Galaxie ohne Dunkle Materie: Modell liefert womöglich Lösung für das Rätsel

Zwei Galaxien fast ganz ohne Dunkle Materie haben in der Welt der Astronomie zuletzt Fragen aufgeworfen. Eine Simulation hat nun wohl Antworten geliefert.

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Die sehr diffuse Galaxie NGC 1052-DF2 besteht fast nur aus Standardmaterie.

(Bild: NASA, ESA, STScI, Zili Shen (Yale), Pieter van Dokkum (Yale), Shany Danieli (IAS) IMAGE PROCESSING: Alyssa Pagan (STScI))

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Mithilfe einer Computersimulation hat eine internationale Forschungsgruppe offenbar eine Erklärung für zwei äußerst mysteriöse Galaxien gefunden, in denen es so gut wie keine Dunkle Materie gibt. Bei Kollisionen kleiner Galaxien mit großen Galaxien könnten letztere die komplette Dunkle Materie an sich reißen und die äußerst ungewöhnlichen Objekte übrig lassen, erklärt das Team. Solche waren 2018 und 2020 mit den Galaxien NGC 1052-DF2 sowie NGC 1052-DF4 entdeckt worden, Astronomen und Astronominnen hatten von einem "kompletten Rätsel" gesprochen. Die Bewegungen der Sterne in den beiden Galaxien können fast ausschließlich durch ihre eigene Gravitation erklärt werden, für Dunkle Materie ließen die Messdaten keinen Raum.

Wie das Team um den Astrophysiker Jorge Moreno von der Universität Kalifornien, Irvine jetzt erläutert, hat ihre Computersimulation die Evolution des Universums modelliert. Simuliert worden sei die Entwicklung eines etwa 60 Millionen Lichtjahre durchmessenden Ausschnitts vom Urknall bis zur Gegenwart. Danach hätten sie in den Daten ganze sieben Zwerggalaxien gefunden, denen fast die gesamte Dunkle Materie abgenommen wurde. Analysen hätten ergeben, dass Galaxien dafür verantwortlich waren, die tausendfach massiver waren. Die Simulation, die nicht gezielt so programmiert worden sei, Galaxien ohne Dunkle Materie entstehen zu lassen, habe trotzdem genau das getan und eine Antwort geliefert. Demnach müssten solche Galaxien sogar ziemlich häufig sein.

Die Entdeckung der beiden Galaxien ohne Dunkle Materie sei ein bisschen beängstigend gewesen, meint der an der jetzt vorgestellten Analyse beteiligte Astrophysiker James Bullock. Zwar wurde die rätselhafte Dunkle Materie bislang nicht direkt beobachtet und die Frage nach ihrer Natur ist eine der größten der modernen Physik, aber ihr Einfluss ist im Weltraum überall zu sehen. Dass es sie gibt, gilt als sicher. Natürlich habe man ein erfolgreiches Modell, das in jahrzehntelanger, harter Arbeit entwickelt wurde und in dem die meiste Materie im Kosmos für uns nicht sichtbar ist: "Trotzdem bleibt immer die Möglichkeit, dass die Natur uns in die Irre geführt hat". Die beiden Galaxien hatten zumindest Zweifel geweckt.

Die Simulationen des Teams um Moreno könnten nun die beiden rätselhaften Sonderfälle erklären, die nicht zu den bisherigen Beobachtungen passten. Sollten Astronominnen und Astronomen Beweise dafür finden, dass Galaxien einander wirklich fast die gesamte Dunkle Materie rauben können, könnten möglicherweise noch viele weitere Galaxien ohne Dunkle Materie gefunden werden. Die Ergebnisse ihrer Simulation hat das Team um Moreno im Fachmagazin Nature Astronomy veröffentlicht. Die sieben Galaxien ohne Dunkle Materie aus der Simulation wurden mit Genehmigung der Cherokee zu Ehren von deren Clans Bird, Blue, Deer, Long Hair, Paint, Wild Potato und Wolf getauft.

(mho)