10 Jahre Raspberry Pi: Gekommen, um zu basteln

Ein Bastelrechner feiert Geburtstag: Was als Lerncomputer für Schulkinder gedacht war, feierte als Tüftelsystem in der Open-Source-Welt große Erfolge.

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Raspberry Pi 4 Model B im c't-Labor

(Bild: c't)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Enno Park
Inhaltsverzeichnis

Ähnlich wie das Internet oder das Smartphone ist auch der Raspberry Pi eines dieser Dinge, die so selbstverständlich geworden sind, dass man sich fragt, wie man vorher eigentlich ohne auskommen konnte. Natürlich ist der Raspberry Pi kein Massenprodukt wie das iPhone, aber wann immer ein simpler, billiger Kleincomputer benötigt wird, um irgendeinen Dienst zu verrichten, stehen Raspberry Pi und seine Verwandten wie der Arduino bereit. Ohne ihn würden die Hacker- und Maker-Spaces dieser Welt wahrscheinlich weniger bunt sein.

10 Jahre Raspi: Projekte und Hintergrund

Dabei war der Raspberry Pi ursprünglich fürs Klassen- und Kinderzimmer gedacht. Denn in Groß-Britannien sank die Zahl der Informatik-Studierenden in den 2000er-Jahren und britische Schüler sollten mit dem Einplatinenrechner für den Informatik-Unterricht begeistert werden. Schließlich ist der wesentlich weniger trocken, wenn nicht nur abstrakte Programmierübungen zu absolvieren sind, sondern ein Computer dazu gebracht werden kann, mit einem Sensor beispielsweise die Temperatur oder Luftfeuchtigkeit zu messen. Das jedenfalls war die Idee einer Truppe von Enthusiasten um den Ingenieur Eben Upton, der zuvor unter anderem Hardware beim Netzwerkkarten-Anbieter Broadcom entwickelt hatte.

Mit den ersten Prototypen ging das Team bereits 2006 hausieren, aber auf den Markt kam der Raspberry Pi erst 2012 – und wurde der frisch gegründeten gemeinnützigen Stiftung förmlich aus der Hand gerissen. Zeitweise brach der Webserver unter dem Ansturm zusammen und der Anbieter hatte Mühe, die große Nachfrage zu bedienen. Allerdings waren es nicht unbedingt Schüler oder Bildungseinrichtungen, die den Online-Shop belagerten, sondern vor allem Hacker, Maker und Tüftler aller Art, die einfache und bezahlbare Einplatinenrechner sehr gut gebrauchen konnten. Jedenfalls sahen die darin ganz und gar keine Himbeere, womit im englischen Sprachraum etwas Enttäuschendes bezeichnet wird. Im Deutschen würde man vielleicht Gurke sagen. Der selbstironische Name hatte seinen Ursprung in den Spezifikationen: Das erste Modell hatte eine CPU mit nur einem Kern, der mit 700 MHz getaktet war und 256 MB RAM, was für einen PC oder Smartphone der damaligen Zeit völlig unterdimensioniert gewesen wäre.

Zehn Jahre, ein paar CPU-Kerne und 40 Millionen verkaufte Einheiten später hat sich ein üppiges Ökosystem um den preiswerten Rechner gebildet. Es gibt eine riesige Entwickler-Community, die für viele Anwendungen Open-Source-Software entwickelt hat. Einer nicht repräsentativen Umfrage auf Social Media zufolge dienen die allermeisten Raspberry Pis der Heimautomatisierung: Beleuchtung, Türschlösser, Alarmanlage, Heizung, Smart Meter und das Solarpanel auf dem Dach. Es gibt in diesem Bereich kaum etwas, das sich nicht damit regeln oder überwachen ließe. Fast genauso häufig genannt wurden Media-Server, die Audio- und Videostreams für diverse Endgeräte bereitstellen sollen. Interessanterweise war eine der am häufigsten genannte Einzelanwendungen Pi-Hole, ein Adblocker der per DNS-Filter auf sämtlichen Geräten im heimischen Netz Online-Werbung blockiert.

Längst wird der Einplatinenrechner auch professionell eingesetzt, zum Beispiel in der Forschung, wo immer dann gerne darauf zurückgegriffen wird, wenn ein Computer mit Standard-Sensoren etwas messen oder überwachen soll. Doch legendär sind die vielen kreativen Anwendungsmöglichkeiten wie etwa die ungezählten LED-Streifen, die per Raspberry Pi zum Blinken gebracht werden. Bekannt sind die Bauanleitungen für smarte Spiegel, die Datum, Wetter, News und Inbox schon beim Zähneputzen anzeigen. Der Raspberry Pi eignet sich auch als Wetterstation, Retro-Spielekonsole oder Babycam, er kann Gewächshäuser steuern, selbstgebaute Roboter oder Insulinpumpen. Und viele liegen in Schubladen herum, wo sie als Projektionsfläche zum Träumen dienen, was man demnächst alles für tolle Projekte mit ihnen umsetzen möchte, wenn man endlich einmal Zeit dazu findet.

Damit ist aus dem Raspberry Pi aber nicht so ganz das geworden, was er werden sollte. Auch wenn er durchaus zu Lehrzwecken in Schulen und an Universitäten eingesetzt wird, dient er überwiegend einer technikaffinen Mittelschicht dazu, ihre Wohnungen zu automatisieren. Und ehrlich gesagt haben Eden Upton und sein Team auch das grundsätzliche Versprechen nicht eingelöst, einen Rechner anzubieten, der zugleich preiswert und sehr niederschwellig in Benutzung und Programmierung ist. So trivial es versierten Nutzern erscheinen mag, ein Linux-Image auf eine SD-Karte zu schreiben, um davon den Raspberry Pi zu booten – für Menschen, die sonst nur Office, ihr Smartphone oder nichts davon gewohnt sind, ist diese Hürde zu hoch.