan Erik Spangenberg, gegenüber heise online. Zumal es früher auch aus Länderregierungen Kritik an der Vorratsspeicherung gehagelt hatte. Der Antrag, der Telekommunikationsunternehmen ins Verderben treibe und Grundrechte mit Füßen trete, sei nicht kompatibel mit dem Programm der FDP, meinte der Jungliberale. (Stefan Krempl) / (jk)